Bernd Leitenbergers Blog

Lebensmittelüberwachung und Pferdefleischskandal

Wieder mal ein Skandal und wieder mal heißt es von Verbraucherministerin Aigner „Man sollte mehr Kontrollen durchführen“. Tja wenn man hier im Schwäbischen sagt „Mr sod“ dann kann man zu 100% sicher gehen, dass man nicht sich selbst damit meint und so meint es wohl auch Fr. Aigner. Man kann darüber streiten wie viel Kontrolle nötig ist, ich würde es mal an den Absolventenzahlen des Lebensmittelchemiestudiums festmachen, dass ja ein NC-Studium ist also schon in der Zahl der Anfänger reguliert. Kleine Rechnung: In Baden-Württemberg gibt es zwei Unis die Lebensmittelchemie anbieten. Pro Semester gibt es rund 10-12 Studenten, das sind dann pro Jahr mindestens 40-50 Berufsanfänger. Es gibt vier Untersuchungsanstalten. Jede hat im Durchschnitt 30 Lebensmittelchemiker die rund 30 Berufsjahre dort arbeiten. Macht also 4 neue Stellen pro Jahr. Nur ein Zehntel der Absolventen kommt also in einer Untersuchungsanstalt unter, obwohl der Beruf in der Ausbildung weitgehend auf die Arbeit an einer Untersuchungsanstalt und das gutachterliche Wirken dort ausgelegt ist. Meiner Ansicht nach sollte ein Drittel unterkommen, ein weiteres Drittel in der Industrie als Gegenpart für die interne Qualitätskontrolle und ein Drittel in unabhängigen Labors bzw. anderen Berteichen wo die analytischen Fähigkeiten gefragt sind. 20.000 Proben untersucht die CUVA Stuttgart pro Jahr, rechnet man das auf die Bevölkerungszahl von Baden-Württemberg hoch so ist es weniger als eine pro 100 Einwohner. Das umfasst nun wirklich alles. Also vom Massenprodukt im Discounter bis zu Proben einzelner Marktstände und Gastwirtschaften. Vom Fertigprodukt bis zum Ausgangsstoff. Wer nur mal im Supermacht mal gesehen hat wie viele Produkte es dort gibt, wie viele Wurstsorten ein Fleischer an der Theke hat und wie viele es davon gibt, der kann sich vorstellen, dass es aber auch bei Erfüllung der Forderung der Verdreifachung des Personals nicht eine vollständige Überwachung geben kann.

Meiner Ansicht nach wäre ein anderer Ansatzpunkt wichtiger. Derzeit ist noch die Qualitätskontrolle beim Hersteller nicht geregelt. Manche tun es, manche nicht. Manche treiben hohen Aufwand, manche nicht. Wenn selbst bei Großkonzernen wie Nestle Produkte mit Pferdefleisch vorkommen, dann sieht man, dass da noch noch einiges verbesserungswürdig ist. Wenn es eine gesetzliche Regelung gibt, dass jeder Betrieb der eine bestimmte Mitarbeiterzahl hat eine eigene Wareneingangskontrolle mit eigenem Labor hat und es da auch Vorschriften über Mitarbeiterzahl gibt (z.B. in Prozent der Belegschaft), dann würde sich einiges verbessern. Als erstes würde die Kontrolle vor der Fertigung erfolgen, also die Waren nicht in den Verkehr gelangen. Das zweite ist, dass ein betriebseigenes Labor effizienter sein kann. Das Grundproblem eines Untersuchungslabors für alle Lebensmittel, ist das man alles nachweisen können muss, also selbst bei Gliederung in verschiedene Warengruppen wie Fleisch in einem Labor, oder Wein in einem anderen, man gerüstet ist möglichst viele Substanzen nachzuweisen. Ein Labor beim Hersteller muss nur die Qualitätsparameter des Produktes bestimmen, das hergestellt wird, sowie mögliche Verunreinigungen, Rückstände oder betrügerische Fälschungen von Rohstoffen. Dafür gibt es oft spezialisierte Geräte oder Untersuchungsmethoden, von der Möglichkeit viele identische Proben einfacher vorzubereiten als zig verschiedene ganz zu schweigen. Ich erinnere mich noch an ein „Aha-Erlebnis“ im Studium als wir bei einer Betriebsexkursion ein Gerät sahen, das bei Fleisch mittels IR-Spektroskopie den Fleisch/Fettanteil bestimmte. Nur (damals) auf 10% des absoluten Werts genau, also etwa 5-10 mal ungenauer als eine chemische Analyse, aber in einer Sekunde. Fleischstück aufs Gerät legen, kurz Warten und der Wert war auf dem Display.

Wenn man dies umsetzen würde, würde sich wahrscheinlich mehr ändern, als wenn man immer wieder dasselbe sagt wie Fr. Aigner. In einem Beitrag über Biolebensmittel sah ich übrigens im Fernsehen Fr. Roth, damals als ich studierte, noch Laborleiterin, heute Amtsleiterin. Da erinnerte ich mich auch wieder wie es damals in dem Labor lief, das für die Fertigprodukte zuständig war: dort wurde vornehmlich verkostet, also nur sensorisch geprüft, was bei einigen Anwesenden das Mittagsessen ersetzte. Der Name blieb mir im Gedächtnis haften, weil in diesem Labor wenig gearbeitet wurde und das Gespann aus Laborleiterin und fauler Assistentin (Fr. Fuchs) unter der Bezeichnung „Roth-Fuchs“ sprich „Rotfuchs“ bekannt war – und gefürchtet, denn wenn ein Student dort seine Zeit des Praktikums hatte wurde er mit Arbeit zugedeckt, die eigentlich Aufgabe des Laborpersonals gewesen wäre. Wenn es überall so zugehen würde, könnte man wahrscheinlich ganze Pferdeherden im Essen vermanschen und keiner würde es merken.

Die mobile Version verlassen