Bernd Leitenbergers Blog

Vom Mars besessen

… ist Robert Zubrin. Seit er in den Neunziger Jahren seinen ersten Mars Direct Plan veröffentlichte sind dem weitere gefolgt. Der letzte basiert nun nur auch auf der Nutzung von drei Falcon Heavy (immerhin mit LOX/LH2 Stufen). Diese würden etwas über 50 t zum Mars schicken – ungefähr das was eine Saturn V zum Mond beförderte. Das ist der letzte Tiefpunkt (auch in Masse) seiner Pläne. Zum Vergleich geht die NASA von rund 800-1000 t in der Erdumlaufbahn, entsprechend 300-360 t zum Mars entspricht also 6-7 mal mehr aus für ihre Reference Mission.

Zubrin gibt als wesentlichen Grund an, damit könnten Milliarden Dollar gespart werden und das höhere Risiko würden dann Freiwillige gerne in Kauf nehmen. Ich finde er ist auf einem völligen Holzweg. Ich will mich mal nicht auf das Menschenbild stürzen das dahinter steckt, wenn man „Freiwillige“ braucht für den Marstrip.

Der Grundgedanke bei allen Zubrin Plänen ist der Startgewicht zu sparen. Dadurch sollen die Missionen billig werden und das ist ein Fehlschluss. Eine Parallele zu Apollo ist leider hier irreführend. Bei Apollo machte die Entwicklung der Saturn V einen Großteil der Entwicklungskosten aus. Es wurde technisches Neuland betreten, sowohl in den Leistungen der Trägerrakete wie auch deren Zuverlässigkeit mit Rekordwerten für diese Zeit. Das ist heute anders. Das letzte Projekt, das SLS, aber auch die Ares V sollen ja nur schon existierende Komponenten wir SRB und RS-68 Triebwerke einsetzen. Die Entwicklungskosten dürften viel überschaubarer sein und die Transportkosten auch. Die große Menge Frachtgut macht z.B. eine kleine Serienproduktion notwendig, daher dürften die Startkosten sich an bestehenden Trägern orientieren. Und projiziert man die Transportkosten für 1000 t Fracht ausgehend, von denen der Ariane 5, so kommt man auf rund 10 Milliarden Dollar Startkosten. Da eine große Trägerrakete eher preiswerter als eine Kleine ist wird es in der Praxis weniger sein vielleicht eine Zahl zwischen 5 und 10 Milliarden.

Nun sind 10 Milliarden kein Pappenstiel, aber sie werden klein sein verglichen mit den Gesamtprojektkosten. Die ISS kostet rund 135 Milliarden Dollar und sie wiegt nur rund 400 t. Ich denke eine Marsmission wird mindestens ähnlich komplex und ähnlich teuer wie die ISS sein, dass heißt also die Transportkosten machen nicht mal einen zweistelligen Prozentbetrag an den Gesamtaufwendungen aus. Wenn man dann davon 5/6 sparen (beim letzten Zubrin Plan) kann, indem man die Nutzlast stark reduziert, so macht dies eine Einsparung von vielleicht 5% möglich.

Stattdessen sind für Zurbins Pläne Neuentwicklungen nötig, die zwar prinzipiell möglich sind, aber noch völlig unerprobt. So basiert sein Mars Direct Plan darauf, dass der Treibstoff für den Rückflug auf dem Mars hergestellt wird. Das technische Prinzip: Aus Wasserstoff wird in einem chemischen Prozess durch das Kohlendioxid der Marsatmosphäre Methan und Sauerstoff hergestellt. Auch wenn das technische Prinzip auf der Erde gut funktioniert, ist noch nicht gesagt ob es auf dem Mars (mit starken Temperaturschwankungen, dünner Atmosphäre, Staubstürmen und Spurengasen, die Probleme bei den Prozessen machen, genauso funktioniert. darüber hinaus müssen große Mengen an kryogenen Gasen über Jahre hinweg flüssig gehalten werden (vor allem der Wasserstoff der zum Mars gebracht wird) und es wird als Stromversorgung ein Nuklearreaktor benötigt – ach ja den gibt es auch noch nicht.

