Bernd Leitenbergers Blog

Das Problem einen Raketenantrieb als erste Stufe zu ersetzen

Gestern bekam ich eine reichlich wirre Mail zum Sängerkonzept und warum dies nicht klappt. Anstatt lang und breit zu antworten, dachte ich mir mache ich dies mal zum Blogthema. Als erstes mal eine grundsätzliche Aufklärung: Sängers Konzept war das eines zweistufigen Raketensystems mit geflügelten Stufen. Der Unterschied zu den ersten Entwürfen für das Space Shuttle, die auch zwei geflügelte Stufen vorhersahen, eigentlich nur, dass es vertikal startete.

Heute verstehen viele eigentlich darunter ein anderes Konzept, das nur in der Oberstufe einen Raketenantrieb nutzt, doch das hat Sänger weder ausgearbeitet noch war es vor seinem Tod auch nur ansatzweise möglich. Trotzdem spukt die Idee den Raketenantrieb in der ersten Stufe durch etwas anderes zu ersetzen, immer wieder durch die Köpfe vieler.

Fangen wir mit dem Düsenantrieb an. Auf dem Papier sieht er dem Raketenantrieb doch enorm überlegen aus. Sein spezifischer Impuls ist z. B. zehnmal höher. Das liegt daran, dass man zum einen den Oxidator einspart – der Sauerstoff stammt aus der Luft. Das alleine macht bei Raketen zwischen 70 und 85% des Gewichts desTreibstoffs aus. Zudem besteht die Luft zu 80% aus Stickstoff, der miterhitzt wird und zum Schub beiträgt.

Das Ganze hat nur einen kleinen Haken. So sinkt die Nutzlast bei Düsenflugzeugen bei höheren Geschwindigkeiten rasch ab. Transportflugzeuge wie die C5 Galaxy können etwa ein Drittel ihrer Startmasse als Fracht transportieren. Sie sind unterschallschnell. Die Mach 2 erreichende Concorde konnte 120 Passagiere transportieren – ihr Gepäck aber flog mit einem langsameren Flugzeug. Frachtmitführung ging schon mal gar nicht. Das entspricht einem Nutzlastanteil von einem Neuntel des maximalen Startgewichts. Bei den wenigen, bekannten Mach 3 schnellen Jagdflugzeugen sinkt es auf ein Zwölftel. (Wobei sie ehrlicherweise nur ohne Nutzlast Mach 3 erreichen).
Je höher die Geschwindigkeit, desto kleiner die Nutzlast und desto höher der Treibstoffverbrauch. Der Düsenantrieb eignet sich daher nicht als alleiniger Antrieb für eine Unterstufe. Bis heute hat man maximal etwas über Mach 3 erreicht, das ist gerade mal ein Achtel der Geschwindigkeit für einen Orbit. Zudem wird gerne vergessen, dass Flugzeuge bei gleichem Schub enorm viel größer als Raketen sind. Eine C5 Galaxy ist eines der größten Flugzeuge der Erde und sie kann gerade mal eine Vega als Nutzlast transportieren. Ihre vier Triebwerke haben aber nicht mal 40% des Schubs der Vega.

