Bernd Leitenbergers Blog

Homöopathie, und was die Berufswahl über das Denken verrät

Gestern sah ich bei 3SAT einen österreichischen Beitrag über Homöopathie. Er war für mich relativ unergiebig. Er bestand im wesentlichen aus den Statements von Befürwortern und Gegnern, jeweils isoliert aufgenommen ohne Dialog und es handelte sich um extreme Vertreter beider Seiten entweder total dagegen oder total dafür.

Aber einige Punkte will ich doch aufgreifen. So sagte ein Quantenphysiker, dass man Homöopathie nicht beweisen könne, das wäre eine Verharrung im mechanistischen Denken. Es ginge ja schließlich um die Information die übermittelt werde. Die zwei Grundgedanken der Homopathie sind ja: Eine Substanz, die bei einem Gesunden bestimmte Symptome verursacht, lindert, genau diese bei einem Kranken und dies geschieht um so besser je stärker man sie verdünnt. Das führt dazu dass bei höheren Verdünnungsstufen (in der Homöopathie -Nomenklatur Potenz genant) gar kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz enthält und schon bei niedrigen Potenzierungen die therapeutisch wirksame Konzentration unterschritten wird. So was ist natürlich in der heutigen Medizin, die auf molekularer Ebene inzwischen die Krankheiten erklärt, nicht beweisbar. Ist dort keine Substanz vorhanden, kann sie auch nichts bewirken.

Das Modell der Homöopathie und seine Schwächen

Angehen kann man aber dieses Modell. Beobachten kann man ja nur, ob es eine symptomatische Verbesserung gibt oder nicht. Soweit ich weiß, gab es die einzigen Überprüfungen aber nur vor 150 Jahren, als ein Arzt diese Behandlungsmethode entwickelte. Doch auch damals nicht systematisch. Wenn ich annehme, dass das Modell stimmt, also stark verdünnte Lösungen eine heilende Wirkung haben. So vermisse ich doch die systematische Untersuchung. (Da man das Modell ja nicht rational erklären kann ist jede andere Kritik ja schon ausgeschlossen).

Man macht(e) es sich ziemlich einfach. Wenn Eisenhut bei Gesunden Herzbeschwerden verursacht so muss er Kranken helfen. Man hat also einfach immer ein Mittel für Symptome eingesetzt, die es sonst verursachen würde (mit Betonung auf Symptome z.B. wird Bienengift gegen Gicht eingesetzt obwohl deren Entstehung nichts mit der Wirkung von Bienengift zu tun hat sondern nur gerötete, heiße und geschwollene Haut gleiche Symptome sind). Was man aber nicht probiert hat, ob nicht auch die vielen anderen Pflanzen oder andere Wirkstoffe die verdünnt eingesetzt werden, wirken. Wenn die ganze Methode nur auf Beobachtung beruht, wie man es damals nur machen konnte, warum hat man sie niemals systematisch durchgeführt also ein breites Screening, was wo hilft oder nicht hilft oder welche andere Wirkungen hat?

Vor allem muss dies ja dann auch für andere Dinge gelten. Wenn ich das Modell übernehme, auf unsere zivilisatorischen Einleitungen ins Wasser, dann wird mir Angst und Bange. Wir finden heute im Abwasser in Spuren Pestizide, Hormone, Arzneimittel, Antibiotika, Umweltkontaminanten und Schwermetalle. Alle in einer Konzentration, die nicht akut giftig ist. Wenn ich das „Gesetz der Homöopathie“ auf diese Substanzen übertrage, dann müssten diese Spuren auch wirken, sogar noch stärker als die Reinsubstanzen, denn je verdünnter etwas in der Homöopathie ist desto wirksamer ist es. Da ihre Wirkung aber immer umgekehrt der von großen Mengen ist, müssten Hormone und Wirkstoffe im Wasser gerade die gegenteilige Wirkung haben. Östrogene, die in der Pille sind, müssten also wie Testosteron wirken. Reste von Blei müssten und vor Anämie schützen und so weiter. (So müssten z.B. Pestizide der Gruppe der Cholinesterasehemmer die Nervengifte sind, in Spuren dann ja das Denkvermögen erhöhen…)

