Da das Thema Treibstofferzeugung auf dem Mars seit Zubrin ja immer wieder kommt, denke ich wird es mal an der Zeit einiges über die Grundlagen der Treibstofferzeugung auf dem Mars zu schreiben. Leider habe ich für die Programmierung einen Anschlussauftrag bekommen, sodass ich die nächsten zwei Wochen wieder wenig Zeit für den Blog habe. Aber der heutige Artikel über die Treibstofferzeugung auf dem Mars dürfte genug Diskussionsstoff für einige Tage liefern.
Treibstoffe und Oxidatoren
Fangen wir mal an, woraus man im Prinzip Treibstoffe gewinnen kann. Auf der Erde setzen wir als Verbrennungsträger Wasserstoff, Kohlenwasserstoffe (Methan, Kerosin) und Hydrazine ein (Hydrazin, Monomethylhydrazin und Dimethylhydrazin). Als Oxidator verwenden wir Sauerstoff oder Stickstofftetroxid. Dazu gäbe es noch die Feststofftriebstoffe die aus Ammoniumperchlorat, Aluminium und einem Kunstharz, meist hydroxylterminiertes Pulybutadien (HTPB) bestehen.
Von diesen Substanzen findet man nur Perchlorate nativ auf dem Mars, allerdings in Form des weniger effektiven Kaliumperchlorats, das keinerlei Wasserstoff enthält. Da die Gewinnung von reinem Aluminium und die Synthese von HTPB nicht ohne eine größere Infrastruktur möglich ist, wird man aber keine festen Treibstoffe einsetzen.
Die Wahl der flüssigen Treibstoffe wird bei uns von Performance und Kostenüberlegungen bestimmt. So nahm man Hydrazine und NTO, weil sie lagerfähig sind, und setzte sie vor allem in militärischen Raketen ein. Wasserstoff ermöglicht es, die Nutzlast deutlich zu steigern. Stufen, die ihn einsetzen sind wegen der Forderung nach niedrigem Tankgewicht und guter Isolation aber auch den hohen Anforderungen an die Turbopumpen durch die hohe Fördermenge und dem Problem der Schmierung sehr teuer, sodass man ihn eher in Oberstufen einsetzt. Kerosin wird dagegen vor allem in Erststufen eingesetzt die die größten Stufen sind und bei denen daher die Kostenersparnis am größten ist. Hier haben wir derzeit den Trend Kerosin durch Methan zu ersetzen.
Prozesse um Treibstoffe und Oxidatoren herzustellen
Auf dem Mars gibt es zwei Rohstoffe, aus denen man Treibstoffe gewinnen kann. Das eine ist die Atmosphäre die zu 95% aus Kohlendioxid besteht und das Zweite ist Wasser, das aber meist nicht direkt an der Oberfläche zugänglich ist. Weder Kohlendioxid noch Wasser kann man direkt als Treibstoff nutzen. Beide Substanzen sind voll oxidiert.
Man muss daher zuerst einmal die Substanzen aufspalten oder in reduzierbare Substanzen umwandeln, wofür man Energie braucht. Diese reduzierbaren Substanzen kann man dann als Treibstoffe einsetzen. Der abgespaltene Sauerstoff kann man als Oxidator nutzen.
Wasserelektrolyse
Ein Prozess, der sehr gut beherrscht wird, und auf der Erde auch sehr gut läuft, ist die Elektrolyse von Wasser. Das Marseis muss für die Treibstofferzeugung auf dem Mars zuerst gereinigt werden. Dann wird es mit Stoffen versetzt die die Leitfähigkeit erhöhen, entweder Schwefelsäure oder Kaliumhydroxid und eine stromdurchflossene Elektrode spaltet es dann in Wasser. Wer mal Chemie studiert hat, bzw., vielleicht auch als Schulversuch das mal sah, kann sich vielleicht noch an die Elektrolyse mit einer Platin-Elektrode erinnern. Bei der technischen Umsetzung trennt man Anode und Kathode und leitet so die entstehenden Gase ab. Das funktioniert sehr gut mit Wirkungsgraden von 70%, an einer Steigerung auf 80% wird gearbeitet. Den Wasserstoff und Sauerstoff könnte man direkt als Treibstoff nutzen. Die Problematik ist aber eine andere. Zum einen muss man das Wasser gewinnen. Dazu braucht man eine (im Vergleich zur Elektrolyse) wesentlich komplexere Anlagen, welche die Oberfläche abtragen oder sogar in die Tiefe bohren, man muss das Wasser-Gesteingemisch reinigen und vor allem die Gase dann flüssig lagern. Das Letztere schaffen wir heute nicht mal im Weltraum, wo man Raketenstufen durch Sonnenschirme sehr gut vor der Sonneneinstrahlung schützen kann. Vor allem der Wasserstoff hat hier große Verluste durch die Verdampfung und durch das hohe Volumen (Dichte nur 0,07 g/cm³) und niedrige Temperatur, gekoppelt mit kleinem Bereich, indem der Wasserstoff flüssig ist, erhöhen die Anforderungen an eine Rückverflüssigungsanlage. Zudem kann Wasserstoff als kleinstes Element durch Metall diffundieren, was nicht nur die Verluste erhöht, sondern auch das Metall versprödet. Er müsste auf dem Mars je nachdem, wann man ihn produziert über einige Tage bis zu 500 Tage flüssig gehalten werden. Das ist vor allem bei kleinen Mengen problematisch.
