Nun hat die russische Akademie der Wissenschaften den vorläufigen Untersuchungsbericht über die wahrscheinliche Versagensursache von Phobos-Grunt veröffentlicht. Es sollen importierte Elektronikbauteile aus Asien gewesen sein, die nicht weltraumqualifiziert waren. Ja, viel peinlicher geht es nicht mehr. Aber vorher waren doch schon die echten Schuldigen bestimmt: Medwedew sprach davon die schuldigen zu bestrafen, was darauf hinausläuft, als hätte jemand bewusst die Mission sabotiert. Das ist natürlich auch voll logisch bei einer rein wissenschaftlichen Mission. Oder Popojewitsch von der russischen Akademie der Wissenschaften der gleich wusste, dass die USA durch Radarstationen die Elektronik der Sonde gestört hatten. Zuerst von Alaska aus, und nachdem selbst Laien anmerkten, dass man bei der Flugbahn von Alaska aus die Sonde gar nicht stören konnte, weil die ersten beiden Flüge nicht Alaska streifen, war es dann ein NASA-Radar auf den Marschallinseln. Selbst wenn – das Radar wird auch sonst nicht abgestellt, wenn Satelliten es überfliegen. Warum fallen dann andere Satelliten nicht aus?
Mal abgesehen, davon, dass offensichtlich 20 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den Führungsetagen dort noch das Weltbild „Wir hier und da der böse Kapitalismus der unsere Missionen sabotieren will“ herrscht, ist auffällig, dass sich die Fehlschläge häufen. Zwischen Dezember 2010 und 2011 fanden 30 Missionen mit russischen Trägern statt. Davon scheiterten 5. Das sind 16,6% – der höchste Wert seit den frühen sechziger Jahren. Beschränkt man sich nur auf die russischen Nutzlasten, so sieht es noch schlechter aus, da auch in der Vergangenheit bei der Proton es mehr Fehlschläge bei russischen Nutzlasten als westlichen Starts gab, was schon auf die Misere hindeutete.
Es wird aber schlimmer. Nun hat es einen Progressstart für die ISS erwischt. Wann wird es die bemannte Sojus erreichen? Wenn man von russischer Technik redet, dann meistens in dem Zusammenhang von „erprobt, wenn auch nicht auf dem technisch aktuellen Stand“. Nun das „erprobt“ ist nur so gut wie die Fertigung. Natürlich kommen nun keine Designfehler vor, aber das nützt gar nichts, wenn die Produktion schlampt, es nur eine mangelhafte Kontrolle und Qualitätssicherung gibt. Russlands Raumfahrtindustrie hat einen rasanten Abstieg zu verzeichnen, die ganz im Gegensatz zu dem Großmachtgehabe steht. Ein frisch von der Uni kommender Ingenieur verdient bei Lawotschkin z.B. nur noch 340 Euro. Die Bezahlung ist mies und die Inflation ist hoch. Die Kosten von Phobos-Grunt haben sich z.B. zwischen 2009 und 2011 verdoppelt – das ist alleine aufgrund der Verzögerung nicht begründbar. So steht die Vega auch trotz massiv angestiegener Startkosten gar nicht mehr so schlecht da, weil auch dir russischen Träger deutlich teurer wurden. Vor wenigen Jahren kostete bei Starsem z.B. ein Sojusstart von Baikonur aus noch 50 Millionen Dollar. 2010 war dann schon von 70 Millionen Dollar von Kourou aus die Rede, und als die Sojus STK letztes Jahr startete, waren es 70 Millionen Euro pro Start.
Da praktisch der gesamte Mittelbau fehlt, also Fachleute, die nicht gerade von der Uni kommen und auch nicht vor der Pensionierung stehen, die Folge von 20 Jahren kontinuierlichen Abstiegs, wird die Situation nicht besser werden. Denn alleine mit Geld ist es nicht getan. Man braucht auch qualifiziertes Personal. Im Gegenteil: Nun gehen auch noch die die geblieben sind in Rente. Der Abbau geht weiter. Bis Russland diesen Blutverlust aufholen wird, werden Jahre, wenn nicht ein Jahrzehnt vergehen. Aber das der politische Wille da ist eben nicht nur „Schuldige“ zu suchen, sondern die Ursachen zu beseitigen, scheint nicht gegeben zu sein. Wahrscheinlich wird es erst ein Umdenken geben, wenn auch die Starts noch stärker betroffen werden die von zahlenden Kunden aus dem Westen bezahlt werden oder noch schlimmer Astronauten/Kosmonauten ums Leben kommen. Aber so wie ich Medwedew und Putin kenne, wird auch dann nur nach Schuldigen gesucht … Ein Tipp: Schaut mal in den Spiegel.