Bernd Leitenbergers Blog

Atommüllentsorgung im All – zum zweiten

Kürzlich habe ich ein Interview gegeben. Nicht der Presse, Radio und Fernsehen, da bekomme ich zwar regelmäßig alle paar Wochen Anfragen, aber ich lehne die immer ab. Zum einen weil ich die Angst habe da kommen dann lauter „ähs“ und „öhs“ oder ich sage was falsches oder habe gerade keine Ahnung, vor allem aber weil man nicht weis, wie gekürzt oder zusammengeschnitten wird. Aber diesmal ging es um eine studentische Arbeit. Auch wenn mir nicht ganz wohl bei dem Thema war: Atommüllentsorgung im All, vor allem weil mich die Studentin als „Experte“ titulierte. Dabei habe ich mich mit dem Thema nur wenig beschäftigt. Sie war glaub ich ganz zufrieden und hält mich immer noch für einen Experten, ich bin mal gespannt was rauskommt.

Es ist nicht das erste Mal, das ich mit dem Thema in Berührung komme. Vor vier Jahren traten zwei Geschäftsmänner an mich heran weil sie die Idee hatten den Atommüll in die Sonne zu schießen. Es gab sogar schon einen Namen dafür „Sun Shuttle“. Es fehlte leider jegliche technische Vorbildung, denn der Sturz in die Sonne ist die energieaufwendigste Möglichkeit die es gibt und mit chemischen Antrieb heute nicht zu machen. zumindest bei einem der beiden hatte ich auch das Gefühl, das es nur um den Erhalt von EU-Förderngeldern geht und nicht um ein verwirklichbares Konzept. Ich glaube auch die EU wird keine Entsorgung mit Sealaunch finanzieren, dieser LSP schwebte den beiden vor. Da ich seit mehr ls drei Jahren nix mehr davon gehört habe, wirds wohl nicht angegangen werden.

Aber ich dachte mir, das nutze ich doch mal mein Konzept zu entwickeln und habe mich übers Wochenende hingesetzt. Eigentlich hatte ich vor den Aufsatz in drei Teilen hier im Blog zu veröffentlichen, das schindet Zeit, aber ich lasse es mal und gebe ein Resümee. Ich habe zuerst mal überlegt welche Möglichkeiten es zur Entsorgung gibt (bahnmechanisch), dann das für mich interessanteste: wie man eine Rakete sicher macht. Üblicherweise durch Redundanzen. Die grundlegende Idee ist die der engine-out capability, aber richtig: von T=0 an und mit den entsprechenden Treibstoffreserven für höhere Gravitationsverluste. Natürlich muss dann auch eine Oberstufe zwei Triebwerke haben, auch wenn eines genügt. Als Folge sinkt die Nutzlast um etwa ein Drittel, der Träger ist um 50% teurer als eine Ariane 5 bei etwas kleinerer Nutzlast, aber wenn der Rest des Weges mit einem Ionenantrieb zurückgelegt wird, dann kann man relativ viel radioaktiven Müll transportieren. Netto etwa 25% der Startmasse in einen LEO-Orbit. Das ist nur weniger unter dem Nutzlastanteil eines ATV von rund 35%.

Noch erstaunlicher ist, das dies sogar zu finanzierbar ist. 1 ct/kWh von Preis des Atomstroms würde ausreichen bei 4,5 t hochradioaktivem Müll 420 Millionen Euro für die Entsorgung bereitzustellen. So viel kostet ein ATV, warum sollte also ein viel einfacherer Mülltransport nicht für diesen Preis möglich sein (zumal wir nicht von einem Flug pro Jahr reden, sondern wenn die deutschen AKW noch laufen würden mindestens 4 pro Jahr, dazu käme noch das Abtragen des schon aufgelaufenen Müllbergs).