Höhere Geschwindigkeiten erreicht man mit Staustahltriebwerken. Sie verwenden das gleiche Prinzip wie Düsentriebwerke – Luft wird verdichtet und mit Kraftstoff vermischt, der sich bei Staustrahltriebwerken durch die hohe Temperatur sogar selbst entzündet. Sie setzen dazu aber keine Turbine als Verdichter ein, sondern dies erfolgt alleine durch den Staudruck, indem nach dem Einlass der Passageweg verengt wird. Es gibt zwei Typen: bei denen einen erreicht die Luft Unterschallgeschwindigkeit vor dem Auslass und bein den Zweiten ist sie überschallschnell. Der Rekord eines Staustrahltriebwerks liegt derzeit bei Mach 9.6. Theoretisch wären bis zu Mach 15 möglich. Praktisch ausgelegt wurde zumindest in den Planungen die X-33 auf Mach 12. Staustrahltriebwerke, funktionieren daher erst, wenn die Luft eine gewisse Mindestgeschwindigkeit hat. Sie können somit nicht vom Boden abheben. Die Staustrahltriebwerke, bei denen die Luft Unterschallgeschwindigkeit vor der Expansion erreicht, wurden in einigen Experimentalflugzeugen und Flugabwehrwaffen getestet. Sie können bei > Mach 1 gezündet werden. Die Ramjets (überschallschnelle Expansion der Luft) brauchen noch höhere Startgeschwindigkeiten bis zu Mach 3. Mit unterschallschnellen Expansion erreicht man je nach Treibstoff nur maximal mach 5 (Kerosin) bis 7 (Wasserstoff)
Die Staustrahltriebwerke funktionieren – das ist erst mal eine gute Nachricht. Aber es gibt zwei Probleme: Die Startgeschwindigkeit, bis sie zünden, liegt deutlich über dem, was ein unterschallschnelles Transportflugzeug erreichen kann. Damit scheidet es aus, diese ökonomische Startweise zu nutzen (ein Trägerflugzeug trägt die Kombination auf Starthöhe und klinkt sie aus). Man braucht wie bisher in allen umgesetzten Konzepten eine Startrakete, dann kann ich natürlich auch gleich vom Boden aus starten – mehr noch – ich ersetze eine Raketenstufe durch eine Raketenstufe und einen Ramjet. Allerdings arbeitet man derzeit an Kombitriebwerken, die zuerst wie ein Düsentriebwerk arbeiten und später in einen Ramjetbetrieb übergehen.

Der zweite Problem ist technischer Natur. Was bisherige Pläne für überschallschnelle Raumfahrtprojekte beendete, waren die nicht gelösten Temperaturprobleme. Schon das nur Mach 3 schnelle Flugzeug SR-71 heizt sich durch die Luftreibung um bis zu 500 K auf. Das ganze Flugzeug dehnt sich aus, was vor allem für die Entwicklung von Tanks die dann keine Risse bekommen, durften sehr problematisch war. Bei höheren Geschwindigkeiten wird dies noch extremer. Bei der X-33 konnte man trotz Verwendung von keramischen Materialen und Faserverbundwerkstoffen keine Lösung  finden, die gewichtsmäßig noch tolerierbar war. Die Haut hätte sich über 1200 °C aufgeheizt. Das war schließlich die Ursache für das Ende des Projektes wie auch eines parallel verfolgten Ansatzes von Lockheed. Der Ramjet selbst war nie das Problem.

Das zeigt das Problem. Theoretisch könnte man also erst mit einer Raketenstufe auf Mach 2-3 beschleunigen, dann den Ramjet einschalten und weiter beschleunigen. Wenn der Thermalstress das Erreichen von Mach 12 verhindert, muss man früher abbrechen. Mach 10 wurden ja schon erreicht (allerdings gingen diese unbemannten Flugkörper nach Erreichen des Rekords alle verloren, eine Bergung war nie vorgesehen, sodass man über ihren Zustand nichts weiß). Den Rest bis zur Orbitgeschwindigkeit und einen Großteil der Gravitationsverluste (bei den bisherigen Tests war in 33 km Höhe Schluss – bei zu geringer Luftdichte kann auch der Ramjet nicht weiter beschleunigen) muss die Oberstufe aufbringen, die dann etwa 6 km/s aufbringen muss. 3 km/s schaffen die ersten beiden Stufen.
Für mich ist das ein einsichtiger Grund – man tauscht eine Raketenstufe durch zwei Stufen ein nur um ein Drittel der Zielgeschwindigkeit zu erreichen, Man hat einen Riesenaufwand und trotzdem muss die Oberstufe noch mehr als doppelt so viel Arbeit leisten. Anders als bei einer Rakete trägt die Unterstufe, wenn höhere Geschwindigkeiten erreicht werden müssen, auch nichts bei – es ist immer bei Mach 10 Schluss, egal wie schwer die Oberstufe ist. Das sind gravierende Nachteile. Da erscheint es einfacher eine normale Raketenstufe mit Flügeln und einem Düsentriebwerk auszustatten und wenn sie nach einem ballistischen Flug wieder in die Troposphäre Eintritt diesen in Betrieb zu nehmen und bei einem Flugplatz zu landen. Entsprechende Konzepte gab es ja auch wie die Baikal oder der LFBB.

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