Bernd Leitenbergers Blog

I’m a miserable son of a bitch

Morgens gibts bei uns im Radio so wenige Minuten vor 7 immer so was wie die kirchliche Mini-Predigt zum Tag. Diese Woche hat der Pfarrer neue Krankheiten als Aufhänger genommen, die eigentlich nicht so neu sind : „Burnout-Syndrom“ und ADHS. Das hätte es schon früher gegeben nur hieß es eben Erschöpfung oder „hippelige Kinder“. Aber erst wenn es eine Krankheit ist meint er, wird es heute ernst genommen. Das dachte ich mir ist doch ein guter Aufhänger für einen neuen Blog: neue Krankheiten. Die beiden sind ja nicht die einzigen. Da gibt es die Winterdepression, die vor ein paar Jahrzehnten noch einfach eine Niedergeschlagenheit bei schlechtem Wetter war und das Borderline Syndrom. Letzteres ist zwar seit etwa 100 Jahren bekannt, doch bis vor einigen Jahren litt kaum jemand dran.

Mir fielen dann beim Schwimmen einige Krankheiten ein, die noch auf ihre Anerkennung warten. Ich fange mal mit mir an.

Ich leide wie glaube ich 99% der Bevölkerung an dem Autosuggestions-Defizit. Wissenschaftler haben festgestellt, dass wir 200-mal am Tag lügen, am öftesten lügen wir uns selbst an um das Leben schöner oder erträglicher zu machen. Ich bilde mir z.B. jeden Tag ein, dass dieser Blog andere interessiert und ich etwas sinnvolles tue. Wer weiß vielleicht klingelt mal eine attraktive junge Dame an meiner Tür und will mit mir über Raumfahrt diskutieren? Natürlich ist dem nicht so, daher nennt man es auch Autosuggestions-Defizit. Stattdessen bekomme ich nur Anrufe von Journalisten die am Arbeitsverkürzungs-Syndrom leiden. Anstatt zu recherchieren, meinen sie ihre Arbeit einsparen zu können indem sie jemanden anrufen der Fachmann auf dem Gebiet ist. Das Arbeitsabkürzungssyndrom ist durch das aufkommen des Internets erheblich häufiger in der Bevölkerung geworden, vor allem bei Schülern und Studenten sind viele von dieser Krankheit betroffen.

Die zweite Krankheit unter der ich leide ist die Demotiviationsstörung. Sie drückt sich darin aus, dass ich unangenehme Dinge gerne vor mir her schiebe. Die Steuerklärung habe ich dieses Jahr z.B. am 30. Mai abgegeben. Dabei ist das Ergebnis (die zu zahlende Steuer( über die Jahre fast immer gleich, es geht eigentlich mehr um die unangenehme Arbeit die ganzen Rechnungen und Belege zu sortieren, ordnen und einzutragen.

Viele Leute leiden auch unter Beliebtheitssucht. Sie wollen von allen gemocht werden, oder besser gesagt sie wollen niemanden weh tun. Meine Ex-Schwägerin ist so ein Mensch. Sie sagt jedem genau das was er hören will. Als sie vor einem Monat zu Besuch war fand sie alles toll. Die Katzen, das Haus, die Einrichtung, das Essen. Letzteres sogar bevor es fertig gekocht war, was mich einmal durch das Dauerbabbeln (eine weitere Störung) so ablenkte das die Schupfnudeln fast angebrannt wären.

Bestimmte Berufsgruppen haben spezifische Krankheiten. Politiker leiden z.B. an temporaler Amnesie. Diese Krankheit befällt sie im Abstand von 4 Jahren und sie können sich nach der Wahl nicht mehr an die sogenannten Wahlversprechen erinnern können. Später leiden sie unter dem Entscheidungsdefizit, können also trotz Kenntnis von Problemen wie Staatsschulden, Explosion der Gesundheitskosten und Nichtfinanzierbarkeit der Renten sich nicht aufraffen Entscheidungen zu treffen um die Probleme zu lösen oder wenn sie Entscheidungen treffen nur nachdem ihnen Lobbyisten sehr sehr lange zugeredet haben. Von der obigen Demotiviationsstörung unterscheidet sie das sie bei anderen Dingen durchaus schnell entscheiden können wie z.B. der Verschärfung von Überwachungsmaßnahmen oder der Verlängerung des Solidaritätsbeitrags, nur eben nicht bei wirklich wichtigen Entscheidungen, vor allem wenn diese Kosten bedeuten.

Fußballer leiden an Kopfball-Debilität. Das dauernde Kicken von Bällen mit dem Kopf schädigt ihr Gehirn nachhaltig wie man an den ziemlich geistlosen Interviews nach Spielende erkennen kann. Man kann es auch daran erkennen dass sie nach Vereinswechseln den Verein denn sie vor wenigen Wochen noch beschimpft haben nun ganz toll finden.

Manager (vor allem von Banken) leiden unter progressivem Realitätsverlust. Er drückt sich darin aus, dass sie sich feiern lassen wenn ihr Unternehmen Miese macht und sie sich dafür noch einen großen Bonus genehmigen.

Beamte haben oft einen Hang dazu alles regeln zu wollen und das Große und Ganze und die Betroffenen aus dem Auge zu verlieren. Dieses in der Fachwelt unter der Bezeichnung Scheuklappen-Syndrom bekannte Phänomen ist jedoch nicht auf diese Berufsgruppe begrenzt.

Handwerker und Taxifahrer haben oft eine gestörte Raumwahrnehmung. Sie drückt sich darin aus dass sie zu bestimmten Zeiten ihren Weg nicht mehr finden, z.B. Handwerker beim Anfahrtsweg zum Kunden oder Taxifahrer bei der Beförderung von Kunden. Jeder der die Wegzeit mit der Zeit vergleicht die man normalerweise auf der kürzesten Route braucht wird dies feststellen können.

Wie wir inzwischen wissen ist es relativ einfach das aus einer kleinen Menschlichen Schwäche eine Krankheit wird. Wir haben dies bei der Arteriosklerose und inzwischen auch bei Diabetes gesehen: Man muss nur die Grenzwerte richtig setzen. Nachdem die Grenzwerte für Cholesterin in den letzten 30 Jahren laufend abgesenkt wurden haben inzwischen etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine Vorstufe der Arteriosklerose. In den USA hat man das nun auch mit den Grenzwerten für Glucose im Blut gemacht und nun haben 60% der US-Amerikaner eine Prädiabetes, also eine Vorstufe von Diabetes.

Kurzum: es gibt noch genügend Krankheiten für die die Pharmaindustrie die richtigen Mittelchen entwickeln kann, man muss bestimmte Verhaltensweisen nur zu Krankheiten erklären …

Soviel von mir: Was fällt euch noch an neuen Krankheiten so ein?

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