Ich versuchte dann auch festzustellen was die konventionelle Endlagerung kostet. Außer dem dass man für Asse und Gorleben zusammen schon 3,6 Milliarden ausgegeben hat ohne einen Nutzen kam ich leider auf keine Zahlen. Mehr noch: ich stieß auf die Kernbrennstoffsteuer, Also besser kann man die Verflechtung der Atomwirtschaft mit der Politik nicht charakterisieren. Da wird jahrzehntelang Atomstrom billig produziert und teuer verkauft, und anstatt dass die Konzerne Rücklagen bilden, prozessieren sie wenn sie für die Entsorgung zahlen sollen.

Ich denke dass die Atommüllentsorgung im All nicht mal so teuer wird. Und es wären auch nicht Tausende von Flügen notwendig. In der Wikipedia steht ja wie üblich eine falsche Rechnung, da werden ausgebrannte Brennstäbe als Atommüll betrachtet, doch das sind sie nicht. Von 1000 kg sind gerade mal 46 kg neu entstandene Nuklide, der Rest kann wiederaufgearbeitet werden und wird auch wiederaufgearbeitet. Das reduziert die Startzahl um den Faktor 20 bis 25, man könnte noch weiter gehen. Von den 46 kg sind 35 kg Spaltprodukte (Kernmasse deutlich kleiner als 235 Da) die haben Halbwertszeiten von Stunden bis Jahren. Nach einigen Jahrhunderten ist deren Radioaktivität auf sichere Level gefallen und über Jahrhunderte sollte man sie heute lagern können. Übrig bleiben nur 8-10 kg Transurane mit langen Halbwertszeiten. Ich habe meine Rechnung nur mit 46 kg gemacht, würde man 8-10 kg ansetzen, dann dürfte ein Mülltransport (4,5 t netto) sogar 1,6 bis 2 Milliarden Euro kosten und 20 Flüge würden ausreichen den gesamten Atommüll Deutschlands zu entsorgen (den gesamten seit 1956 produzierten Müll an Transuranen!).

Die Crux an der Endlagerung zeigt sich schon im Wort „Endlagerung“. Irgendwie versuchen zumindest wir Deutsche das Perfekt zu machen. Für die Ewigkeit. Daher sucht man seit über zwanzig Jahren nach einem Endlager und wird auch noch lange suchen. Meiner Ansicht nach wäre es besser nicht ein Konzept für die Ewigkeit zu entwickeln bei dem man einmal lagert und dann den Müll vergisst, sondern eines das auf Dauer tragfähig ist und Überwachung erfordert. Warum also nicht eine gut geschützte Halle bauen oder einen Stollen nutzen (wie beim Langzeitarchiv des Bundes) und die Fässer dort lagern in äußeren Schutzmanteln die man regelmäßig auswechselt (alle paar Jahrzehnte) unabhängig ob sie korrodiert sind oder nicht. Der Müll wird überwacht und bewacht. Das erfordert zwar laufende Kosten, aber ist vielleicht auf Dauer nicht mal teurer als einen Salzstock sicher für die Ewigkeit zu machen. Alleine für Gorleben wurden schon 1,6 Milliarden Euro ausgegeben ohne das was eingelagert wurde. Würde man das Geld anlegen und nur 1% Zinsen für den laufenden Betrieb des „Endlager“ d. h. Löhne, neue Umhüllungen etc. ausgeben, man hätte 16 Millionen Euro pro Jahr dafür, damit kann man einiges bewegen, das ist mehr als der Etat der Fachhochschule an der ich arbeitete mit einigen Hundert angestellten.

Zuletzt noch die kurioseste Frage aus dem Interview. Angeregt durch einen Fil fragte mich die Studentin ob ich mir vorstellen könnte das jemand illegal Atommüll im All entsorgt, das fand ich doch seltsam und ich meinte das man wohl eher befürchten müsste, das jemand den Müll als schmutzige Bombe einsetzt. Aber wer weis … Wenn man schon den Müll im Wald abkippt, warum dann nicht den Atommüll im All. Ich sehe schon die Filmszene vor mir: Un-Inspektoren durchkämmen den Iran nach Atomwaffen, finden aber nicht mal Atommüll, der wurde illegal im All entsorgt….

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