Bernd Leitenbergers Blog

Der Vergleich der Luftfahrt mit der Raumfahrt

Auf mein Thema bin ich gekommen durch eine Sendung, in der mal wieder (zum wiederholten Male) der Vergleich der Raumfahrt mit der Luftfahrt gezogen wurde. Schließlich sei die anfangs auch gefährlich und teuer gewesen und heute fliegt fast jeder zumindest in der Ersten Welt. Ich dachte, ich habe das Thema schon mal beackert, doch ich finde es nicht. Also aufs Neue (oder erste).

Vergleicht man die Entwicklung der Raumfahrt mit der Luftfahrt, so gibt es wirklich einige Parallelen. So die schnelle Entwicklung in den ersten Jahrzehnten. Nimmt man z. B. die zurückgelegte Strecke als Maßstab, so führten die ersten Hüpfer über einige Hundert Meter. 6 Jahre später ging es über den Ärmelkanal, also etwa 50 km. Der Atlantik wurde 1928 überquert, das ist die 100-fache Strecke. Danach wurde die zusätzliche Strecke kleiner, auch weil man auf der erde maximal 20.000 km von einem Punkt zum Nächsten zurücklegen muss.

Bei den Geschwindigkeiten stiegen diese zuerst stark an, um kurz vor dem Zweiten Weltkrieg langsamer anzusteigen, um etwa 750 km/h zu erreichen. Das ist so das Maximum, das ein Propellerantrieb leistet. Durch die Erfindung des Düsenantriebs gab es einen neuen Schub, um aber auch bei knapp Mach 3 wieder stehen zu bleiben. Heute sind neue Flugzeuge eher langsamer sowohl Passagier wie militärische Maschinen.

Wir finden das auch bei der Raumfahrt, So der Anstieg der beförderten Nutzlast, das ein Maximum bei 120 t mit der Saturn V erreichte. Seitdem bleibt die maximale Nutzlast bei einem Maximum die 20-30 t in LEO entspricht. Dasselbe kann man bei den Höchstgeschwindigkeiten oder den Entfernungen, die zurückgelegt wurden, feststellen – erst eine schnelle Entwicklung, dann nur noch langsamer Anstieg oder Rückgang (bisher hat kein Körper mehr Distanz zurückgelegt als Voyager 1 + 2 und die starteten schon 1977).

Doch mehr als Rekorde interessiert die Leute ja, wie bezahlbar etwas ist. Der Kommerz in der Luftfahrt fand nach dem ersten Weltkrieg statt. Zuerst mit Briefpost, dann mit den ersten noch teuren Passagierflügen. Über die Ozeane ging der zivile Transport nach dem Zweiten Weltkrieg los, doch war es auch damals noch teuer und nur etwas für besser verdienende. Das änderte sich erst mit der Einführung des Düsenantriebs. Der Düsenantrieb hat einige Vorteile gegenüber dem Benzinmotor der einen Propeller antrieb. Er hat pro Kilogramm Masse mehr Leistung, er ermöglicht höhere Geschwindigkeiten und verliert in großer Höhe weniger Leistung als ein Propellerantrieb. So kann ein Flugzeug in 12 km Höhe als reguläre Flughöhe wählen – der geringere Luftwiderstand lässt dort etwas höhere Geschwindigkeiten zu und senkt den Treibstoffverbrauch. Erst so sanken die Reisezeiten von Flugzeugen stark ab, es gingen viel mehr Passagiere in eine Maschine und beides zusammen verbilligte die Tickets enorm.

Es gibt in der Tat eine Parallele zur Raumfahrt: Kostenreduktion ist mit neuen Antrieben verbunden. Bei der Luftfahrt mit Propeller -> Düsenantrieb. Bei der Raumfahrt wären Nachfolger des chemischen Antriebs wohl der elektrische Antrieb. Alternativ gäbe es noch den Nuklearantrieb und Sonnensegel. Der Erstere lohnt sich nur bei großen Nutzlasten, der zweite nur bei kleinen. Elektrische antriebe werden jetzt (obwohl seit über 40 Jahren erforscht) gerade bei Kommunikationssatelliten eingeführt und sollend deren Startkosten halbieren.

Soweit die Parallelen. Nun kommen wir zu den beiden großen Unterschieden, Der erste wichtige Unterschied ist, dass es zwar viele weitere technische Alternativen zum Raketenantrieb gibt, aber von der Erdoberfläche aus keiner diesen ersetzen kann. Ionenantriebe haben zu geringen Schub. Nukleartreibwerke würden theoretisch gehen, aber die Gefahren sind bei Fehlstarts zu groß. Laserantrieb funktioniert nur im Weltraum, Sonnensegel auch. Die Beschleunigung durch Magnetfelder überleben nur robuste Nutzlasten, heute nicht mal Satelliten.

Damit bleibt ein Sprung wie bei der Einführung von Düsenflugzeugen aus. Unbestritten ist die Raumfahrt billiger geworden. Die erste Ariane 1 kostete 60 Millionen Dollar bei 1.800 kg Nutzlast. Heute kostete eine Ariane 5 zwar 180 Millionen Dollar, aber bei 10.500 kg Nutzlast, ist also pro Kilogramm um den Faktor 2 billiger geworden. Wenn man 3% Inflation ansetzt (in den Achtzigern war die zeitweise sehr hoch) so ist es sogar der Faktor 5,3. Trotzdem hat die Raumfahrt heute das Niveau der Luftfahrt nach dem Ersten Weltkrieg erreicht: Normalbürger können einen Cubesat finanzieren oder einen 10 Minuten Schwerelostrip (suborbital), verglichen mit der Briefpost per Flugzeug oder einer Runde um den Platz bei einer Luftfahrtschau.