Erst am Schluss wurde es interessant. Kein Anhänger der Homöopathie konnte leugnen, dass es bisher keine größere Studie gab, die eine Wirkung irgendeines Verfahrens beweisen konnte. Kleine Studien mit methodischen Mängeln (z.B. zu kleine Teilnehmerzahl) sprachen dafür aber, wenn man das mit größeren Teilnehmerzahlen wiederholte, um statistische Fehler zu eliminieren, zeigte sich, dass dem nicht so war. Die Sprecherin sagte dann, dass aber keine der Gegner den Placeboeffekt leugnete und der wäre ja auch nicht erklärbar. Nun ja nicht ganz. Krankheit hat etwas mit Körper und Geist zu tun. Wir können Krankheiten mit Medizin behandeln, wir können sie aber auch behandeln, indem wie dem Menschen Zuwendung geben und damit ihn von Sorgen befreien, was seinem Geist gut tut. Das hat auch nichts mit Homöopathie zu tun, das ist eine Erkenntnis, die zur Schaffung ganzer Berufsgruppen führt. Sozialpädagogen, Bewährungshelfer und Psychologen wären ohne diese Erkenntnis völlig überflüssig. Selbst bei Tieren hilft Zuwendung und wirkt heilend. Wie heißt es so schön: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Gerade ein Psychiater heilt ja durch intensive Gespräche und nicht Medikamente. Und gerade die Anamnese, also das Aufnahmegespräch ist ja bei der Homöopathie so umfangreich und die Patienten glauben ja auch an die Wirksamkeit, was wiederum eine Heilung durch den Placeboeffekt erklärt.

Entscheidet der Beruf über die Affinität zu „alternativen Erklärungsmodellen“?

Was mich überraschte war das ein Quantenphysiker bei den Homöopathiebefürwortern war. Ich habe eine Hypothese, die sich bisher auch im Kontakt mit Leuten bestätigt hat, nämlich das bei den meisten Menschen die Berufswahl doch viel über ihren Zugang zu einem Gebiet festlegt. Jeder Beruf hat andere Anforderungen an den Menschen. Es geht mir aber nur um die geistigen Anforderungen. So gesehen fallen aus meiner Hypothese alle Berufsgruppen heraus, die vorwiegend handwerklich arbeiten. Denn die werden geistig nicht in dem Maße gefordert. Es kann sein, dass sie auch nicht so an Gebieten interessiert sind, in denen man sich geistig anstrengen muss, es kann aber auch sein, dass sie einfach diesen Beruf haben, weil man da gut Geld verdienen kann.

Beschränken wir uns mal auf die Dinge, bei denen man ein Studium absolvieren muss, das ist ja vor allem geistiges Lernen. Da haben verschiedene Fächer schon sehr unterschiedliche Herangehensweisen. Wer etwas Naturwissenschaftliches, in abgeschwächter Form aber auch etwas Technisches studiert, der wird sehr bald das Ursache- → Wirkungsmodell verinnerlichen. Alles hat eine Ursache und eine Wirkung. In gewisser Weise ist die Welt deterministisch. Das gilt für Naturwissenschaften, Technik und Medizin. Einige Beispiele:

Wer dagegen Sozialwissenschaften studiert, aber auch Psychologie, dann hat er es mehr mit abstrakten Erklärungsmodellen zu tun, die oft in Konkurrenz stehen. Alle versuchen, irgendwie eine Erklärung für menschliches Verhalten, aber auch geistige Krankheiten zu finden. Immerhin kann man sie noch überprüfen, indem man Therapien, die auf diesen Modellen beruhen, vergleicht. Aber dieser Berufsbereich hat es schon nicht mit richtigen harten Fakten zu tun, gar nicht mehr mit Mathematik und Berechnungen. In den Geisteswissenschaften wie Philosophie kann man nicht mal die Vorstellungen beweisen. Im Prinzip hat man es mit synthetischen Modellen zu tun ob es nun Sprachregeln sind oder Vorstellungen wie die Welt oder Menschen funktionieren. Zuletzt gibt es noch die Betriebsgruppe, die zwar auch viel mit Zahlen und Mathematik zu tun haben, aber nicht im naturwissenschaftlichen Sinn. Es gibt also nicht berechenbare Zusammenhänge oder Ursache-Wirkungen und damit deterministische Vorhersagen. Vielmehr entstehen die Zahlen durch den Menschen und damit haben sie eine gewisse Willkürlichkeit. In Naturwissenschaft und Technik gibt es Grenzen und selten abrupte Sprünge. Nehmen wir mal ein Beispiel aus der Raketentechnik: Tanks kann man nicht beliebig leicht herstellen, irgendwann reist die Haut unter dem Gewicht des Treibstoffs. Das ist bestimmt durch eine Materialkonstante und über eine Formel (Kesselformel) berechenbar.

Im Finanzwesen können Sprünge vorkommen, die völlig stochastisch sind und es scheint keine Grenzen zu geben. Der Wert einer Währung kann bei Inflation ins bodenlose Fallen (Beispiel: Ende 1923 kostete ein Brot 1 Milliarde Reichsmark). Firmen können mal enorme Gewinne, mal enorme Verluste machen (Beispiel Volkswagen). Ich vermute, dass man in einem solchen Beruf nicht mehr logisch nachfragt, wenn man es in einem sachfremden Gebiet mit komischen Zahlenangaben zu tun hat. Mein Paradebeispiel ist da ja die Falcon 9: Die hatte vor zwei Jahren 480 t Startmasse und 4,85 t Nutzlast. Nun sind es 540 t und 8,2 t Nutzlast. Die Nutzlast ist also viel stärker angestiegen als die Startmasse. Dabei hat man die Rakete technisch kaum verändert, also nicht grundsätzlich neue Triebwerke oder eine neue Oberstufe eingeführt. Mir als naturwissenschaftlich vorgebildetem Menschen kommt dies seltsam vor. Vielen anderen nicht. Vielleicht würden sie Verdacht schöpfen, wenn ein Autohersteller ein neues Auto auf den Markt bringt. Das Alte wiegt 5,4 t das neue 4,8 t. Es verbraucht aber nur noch 4,85 l pro 100 km anstatt 8,2 l (das ist die gleiche Effizienzsteigerung wie bei der Falcon 9) Würde man da auch so leichtgläubig sein? Mein Paradebeispiel für die Theorie ist ja Eugen Reichl. Bei ihm gibt es bei Zahlenangaben so viele Fehler, selbst bei Datumsangaben, viele offensichtlich (so der Erstflug der Ariane 1 vor deren Entwicklungsbeginn). Reichl ist Betriebswirt, da scheinen Zahlen schon von Berufswegen nicht wichtig zu sein, da dauernden Veränderungen unterworfen (Bsp: Kosten von BER und Stuttgart 21).

Resümee

So gesehen erstaunte mich der Quantenphysiker. Eigentlich ist Physik ja die deterministische Wissenschaft an sich. Mit Gleichungen kann man alles erklären. Übermorgen feiern wir die 170-sten Jahrestag der Entdeckung Neptuns, der wurde durch Berechnung nach Newtons Gravitationsgesetz gefunden. In der Praxis klappt es zwar nicht immer mit der Umsetzung der Formeln, weil es Störeinflüsse gibt, doch letztendlich sind selbst die berechenbar. So errechnen heute Supercomputer das Wetter und Klima von Morgen und das trotz vieler gegenseitiger Beeinflussungen. Bei einem Physiker erwartet man also nicht so sehr, dass er so etwas Vagem wie dem Erklärungsmodell der Homöopathie anhängt, das würde ich nun eher bei einem Psychiater oder Germanisten erwarten. Aber Quantenphysik ist eine Ausnahme: Ab einer bestimmten Grenze ist diese nicht mehr deterministisch berechenbar, Stichwort Heisenbergsche Unschärferelation. So gesehen hat vielleicht gerade dieser Beruf doch eine gewisse Affinität zu nicht berechenbaren Erklärungsmodellen.

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