Bernd Leitenbergers Blog

Die Lösung für ein überflüssiges Problem – die Kanone im Weltraum

So, nachdem ich in den letzten Tag etwas Geld verdient habe, schließlich kann man vom Bloggen nicht leben, kommt nach einigen tagen Pause heute wieder ein Blog. Leider fehlt es immer noch an Themen. So mache ich es wie die privaten Fernsehsender: ich gebe wie in so called „Wissenschaftssendungen“ Antworten auf Fragen die keiner gestellt hat. Der moderne Ausdruck ist „überflüssiges Wissen“. Auf die heutige kam ich durch einen Beitrag über die militärischen Raumstationen MOL und Saljut. Saljut hatte eine Kanone an Bord. Während des kalten Kriegs meinte man sich wohl in der UdSSR gegen US-Angreifer schützen zu müssen (angesichts dessen, dass als Saljut 3 gestartet wurde, das Apolloprogramm schon beendet war und bis zum Start des Space Shuttles Saljut längst verglüht ist, war der Sinn wohl nicht gegeben). In einer US-Fernsehsendung hat man sogar ausprobiert ob die Kanone funktioniert – man hat einen Revolver in einem evakuierten Gefäß abgeschossen. Besonders peinlich: eine US-Astronautin war darüber erstaunt, das es funktionierte – warum auch nicht: die Explosion des Sprengstoffs braucht keine Luft, der ganze Sauerstoff ist chemisch vorhanden (sonst ging die Reaktion nicht so schnell, weil der Sauerstoff der Luft in einem Rohr ja viel zu gering ist und Zeit braucht um an den Verbrennungsort zu kommen). Und das eine Kanone in jeder Richtung schießen kann weiß man ja von Kampflugzeugen die auch nach unten feuern können.

Also ein Projektil wird abgefeuert. Kann man damit auch treffen? Auch diese Frage ist leicht beantwortet – natürlich. Die Gesetze der Physik im Orbit sind die gleichen wie auf der Erde. Wenn wir auf der Erde ein Projektil abfeuern, um etwas direkt zu treffen (es gibt auch ballistische Bahnen bei denen man von oben etwas beschießt, meist bei weitreichenden Kanonen oder Seeschlachten) dann ist es so, das das Projektil sich nach vorne bewegt und durch die Schwerkraft gleichzeitig fällt – man muss dies kompensieren indem man höher zielt, als eigentlich nötig. Das gilt auch im Weltraum, eigentlich ist ein Satellit nichts anderes als ein Projektil: er bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit gerade nach vorne und fällt gleichzeitig. Eine Kreisbahn resultiert dann, wenn sich der Satellit pro Zeiteinheit so weit nach vorne bewegt, dass die Fallstrecke dem daraus resultierenden höheren Abstandes von der Erdoberfläche entspricht.  Auf kurze Strecken, wo man eine Kanone einsetzen würde, funktioniert sie wie eine auf dem Boden, sogar noch besser – das Projektil wird nicht durch die Atmosphäre abgebremst und in einer Kreisbahn wo das ziel die gleiche Höhe und Geschwindigkeit hat, wird das Projektil sich nicht nach unten bewegen, man muss also nicht „vorhalten“.

Die interessantere Frage ist nicht ob es funktioniert, sondern was passiert wenn man trifft und was wenn nicht. Nun wenn man trifft, wird das gleiche passieren wie auf der Erde. Die Kanone Rikhter R-23 ist eine Kanone nach dem Revolverprinzip. Derartige Waffen werden in vielen Flugzeugen eingesetzt auch das Kaliber von 23 mm ist typisch für eine solche Waffe. Sie stammt vom TU-22P Bomber. Wenn ein Projektil eine Raumkapsel trifft, so würde es wohl ein größeres Loch schlagen und die Luft entweicht. Weichere Strukturen wie das Servicemodul oder die Strukturen eines Satelliten würde sie aufgrund der aerodynamischen Form glatt durchschlagen. Es gibt auch Varianten die beim Aufschlag eine Sprengladung zünden – bei Flugzeugmunition die Regel, weil ein Loch einem Flugzeug normalerweise wenig ausmacht außer man trifft Motoren und Tanks – eine großflächig beschädigte Außenhaut dagegen die Aerodynamik stark stört. Dann würde ein Raumschiff stärker beschädigt, wenn man das Servicemodul trifft könnte es zur Explosion von Treibstoff, gelagertem Druckgas oder kryogenen Flüssigkeiten kommen und es würden viele kleine Fragmente entstehen. (Der Aufprall darf nicht verwechselt werden mit der Kollision eines Satelliten mit Weltraummüll, da dabei die Geschwindigkeit und die übertragene Energie viel höher sind).

In einem Orbit fliegen diese erst mal weg wie auf dem Erdboden gewohnt. Doch ohne Schwerkraft und ohne Luft geraten sie auf neue Bahnen anstatt auf dem Erdboden zu landen. Dabei gäbe es drei Grenzfälle zu unterscheiden:

In der Praxis wird ein Bruchstück einen Impuls unterschiedlicher Art in allen drei Raumrichtungen erhalten. Es resultieren so neue Bahnen mit anderen Parametern. Ein Teil der Bruchstücke wird verglühen, ein anderer Teil im Orbit verbleiben. Sie können mit der Station kollidieren. Was die Sache problematisch für eine Vorhersage macht ist, das mit einer neuen Bahn sich die Umlaufszeit ändert. Doch irgendwann wird das Bruchstück wieder zur gleichen Zeit am gleichen Ort wie Station befinden. Einen Trost gibt es aber: da der erdnächste Punkt (Bahnhöhe von Saljut) dafür in nur 270 km Höhe liegt, werden die meisten bald verglühen zumal ein Bruchstück meist eine große Oberfläche verglichen mit der Masse hat.

Problematischer ist es, wenn man das Ziel verfehlt. Im Orbit wird man dann nicht beim nächsten Umlauf vom eigenen Geschoss getroffen aber bald danbach. Auch das Geschoss gelangt auf eine neue Bahn. Da man dessen Geschwindigkeit (850 m/s) kennt, kann man diese berechnen, Hier eine kleine Berechnung auf welche Bahn das Projektil dann gerät:

Startbahn 270,0 km x 270,0 km x 0,00 °
Reale Geschwindigkeit in der alten Periapsis 7743,6 m/s
Reale Geschwindigkeit in der neuen Periapsis 8593,6 m/s
Differenz Geschwindigkeit in der Periapsis -850,0 m/s
Umlaufszeit 1 1 h 29 m 54 s
Umlaufszeit 2 2 h 13 m 28 s

Die Umlaufszeit beträgt das 1,484 fache des Orginalwerts. das ist nahe an der 1,5-fachen. Würde es nur leicht mehr beschleunigt, auf 868,1 m/s so wäre die neue Umlaufbahn eine 270 x 4396 km die Umlaufszeit beträgt dann das 1,5-fache von Saljut. Nach zwei Umlaufen des Geschosses hat Saljut drei Umläufe absolviert und beide sind wieder am Startpunkt angekommen – so kann man sich selbst abschießen.

Um das zu vermeiden empfiehlt es sich wenn möglich gegen die Bewegungsrichtung zu schießen – vorausgesetzt der Gegner nähert sich von dieser Richtung aus. Dann wird das Geschoss abgebremst und würde nach wenigen Minuten verglühen.

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