Wird sich etwas daran ändern? Nicht fundamental. Was beide Sektoren schon immer unterscheidet, ist der Faktor Sicherheit und Nutzlast, beide sind aneinander gekoppelt. Ein Transportflugzeug hat heute eine Nutzlast von einem Drittel des Startgewichts, bei Verzicht auf Treibstoff kann es auch mehr sein. Bei einer Rakete sind es vielleicht 3%, meist weniger. Ein Flugzeug kann daher mehr Sicherheitsspielräume haben. So kann ein Motor ausfallen und es kann noch fliegen. Viele Maschinen können im Gleitflug noch eine Bruchlandung hinlegen, bei der die meisten Passagiere überleben. Will man so etwas für Menschen in der Raumfahrt erreichen müsste man die Systeme redundant auslegen, was die Nutzlast stark reduzieren würde. Um mehr Nutzlast zu transportieren, lässt man ind der Raumfahrt ja die schützende Kapsel weg, mit der Menschen transportiert werden (theoretisch könnte man jeden Satelliten in eine Raumkapsel einsperren und diese bei einem Fehlstart abtrennen und bergen – weil das aber teurer ist, als den Satelliten nachzubauen machte s keiner.

Der geringe Nutzlastanteil drückt sich auch in Sicherheitsfaktoren bei Materialbeanspruchungen aus. In der Luftfahrt sind 50% üblich, in der Raumfahrt nur 25%. Vor allem aber: Jedes Flugzeug ist über Jahre einsetzbar, in der es viele Flüge absolviert. Die 3%-Nutzlast sind nur möglich, weil man Raketen bisher nicht wiederverwendet. Das Wiederverwenden kostet in jedem Falle Treibstoff. SpaceX will ja die erste Stufe wiederverwenden, das kostet 30% Nutzlast. Noch größer wäre die Einbuße, wenn man die zweite Stufe wiederverwenden würde. Da diese aber auch kleiner ist, wird das mit jeder Stufe lukrativer. Wie oft man eine Stufe wiederverwenden kann und was man spart wird sich erst zeigen. Das Shuttle kann hier nicht als Referenz dienen. Die Feststoffbooster sind ungleich robuster, ihre Hüllen bestehen aus 12 mm Stahl, nicht wenigen Millimetern Aluminium wie Tanks. Die Triebwerke im Shuttle waren zwar 55-mal wiederverwendbar mussten aber aufwendig gewartet werden. Heute haben Triebwerke ohne spezielle Auslegung eine Lebensdauer von 4-10-facher Betriebsdauer. So lange laufen sie in Tests mit kleinen Reparaturen zwischen einem Testlauf. So würde man wohl erst mal eine Stufe nur wenige Male wiederverwenden. Groß senkt wird dies den Preis nicht. Bei SpaceX ist aufgrund einiger angaben der Herstellungspreis der ersten Stufe berechenbar: etwa 33-35 Millionen Dollar. Würde die Wiederverwendung nichts kosten (keine Bergung, keine Reparatur) und könnte man die stufe 10-mal wiederverwenden (ich denke SpaceX wird darunter bleiben, ihre Merlin 1D lasen maximal dreimalige Verwendung zu) dann sinkt der Startpreis von 61,2 auf 30 Millionen Dollar, also die Hälfte. Das ist zwar viel, aber weit von dem entfernt, wo es für jeden erschwinglich ist. Allerdings mit 30% Nutzlasteinbuße. Pro Kilogramm Nutzlast ist die Ersparnis dann nur noch 21%. Nimmt man dreimalige Wiederverwendung und 10% der Stufenkosten als Bergungs/Reparaturkosten, so ist die Ersparnis mit 25% noch geringer als die Nutzlasteinbuße. Das macht dann nur Sinn, wenn man die volle Nutzlast nicht ausnutzt. Kein Wunder das SpaceX dies bisher nur bei CRS-Flügen erprobt, wo die Maximalnutzlast der Rakete nie ausgenützt wird.

Ich sehe daher auch durch Wiederverwendung in der Zukunft nicht das Potenzial, dass sich an den Kosten drastisch etwas ändert und daher auch nicht das Raumfahrt immer für Normalsterbliche teuer bleiben wird. Das war übrigens auch früher nicht anders. Beim Space Shuttle macht man sich ja gerne über den Anstieg der Kosten lustig. Ein Flug sollte mal 10,4 Millionen Dollar kosten. Was gerne vergessen wird. Damals waren, bevor durch die Inflation in den Siebzigern die Preise stiegen auch die Raketen viel billiger. Eine Titan 3D kostete 1000§ pro Pfund Nutzlast, das Shuttle 160 $. Das fast voll wiederverwendbare System war also trotz optimistischer Schätzungen nur sechsmal teurer als ein vollständig nicht wiederverwendbares System. Bei der Luftfahrt ist das anders. Wenn man 400 Euro für einen Flug über den Atlantik zahlt und 500 Passagiere fliegen (A380) so sind das 200.000 € Umsatz pro Flug. Ein Flugzeug selbst kostet aber rund 100 Millionen Euro bei dieser Maschine, also der Unterschied beträgt 1:500. Das bedeutet, dass Wiederverwendung alleine eben nicht den Unterschied ausmacht. Dafür muss das ganze System geändert werden. Die Durchführung eines Starts kostet z. B. etwa 20-25% des Trägers selbst.

Fazit: Der Vergleich hinkt, aber das verwundert eigentlich niemanden.

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