Eines ist das schöne an der Technik: Man kann sie durchrechnen und erhält exakte Zahlen. Bei konkreten Raumfahrtprojekten spielen dann immer auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle und dann wird es kompliziert. Mich interessiert folgende Frage: Welche Nutzlast ist mit der heutigen vorhandenen Technologie erreichbar? Das Ziel sollte es sein 10% der Raketenmasse als Nutzlast in einen LEO-Orbit zu befördern.
Damit wir einen Vergleich haben: Das bisher leistungsfähigste System ist das STS mit 114 t Nutzlast bei 2032 t Startmasse (5,6%). Ariane 5 liegt bei 2,7% In dieser Region um maximal 3% Nutzlast liegen viele der heutigen Trägerraketen. Ich will nun zeigen, dass es möglich ist doppelt so viel Nutzlast in den Orbit zu hieven.
Die Fragestellung ist simpel: Was ist mit der heutigen Technik an Nutzlast möglich? Also nicht mit exotischen Lösungen sondern State of the Art oder zumindest theoretisch untersuchten Lösungen.
Ich will dies am Beispiel einer Trägerrakete mit einer 200 t schweren Erststufe zeigen. Deren Masse soll konstant bleiben. Die Masse der Oberstufe soll optimiert sein.
Fangen wir an mit dem Triebwerk. Das leistungsfähigste ist heute das SSME und es ist auch noch kaum zu steigern. Was allerdings bei seiner Entwicklung noch nicht existierte, waren ausfahrbare Düsen. Das bedeutet: das SSME startet mit seine Düse mit dem Flächenverhältnis von 77,5 und eine zweite wird als Kegelstumpf über diese gezogen, wenn der Außendruck genügend stark abgenommen hat um Turbulenzen bei höherer Expansion und hohen Ausendruck zu vermeiden. Beim Vinci hat diese Düse ein Flächenverhältnis von 240, während der Feste Teil eines von 90 hat. Überträgt man dies auf das SSME so sollte eine Düse mit einem Flächenverhältnis von 206 möglich sein. Nach CEA2 erhält man je nach Simulationsbedingung (eingefrorenes Gelichgewicht oder nicht) einen 113,3 bzw. 134,4 m/s höhere spezifische Impulse. Nimmt man nur den niedrigeren, so erhält man einen spezifischen Vakuumimpuls von 4593,3 m/s.
Nimmt man eine Rakete mit maximal 300 t Startmasse und einer anfänglichen Beschleunigung von 1,3 g an, so werden zwei Triebwerke mit je 2000 kN Schub benötigt. Basierend auf dem SSME würden diese je 3.700 kg wiegen. Dazu kommt noch das Schubgerüst, Druckgase, Pneumatik, Stufenadapter. Diese wiegen in etwa so viel wie die Triebwerke. Macht für diesen Teil dann rund 14,4 t.
Nun geht es weiter zum Tank. Auch hier wäre der Shuttle ET eine Vorlage, allerdings nur der LH2 Tank. Er ist aus der leichten Legierung 2195 gefertigt und wiegt 11 t bei 1480 m² Volumen. Beim Sauerstofftank hat man dies nicht gemacht und für die Gewichtseinsparung wäre eine Intertankverbindung auch einzusparen. Bei 520 m³ Volumen für die kleinere Treibstoffmenge sind das dann 3,9 t Gewicht.
Zusammen kommt man dann bei 180 t Treibstoff auf eine Trockenmasse von 18,3 t für diese Stufe oder ein Voll/Leermasseverhältnis von 10,83 für die erste Abschätzung (noch zu konkretisieren, da ja die Startmasse und damit der benötigte Schub nicht feststeht).
Kommen wir zur zweiten Stufe. Als Triebwerk wäre hier das Vinci ideal. Allerdings nicht mit Sauerstoff als Oxidator, sondern mit Fluor. Diese Kombination wurde in den Sechzigern untersucht. Ein Einsatz mit dem RL-10 erwogen, das kompatibel zu dieser Treibstoffkombination ist. Als Triebwerk mit demselben Bauprinzip (Expander Cycle) sollte dies auch das Vinci können. Fluor erhöht den spezifischen Impuls um 240 m/s nach FCEA Simulationen, wenn man es mit einem Mischungsverhältnis von 14:1 betreibt. Davon sollen 200 m/s nutzbar sein (spezifischer Impuls dann 4760 m/s)
Das ist der zweite Vorteil: Bei Fluor liegt das stöchiometrische Verhältnis bei 19:1 anstatt 8:1 wie bei der Verbrennung mit Sauerstoff. Da der Wasserstoff enorm viel Volumen braucht (beim Shuttle ET: 100 t LH2 haben 1500 m³ Volumen 600 t Sauerstoff aber nur 500 m³ Volumen), So verringert dies das Volumen des Wasserstoff und Fluor ist auch noch Dichter. (Dichte 1,41 zu 1,14 g verglichen mit LOX)
Hier habe ich nun als Datenbasis die Centaur D genommen. Für mich aus zwei Gründen. Die Stufe ist zwar alt, aber als von der NASA entwickelten Stufe gibt es Daten für jedes Subsystem. Das fehlt bei den neueren Stufen. Weiterhin ist der Edelstahl geeignet flüssiges Fluor zu lagern. Hier wog der Tank 540 kg um 2260 kg Wasserstoff und 11245 kg Sauerstoff aufzunehmen. Fluor/Wasserstoff ist bei dem gewählten Mischungsverhältnis 2,64 mal dichter. Es wurde gewählt, weil eine Untersuchung für das RL-10 feststellte, dass dieses mit diesem Mischungsverhältnis zurecht kommt und zwischen 12 und 16 der spezifische Impuls gleich bleibt. 14:1 liegt genau dazwischen.
