Bernd Leitenbergers Blog

Marktbereinigung

Mir ist was aufgefallen, was wohl keine Besonderheit ist, aber doch irgendwie immer wieder vorkommt: Eine Form der Marktbereinigung. Nehmen wir mal die Heimcomputer/PC’s. 1974 erfunden gab es bald eine enorme Zahl von Herstellern von Computern und Peripheriegeräten. Ich weiß, ja da etliche meiner Leser noch die achtziger Jahre miterlebt haben: was gab es da an Computern – nicht nur die großen Anbieter, bei Heimcomputer wohl Commodore, Armstrad und Sinclair zu nennen, sondern zahllose andere Texas Instruments, Spectravideo, Triumpf-Adler, Tandy Radio Shack und und und. Noch mehr Firmen gab es die Peripheriegeräte anboten, Schnittstellen, Floppys, Module etc. Nach und nach starben alle aus, und heute haben wir nur noch den „PC-Standard“, selbst der Mac ist nur ein PC mit etwas anderem Betriebssystem (in der vorletzten ct wurde ein „Hackintosh“ vorgestellt, ein Bausatz-PC mit Standardkomponenten der mit dem Mac-OS läuft). Das ganze kann man auch an anderen Stellen aufziehen: Von den zahlreichen Herstellern von Festplatten sind heute nur noch wenige übrig, bei den Druckerherstellern sind es noch ein paar mehr, doch wenn man das auf die Druckwerke reduziert, so sinkt die Anzahl der Hersteller drastisch.

Das es nur noch einen Standard gibt, der von vielen Produzenten genutzt wird ist sicher ein Extremfall, doch wir sehen das Phänomen auch bei anderen Märkten. Von den zahlreichen Automobilhgerstellern sind nur noch wenige große übrig. Großraumflugzeuge bauen heute nur noch Boeing und Airbus, früher gabs mal noch Lockheed, McDonnell-Douglas, Junkers etc… Auch bei den Luft und Raumfahrtfirmen aggregiert es sich. Was sind die Ursachen?

Nun das Konzerne fusionieren, das wird es immer geben, der größere frisst den kleineren oder manchmal erhoffen sich auch beide Konzerne Synergien und gehen zusammen ohne „feindliche“ Übernahme, z.B. wenn der eine gut in den USA platziert ist und der andere in Europa.

Aber meine Theorie für das Phänomen der immer geringer werdenden Vielfalt ist eine andere und ich erläutere sie mal am Computer also den Heimcomputern. Wer mal seinen alten 8-Bit Rechner aufgeschraubt hat und sich die Platine angesehen, der stellt fest, dass wenn der Hersteller nicht die Funktionen in einem eigenen Chip zusammengefasst hat, der „PC“ erstaunlich aufgebaut war. Es gab so um die 40 Chips, zum einen RAM-Chips, dann ROM mit dem Betriebssystem. Den Prozessor, Ein/Ausgabebausteine, Videoprozessor und „Soundchip“. Der Großteil waren zahlreiche Bausteine der TTL-74xxx Serie, die Signale verstärkten oder einfache Gatter waren um die Adress-/Datenleitungen auf alle Bausteine zu verteilen, ohne dass sich alle gleichzeitig angesprochen fühlen, sondern abhängig von bestimmten Signalpegeln. Wollte man z.B. den ROM Chip in den obersten 16 KByte des Speichers ansprechen, dann musste ein Chip nur die „Enable“ Leitung freischalten wenn die beiden obersten Adressleitungen gleichzeitig auf „1“ waren. Das konnte man verstehen ohne Elektrotechnik studiert zu haben und als die ct‘ als eines ihrer ersten Projekte mal einen „Dr Osborne“ vorstellte, einen Nachbau des Osborne PC’s, da erklärte sie in wenigen Ausgaben recht gut die Funktion und Beschaltung der Platinen. Man konnte die Funktion der Computer wirklich noch verstehen und wir kennen ja auch Fälle wo sie von einem einzigen entworfen wurden (Apple II von Stephen Wozniak).

Verglichen mit heute waren die Benutzer äußerst wenig anspruchsvoll und nahmen Einschränkungen hin, ja betrachteten sie sogar als Herausforderungen. Wenn wir einen Begriff suchen, dann passt sicher am besten der des „Early Adaptors“ – jemand der etwas weil es neu und unbekannt ist einfach kauft, ausprobiert und eine Verwendung findet (oder nicht) und nicht danach sucht, dass man eine fertige Lösung für jedes Spezialproblem hat.

Mit der Zeit entwickelt sich das Produkt weiter, es wird immer komplexer, wodurch auch die Investitionen für eine neue Generation ansteigen. Es sind nun nicht mehr wenige die es entwerfen, sondern eine ganze Mannschaft, und immer mehr Geld wird für ein neues Gerät benötigt. wer einmal aufs falsche Pferd setzte, oder zu wenig innovationsfreudig war, gerät rasch ins Hintertreffen und geht unter. Zuletzt wachsen die Marktführer schneller und für die kleineren Firmen wird es immer schwerer die Investitionen aufzubringen.

Wir sehen das überall, bei Autos, Fotoapparaten. Was leider auch damit einher geht ist, dass sich die Produkte immer ähnlicher werden. Auch das ist bei den genannten Produkten zu sehen. Was mir auch noch auffällt, ist der Bequemlichkeitsfaktor und das Gewöhnen daran. Das geht dann daran, dass ein Hantieren mit den „Grundfunktionen“ nur noch etwas für Profis ist: Nur „Profis“ arbeiten noch mit Kameras mit manueller Einstellung von Belichtungszeit und Blende. Der Hobbyknipser nutzt das Automatikprogramm. Bei Autos wird es bald so sein, dass Einparken ohne Einparkhilfe von vielen nicht mehr berhscht wird. Ich kenne Leute die können nur mit „Automatik“ fahren und beim Fahrrad geht ja der Trend zum Pedelec – die Grundfunktion „in die Pedale treten“ spielt da fast keine Rolle mehr….

Am extremsten ist es beim Computer. Ich habe ja schon lange vor mal als Jux meinen zweiten Rechner (CPC 464) in die Anfangsvorlesung zu bringen mit der Aufgabe „Der erste der innerhalb der Vorlesungsstunde auf diesem Rechner das kleine 1×1 Programmiert bekommt eine 1 in der Klausur“. Ich glaube meine Studenten hätten schon Probleme mit einer IDE ohne Syntaxvervollständigung und ohne explizite Überprüfung mit Hinweisen und Warnungen. Ich wurde ja bei einer Besprechung schon drauf angesprochen, dass ich ein Skript für „Informatiker“ mache, weil ich erst mal im ersten halben Semester die Grundlagen beibringe und dies bei Konsolenprogrammen. Da fehle das für Maschinenbauer so wichtige unmittelbare Erfolgserlebnis.

Wir sehens aber auch beim Computer. Nach Textoberfläche und grafischer Oberfläche muss man nun ja nicht einmal mehr tippen, sondern nur noch wischen. Die ganzen Pads und Tabletts verkaufen sich wie geschnitten Brot, dabei dienen sie ja eigentlich nur noch zum passiven Konsumieren. Schon eine Mail zu schreiben wird mit einer Bildschirmtastatur zur Qual. Mal sehen wir das weitergeht.

Die mobile Version verlassen