Das ignoriert eine Grundregel bemannter Missionen: eingesetzt wird nur was erprobt und absolut sicher ist. Nehmen wir Apollo. Die Antriebe, die nicht versagen dürften, setzten alle lagerfähige, hypergole Treibstoffe ein. Bei der Landefähre sogar nur druckgefördert. Zuverlässig, erprobt, einfach (keine Zündung, keine Turbopumpe nötig). Die Kapseln und ihr Hitzeschutzschild wurden unbemannt erprobt, das Schildmaterial sogar extra auf Scouts (FIRE). Die Kopplung, Eva Arbeiten, Zündungen und Lageregelungen wurden beim Gemini-Programm in 10 Missionen erprobt, das Raumschiff selbst bei Apollo in den ersten vier bemannten Missionen. Brennstoffzellen und Computer bei Gemini, Stromversorgung ansonsten mit Batterien – da findet sich zwar viel evolutionär weiterentwickeltes, aber nur wenig wirklich neues.

Okay und nun fahren wir auf den Mars, nehmen dort eine Treibstofffabrik und Nuklearreaktor in Betrieb und hoffen es klappt auch? Forget it. Die Entwicklung dieser Technologien zu den Sicherheitsstandards, die üblich sind wird so teuer werden, dass sie leicht jeden Kostenvorteil bei den Transportkosten einsparen würden, denn das einzige, was man heute schon von einem Marsprojekt umsetzen könnte, wäre die Trägerrakete. Wir brauchen ja nur eine Schwerlastrakete, keinen besonders zuverlässigen bemannten Träger, denn es sind viele unbemannte Flüge mit Treibstofftanks und Modulen nötig bis eines zum Mars aufbrechen kann. Da es sicher mehr als eine Expedition geben wird muss bei einem Fehlstart dann eben ein Ersatzmodul oder Ersatztreibstofftank gestartet.

Es geht sogar, wie ich schon mal ausgeführt habe, noch einfacher. Der Trick dabei ist, dass von 100 t die im Erdorbit von einer Schwerlastrakete befördert werden nur 42 t auf einen Marskurs kommen (Geschwindigkeitsdifferenz 3800 m/s, Ausströmgeschwindigkeit der Kickstufe von 4400 m/s). Davon sind 36 t Nutzlast, 6 t die ausgebrannte leere Stufe. Also es erreicht nur ein Drittel den Mars. den meisten Treibstoff der ganzen Expedition braucht man für dieses Manöver. Es ist aber durch 3-4 Starts ersetzbar, bei der nur der erste die Nutzlast in einen Erdorbit bringt. Die anderen sind reine Stufen, mit Treibstoff, welche sie in eine immer höhere Bahn befördert. Erst der letzte transportiert dann die Nutzlast zum Mars. Das bestechende daran: Man benötigt nun keine Trägerrakete der 150-200 t Klasse mehr, sondern nur eine mit 50 t Maximalnutzlast. Diese ist durch Clusterung aus den bisherigen Typen erreichbar. Boeing und Lockheed-Martin haben solche Entwürfe für ihre Delta IV und Atlas V ausgearbeitet und ich habe auch schon Ariane 5 Versionen mit 50 t LEO Nutzlast in Veröffentlichungen gesehen. Diese Träger könnten über die ganze Programmlaufzeit gefertigt werden, weil erst der letzte Start die Nutzlast zum Mars bringt. Bei 8 gefertigten Trägern pro Jahr (eine Stückzahl die heute Ariane 5 und Proton erreichen) können in den 26 Monaten zwischen zwei Startfenstern z.b. 18 Träger der 50 t Klasse gefertigt werden, was 900 t LEO Nutzlast entspricht und so einer typischen Marsmission – ohne großen Aufwand für eine dezidierte Trägerrakete.

Ich verstehe nicht warum Zubrin so aufwendige Lösungen wie die Treibstoffproduktion oder den Rückstart des ganzen Habitats vom Mars propagiert (anstatt einer kleinen Kapsel die viel weniger Treibstoff erfordert), anstatt ofensichtliche Lösungen zur Reduktion der Programmkosten anzugehen. Auch nicht nachzuvollziehen ist seine vollständige Ablehnung von Ionentriebwerken, die immerhin einen Reifegrad haben in dem sie zumindest unterstützend eingesetzt werden können (z.B. zur Reduktion der Reisezeit, als Zusatz zum chemischen Treibstoff) und dafür als Ersatz einen hypothetischen Antrieb, die nukleare Salzwasserrakete propagiert, die nur auf dem Papier funktioniert. Irgendwie scheint er von seinen Konzepten besessen zu sein ohne Alternativen überhaupt in Betracht zu ziehen.

Die mobile Version verlassen