Bernd Leitenbergers Blog

Zeitbeschleunigung

Ihr fragt euch sicher, wo die Blogeinträge bleiben. Nun ich habe einen Anruf erhalten, mit der Bitte einen Bug in einem meiner Programme auszumerzen, und als kundenorientierter Schnellprpgrammierer bin ich natürlich sofort losgeradelt. Der Bug war in einer Stunde gefunden und behoben, doch dann bekam ich eine neunseitige Liste von kleinen Schönheitsfehlern in „Nice to have“ Features und da saß ich die letzten Tage dran und wahrscheinlich noch morgen (Freitag) früh und nachmittags habe ich dann wieder meine Vorlesung. daher heute nur ein kurzes Thema bei dem jeder mitreden kann – wird unsere Zeit immer hektischer? Man redet ja von „Entschleunigung“ und „Burnout-Syndrom“ war als Krankheit vor 20 Jahren auch noch unbekannt.

Man sieht es ja allerorten. Jeder meint er müsste immerzu erreichbar sein. Jede freie Minute muss genutzt werden um Mail zu checken, SMS zu schreiben oder sonst was. Ich verstehe den Sinn nicht, immer erreichbar zu sein. Und außer dringenden Notfällen (das Haus brennt, die Katze wurde vergiftet) kann ich mir auch keine Nachricht denken die ich nicht auch am Feierabend entgegen nehmen kann. Wie ihr daher sicher wisst, habe ich kein Handy und seit 2007, als DSL über das Fernsehkabel kam auch kein Telefon. Das ist toll. Keine Anrufe zur Unzeit.

Aber man merkt die Beschleunigung auch in anderen Dingen. Musik so denke ich ist tendenziell schneller geworden (es gab und gibt immer schon langsamere Stilrichtungen, aber wenn man den Durchschnitt nimmt, dann denke ich merkt man das). Noch auffälliger ist es beim Fernsehen. Die MTV-Generation ist ja schon Schnitte im Sekundentakt gewohnt, von denen ich nur Kopfschmerzen bekomme, aber auch praktisch in allen Formaten haben sie Einzug gehalten. Man muss nur mal sich was aus den Achtzigern anschauen, das ist noch richtig gemütlich für heutige Verhältnisse. Es ist ja nicht nur der Schnitt sondern auch der Inhalt. Die Familienserie, in der sich eigentlich alles nur um die kleinen und großen Probleme dreht gibt es ja schon nicht mehr, aber auch spektakulärere Serien wandeln sich. Was ist in rund 357 Folgen von Dallas passierte. kann man recht schnell aufzählen. Bei den nur 177 Folgen der „Desperate Housewifes“ ist das schon schwieriger. Ich bekäme wohl kaum mehr alle wesentlichen Handlungsstränge zusammen.

In der Summe gewinnt man aber nichts, sondern verliert etwas: Zeit, Ruhe, Gelegenheit was sinnvolles zu tun ohne in Stress zu geraten. Ich komme ja gerade vom Allgäu zurück da wird mir das jedes Mal bewusst. Wir haben zwar inzwischen auch dort Internet, aber ich habe kein Notebook. Daheim mache ich Putzarbeiten oder Reparaturen recht ungern, meistens muss ich mich vom Computer losreisen, wo ich noch einen Blog, einige Seiten für das nächste Buch oder einen Artikel schreiben muss oder was recherchieren muss. Wenn kein Computer da ist findet man die Zeit dafür und so arbeite ich in den zweimal rund 10 Tagen mehr als sonst jeder anderen Zeit im Jahr. Dazu konnte ich rund 170 Seiten aus meinem Ernährungslehrelehrbuch lesen. Dafür hätte ich sonst nicht die Geduld etwas im Zusammenhang in dieser Länge zu lesen.

Trotzdem gibt es immer Anfeindungen. Jedes Mal denke ich vor der Fahrt nach, ob ich nicht doch ein Notebook anschaffen soll. Bisher hat mich meine schwäbische Sparsamkeit davor bewahrt, denn ich würde es nur dort brauchen und habe keine Lust noch einen zweiten Computer zu administrieren und auf dem Laufenden zu halten.

Die Frage ist wie lange wird dies noch so weitergehen? Ich denke schon die Zeit meiner Jugend war für Leute die nur 100 Jahre früher lebten schon schnelllebig. Aber ein Unterschied scheint zu sein, dass es sich beschleunigt. Wann endet es? Wenn die Hälfte der Leute unter „Burnout“ leidet?

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