Bei derselben Vorgabe hinsichtlich des Gewichts von Triebwerken, Schubrahmen und anderen Systemen kommt man bei einem Triebwerk mit 300 kN Schub zu einem Gewicht von 1440 kg für Triebwerke, Steuerung, Schubrahmen und bei 40 t Treibstoff auf 1440 kg für Triebwerke und 610 kg für den Tank. Dazu kommt noch die Isolation und VEB. Das soll weitere 550 kg ausmachen. Das ist von Voll/Leermasseverhältnis von 16,3.
Damit bin ich nun in die Simulation des idealen Stufenverhältnisses für eine zweistufige Rakete gegangen und bin zu folgender Rakete gekommen:
Vollmasse Leermasse spez. Impuls Geschwindigkeit
200000,0 18467,2 4693,0 3572,5
105792,1 6490,3 4760,0 5827,9
Gesamtstartmasse: 340647,3
Nutzlast: 34855,2 = 11,4 Prozent der Startmasse
Die Simulation ist einfach gestrickt und geht davon aus, dass die Voll/Leermasseverhältnisse von 10,8 und 16,3 gleich bleiben, egal wie groß die Stufen sind.
Okay, das ist wegen der großen Unterschieds in der Voll/Leermasse und des spezifischen Impulses etwas ungewöhnlich. Man verliert aber nicht viel, wenn man normale Stufenverhältnisse ansetzt. Mit einer 50 t schweren Oberstufe beträgt der Nutzlastanteil immer noch 10,8%. Mit diesem Ansatz kann man dann ausgehend von der Oberstufe die genauen Subsysteme errechnen:
Für die Oberstufe:
Stufenkonstruktion
Gewicht Nutzlast 27200 kg
Gewicht Treibstoff 47000 kg
Gewicht Triebwerk 753 kg
Berechnet:
Nutzbarer Treibstoff 46295 kg
Treibstoffreste 705 kg
Gewicht Tanks 578 kg
Gewicht Struktur 72 kg
Gewicht Adapter 639 kg
Gewicht Lenkung 458 kg
Gewicht Nutzlasthülle 4735 kg
Gesamtgewicht Stufe 48862 kg
Leergewicht Stufe 2567 kg
Für die Erststufe:
Gewicht Oberstufe 80800 kg
Gewicht Treibstoff 188000 kg
Gewicht Triebwerk 4856 kg
Berechnet:
Nutzbarer Treibstoff 185180 kg
Treibstoffreste 2820 kg
Gewicht Tanks 7520 kg
Gewicht Struktur 940 kg
Gewicht Adapter 1897 kg
Gewicht Lenkung 1688 kg
Gesamtgewicht Stufe 203004 kg
Leergewicht Stufe 17824 kg
Mit den Daten kann man nun eine korrektere Simulation machen (Zielgeschwindigkeit: 9300 m/s (7800 m/s Orbitalgeschwindigkeit und 1500 m/s Verluste) und kommt auf eine Nutzlast von 28500 kg bei einer Startmasse von 257,1 t. (Nutzlastanteil 10,7%). Die Nutzlast ist also höher als bei der dreimal schwereren Ariane 5 oder Delta IV Heavy. Die doppelt so schwere Falon 9 erreicht sogar 60% der Nutzlast. Sogar in einstufiger Ausführung hätte die Rakete noch 16 t Nutzlast. (Startmasse 205,4 t). Eine dreistufige Version bringt dann nur noch wenig und steigert die maximale Nutzlast auf rund 12% der Startmasse.
Bei höheren Geschwindigkeiten wird der Vorteil noch offensichtlicher. Für den GEO Orbit erhält man so eine rund 250 t schwere Rakete (200 t ( 50 t) mit 7,24 t Nutzlastanteil bei zweistufiger und eine 320 t schwere Rakete bei dreistufiger Bauweise (2,9 bzw. 3,4 % Nutzlastanteil). Die Delta IVH erreicht nur 0,7% Nutzlastanteil.
So. übermorgen beschäftigen wir und damit was die Wiederverwendung so an Nutzlast kosten kann.
Ansonsten komme ich beim Buch über das MSL und PG sehr gut voran. 210+ Seiten sind schon an Material zusammen, Phobos Grunt abgeschlossen, sodass ich denke ich werde mit dem ersten Teil – Material ins grobe schreiben noch im Dezember fertig. Als Abfallprodukt gibt es zwei neue Artikel auf der Website:
Über Yinghuo-1 und eine tabellarische Übersicht aller Marssonden.