Bernd Leitenbergers Blog

Wie rekonstruiere ich Raketen von denen ich nur wenige Werte habe?

Der eine oder andere hat ja vielleicht wie ich die Intension von unbekannten Trägern ein Datenblatt zu erstellen, selbst wenn es nur wenige Daten darüber gibt. Ich will heute mal meine Methode vorstellen die ich schon in den Achtzigern genutzt habe um sowjetische Träger zu beschreiben, von denen damals kaum Daten bekannt waren. Man braucht dazu eigentlich nur drei Dinge:

Ich will heute mal zeigen wie man von wenigen Daten ausgehend die Daten der von dem Raptor Triebwerk angetriebenen Träger. Von diesem meist MCT genannten Träger (es gibt noch keinen offiziellen Namen von SpaceX) gibt es nur folgende Daten:

Nicht viel oder? Trotzdem kann man damit arbeiten. Fangen wir an mit der Masse der Rakete an.

Heute starten Träger mit rund 1,25 g als Beschleunigung. Die Falcon 9 z.B. hat einen Startschub von 5884 kN und wiegt 505 t, dass sind 11,65 m/s oder 1.19 g. Nehmen wir dieselbe Größe für die MCT an, so kann man auf Basis des Schubs von 9 Triebwerken deren Masse zu 3460 t beim Start bestimmen. Wenn die Schubangabe von 4448 kN pro Triebwerk dem Vakuumschub entspricht so ist es weniger, dann wären es 3060 t.

Wie sieht es nun bei erster und zweiter Stufe aus? Hier greift man auf eine Regel zurück: Man erhält im Verhältnis zum Startgewicht die höchste Nutzlast, wenn gilt

Masse erste Stufe / Zweite Stufe = Masse zweite Stufe / Nutzlast

Das gilt für Stufen mit gleichen Treibstoffen und gleichem spezifischen Impuls. Da die Oberstufen meist etwas bessere Leistungen haben, sind sie meist etwas größer als nach der Regel. Da als Nutzlast oft 150 t genannt werden, kann man so die Massen der Stufen im Verhältnis von 1 zu 3,93 setzen.

Die erste Stufe hätte so eine Startmasse von 2320,5 t die zweite eine von 589,5 t.

Wie hoch ist die Leermasse? Hier greift man auf Erfahrungswerte zurück. LOX/Methan steht im Volumen zwischen dem des sehr kompakten LOX/Kerosin und dem sehr voluminösen LOX/LH2. Für ersteres schafft SpaceX Voll/Leermasseverhältnisse von 30. Bei LOX/LH2 hätte die Ares V Erststufe eines von 11,2 zu 1 erreicht, Nimmt man das arithmetische Mittel so ist man bei 20,6 zu 1 oder 112,6 bzw.28,6 t. Da die Oberstufe schubschwächer sein kann hat sie die Möglichkeit noch etwas leichter zu werden, doch das liegt im Bereich von etwa 3 t.

Als Test kann man für die erste Stufe noch die Tanklänge berechnen. Bei LOX/Methan = 3,2 ergibt sich ein Volumen von 2728 m³, das sind bei 10 m Durchmesser eine Länge von 34,7 m – ein plausibler wert.

Erste Prognose wäre also folgendes Datenblatt:

Rakete: MCT

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
3060000 150000 0 7802 1285
Stufe Anzahl Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 1 2320500 112600 3150
2 1 589500 28600 3561

Die Verluste sind relativ niedrig, das liegt daran dass ich bei der ersten Stufe den niedrigen Bodenimpuls genommen habe, beim Vakuumimpuls kommt man auf eher übliche 1810 m/s. (die Falcon 9/Heavy liegen bei 1600 bis 1700 m/s). Die Annahme der Nutzlast scheint also plausibel. Man kann nun dies in einer Simulation noch etwas optimieren und kommt bei unveränderten Strukturwerten und spezifischen Impulsen folgenden Träger:

 

Vollmasse Leermasse spez. Impuls Geschwindigkeit
2118350,0 102832,5 3150,0 3385,2
790429,1 38370,3 3561,0 5702,0

Gesamtstartmasse: 3060373,2 kg

Nutzlast: 151594,1 kg = 5,2 Prozent der Startmasse

Die „Pi mal Daumen Lösung ist also nur um weniger als 2 t, sind nur 1,3% weniger Nutzlast schlechter. Setzt man für die Erststufe den höheren Vakuumimpuls an, so erhält man eine Lösung die dem „Pi mal Daumen“ Ansatz schon sehr nahe ist:

 

Vollmasse Leermasse spez. Impuls Geschwindigkeit
2383500,0 115703,9 3561,0 4812,1
526682,1 25567,1 3561,0 4807,1

Gesamtstartmasse: 3060016,8

Nutzlast: 149834,6 = 5,1 Prozent der Startmasse. Zum Mars würde die MCT in dieser Form nur etwa 30 t transportieren. Für den 100 t schweren Transporter müsste sie also noch um einiges Größer sein, vielleicht in der Art wie die Falcon Heavy mit drei Boostern als Erststufe. Diese hätte schon ohne Crosseffeding 81 t Nutzlast für einen Marskurs, mit Crossfeeding, der in diesem falle der Einführung einer neuen Stufe entspricht käme man dann wahrscheinlich auf die 100 t. (nicht durchgerechnet)

Rakete: MCT 3 Booster

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Verkleidung
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
7633373 82373 0 11500 1285
Stufe Anzahl Name Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
1 1 6961500 337800 3150
2 1 589500 28600 3561

Was ist der Haken? Es ist die Lösung mit der höchsten Nutzlast. Das muss aber nicht die umgesetzte sein. Technische Randbedingungen können abweichende Konstruktionen nötig machen. Dazu ein Beispiel: Bei einer zweistufigen Rakete wäre für die zweite Stufe ein Schub von 80% des Restgewichtes ideal, das wären bei 678 bis 848 t Masse bei der Zündung etwa 5424 bis 6784 kN. Wenn man nun nur ein Raptor Triebwerk in der zweiten Stufe einsetzen will, so würde man wohl diese eher etwas verkleinern und die erste vergrößern, auch wenn das Nutzlast kostet.

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