Bernd Leitenbergers Blog

Mit Schwung ins All

Während manche noch auf den billigen Raumtransport mit Interorbital und SpaceX setzen, wollen zwei Firmen das Problem des Transports zu bezahlbaren Preisen ganz ohne Raketen lösen. Die erste ist schon gescheitert: Slingatron wollte Cubsats mit einer rotierenden Spirale beschleunigen. Bei 40-60 Umdrehungen pro Sekunde wäre die Spirale dann 200 bis 300 m hoch. In Wirklichkeit noch größer, denn die Autoren gingen von 7,6 km/s aus – in Wirklichkeit werden sie wegen der Gravitationsverluste wohl eher 9 km/s brauchen und der Satellit müsste wenn er mit der Geschwindigkeit auf die Atmosphäre trifft einiges aushalten. Slingatron wollte sich per Crowdfunding finanzieren, doch sie bekamen nur 30.000 der 250.000 Dollar zusammen. Dabei sind 250.000 Dollar nichts, dafür bekommt man in der Raumfahrt vielleicht gerade mal den Start einiger Cubesats.

Die zweite Firma ist „Swing Space. Sie hat denselben Ansatz, aber in einer umsetzbaren Form. Sie arbeitet dazu mit Partnern mit Know How wie Lockheed Martin, Raytheon, Aerojet, ATK zusammen. Die Idee ist es die Energie für einen Orbitaleinsatz zu „borgen“. Dazu wird zuerst ein Satellit („Schwungkörper „Slingbody“) in einen stabilen elliptischen Orbit gebracht, z.B. einen Orbit von 560 x 70.000 km. Dieser hat eine Umlaufszeit von 24 Stunden und in der Periapsis eine Geschwindigkeit von 10.270 m/s. Steht der nächste Start an, so die Periapsis auf 200 km abgesenkt. Er wird nun noch schneller und erreicht eine Geschwindigkeit von 10563 m/s. Beim Durchlaufen des Perigäums wird ein 100 km langes Kevlarseil heruntergelassen, dass am Ende ein Netz hat, gleichzeitig startet von der Raketenbasis die Nutzlast mit einer Rakete – aber nur einer Stufe. Diese hat nur die Aufgabe die Nutzlast in mindestens 100 km Höhe zu bringen, dort steuert sie mit der Technologie der Aegis Abfangraketen das Netz an und hakt sich mit nach Abwerfen der Nutzlastverkleidung ausgefahrenen Haken ein. der Schwung des Satelliten zieht sie nun ins All, wobei sich die Energien addieren. Hat der Satellit im Orbit z.B. eine Masse von 2 t und der neue eine von 1 t und erreicht er den Zielkörper mit 1 km/s so sieht die Gesamtenergie so aus:

E= ½ mv² = ½ * 1000 kg * (1000 m/s) + ½ * 2000 kg * (10563 m/s)² = 1.12 x 1011 J oder da auch gilt

v = Sqrt(2*E/m)

v = Sqrt (2*1.12e11(1000 + 2000 kg) kg = 8643 m/s

Der Orbit wurde also verändert, mit dieser Geschwindigkeit führt er nur noch bis in 4200 km Entfernung. Es wären sogar noch höhere Nutzlasten möglich. Grenze ist nur, das nach dem Einfangen die Energie noch für einen Orbit reicht, das wären bei 1 km/s Ankunftsgeschwindigkeit des gestarteten Körpers maximal 1500 kg.

Im Prinzip borgt sich der neu gestartete Körper die Energie vom in Orbit befindlichen. Das ist auf den ersten Blick kein guter Tausch, muss man diesen doch erst mal in diese hochelliptische, energiereiche Umlaufbahn bringen. Die Idee der Firma ist es diese Energie nun mit einem viel effizienteren Antrieb aufzubringen. Swing-Space setzt Ionentriebwerke nach dem elektrostatischen Prinzip ein, denkt für spätere größere Versionen aber auch an magnetodynamsiche Antriebe wie das VASMIR. Sie heben zuerst der Perigäum wieder in eine sichere Höhe. Danach trennen sie die Nutzlast ab, die nun den Rest des Orbits selbst anpassen muss und sie beschleunigt den Schleuderkörper wieder in einen elliptischen Orbit.

In der operationellen Version wird der Orbit natürlich auf die Nutzlast angepasst. Da die Firma ihren ersten Körper mit einer Dnepr starten will kann man von maximal 3000 kg ausgehen. Will man damit einen 2000 kg schweren Satelliten in einen 200 x 700 km Orbit bringen, so muss der Startorbit 200 x 33500 km betragen. Nach Anheben in den operationellen Orbit (Perigäum über 400 km), landet der Satellit dann in einem 400 x 700 km Orbit, denn er selbst zirkularisieren muss.

Wie die Beispiele von Space-Swing zeigen, wird in der ersten Phase an den Transport von Satelliten in sonnensynchrone Bahnen gedacht. Neben dem Anheben des Perigäums muss dann die Inklination noch angepasst. Das ist jedoch nur wenig, bei einer Bahnneigung von 98,184 Grad muss man für einen 600 km Orbit sie um 0,4 Grad absenken und bei 800 km um 0.846 Grad angehoben werden. Das kostet weiteren Treibstoff. aber bei den kleinen Bahnneigungen recht wenig (Geschwindigkeitsänderung unter 200 m/s).

Begrenzt ist das Konzept vom Treibstoff, doch da Ionenantriebe eine zehnmal höhere Ausströmungsgeschwindigkeit erreichen, braucht man viel weniger Treibstoff als bei einem Raketenstart vom Boden aus. Bei einem Treibstoffanteil von einem Drittel sollte der Schwungkörper sechsmal einen Satelliten transportieren können.

Die Firma meint das Konzept umsetzen zu können und beeindruckende Partner gewonnen: Lockheed-Martin und Raytheon (Startrakete und Zielsystem), Orbital (Bus des Schwungkörpers), ATK (leichtgewichtige Solararrays), Aerojet (Ionentriebwerke, chemische Triebwerke und Subsysteme).

Wenn das Konzept umsetzbar ist, so sollten sich die Startkosten auf ein Drittel senken lassen, eventuell sogar auf ein Viertel, abhängig davon wie teuer die Startrakete wird, die keine große Leistung erreichen muss. Sie muss nur fähig sein die Nutzlast auf 2 km/s zu beschleunigen, diese Geschwindigkeit ist nötig, um die Mindesthöhe für den Rendezvouskurs zu erreichen. so wird die Rakete nur etwa 2-3 mal schwerer als die Nutzlast sein. Üblich ist heute eher der Faktor 30. Damit kann ein Großteil der Startkosten eingespart werden.

Später denkt die Firma an den Transport von GTO-Nutzlasten, diese kann man nicht direkt im Zielorbit aussetzen, sondern muss sie  in den höheren Orbit mitschleppen. So dauert der Transport einige Wochen bis Monate. Bei der typischen Masse von 3 bis 6 t braucht man dazu aber auch einen viel größeren Schwungkörper, der dann etwa 10 t wiegen wird. Dieser wird sicher erst in einer späteren Phase zur Verfügung stehen. Derzeit ist nach den duftigen Pressinformationen der Start des ersten Schwungkörpers für kleine Satelliten bis 1,5 t Gewicht im Jahr 2018 geplant.

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