Der Sabbatierprozess
Daher wird heute vorgeschlagen, den Wasserstoff sofort weiter umzusetzen. Wasserstoff ist ein stärkeres Reduktionsmittel als der Kohlenstoff. Er kann daher den Sauerstoff aus Kohlenstoffverbindungen freisetzen:
CO2 + 4 H2 → 2 H2O + CH4
Dieser Prozess ist schon lange bekannt. Sabbatier hatte ihn 1872 entwickelt und dafür den Nobelpreis gewonnen. Man benutzt dazu Katalysatoren. Dieser Prozess wird heute auf der ISS eingesetzt um das Kohlendioxid aus der Luft zu binden, wobei der Wasserstoff aus der Elektrolyse von Brauchwasser stammt. Das Methan wird seltsamerweise nicht genutzt, obwohl man mit dem bei der Elektrolyse freiwerdenden Sauerstoff es verbrennen könnte und so als Lageregelungsantrieb nutzen könnte. Der Prozess wird auch untersucht, um damit Wind- und Solarstrom zu speichern, indem man mit ihm Wasser spaltet und dann Methan erzeugt, dass man ins Leitungsnetz einspeisen oder relativ leicht als Flüssiggas lagern kann. Hier rechnet man mit Wirkungsgraden von 49-64%.
Gegenüber der Erde ist man sogar beim Mars in der glücklichen Lage, dass man das Kohlendioxid nicht anreichern muss. Die Atmosphäre besteht zu 95% aus dem Gas (Erde: 0,04 %) und das zweite Spurengas Stickstoff stört nicht, bzw. wenn etwas Ammoniak als Nebenprodukt entsteht, so ist das kein Beinbruch, auch den kann man mit Sauerstoff verbrennen. Kurzum: Das funktioniert. Diese Treibstofferzeugung auf dem Mars sollte auch auf einer US-Raumsonde getestet werden, leider ging diese bei der Landung verloren.
Es gibt nur einen kleinen Nachteil: Wenn Methan mit Sauerstoff verbrannt wird, man ein Verhältnis von 3,5 zu 1 (leichter Überschuss an Methan) bis maximal 4:1 stöchiometrisches Verhältnis) bezogen auf das Methan anstreben. Beim Sabbatierprozess braucht man 4 Mole Wasserstoff die aus 4 Wassermolekülen stammen für ein Mol Methan, aus dem dann mit dem Sauerstoff ein Mol Kohlendioxid entsteht. Die beiden Sauerstoffatome im Kohlendioxid stammen aus zwei Wassermolekülen. Das heißt, man erhält zu wenig Sauerstoff, nur die Hälfte der stöchiometrischen Menge. Als Lösung kann man in einem zweiten Reaktor mit Wasserstoffunterschuss Kohlendioxid nur zu Kohlenmonoxid reduzieren und dabei neben Methan Wasser gewinnen, das man abscheiden und erneut elektrolysieren kann. Doch meiner Ansicht nach ist das nicht lohnend, denn dann muss man aufwendig das Kohlenmonoxid aus dem Gemisch abtrennen.
Zubrins Plan
Zubrin hatte vor Wasserstoff auf den Mars zu bringen und mit Methan umzusetzen, also nicht aus dem Wasser zu gewinnen. Das ist, wenn das Ganze automatisch ablaufen will und man nicht weis, ob am Landeplatz Wasser ist und in welcher Tiefe sicher der bessere Weg. Das Wasser, das bei der Reaktion entsteht, würde man durch Abkühlen abscheiden und elektrolysieren. Das Ganze lohnt sich deswegen, weil man aus 8 Tonnen Wasserstoff 16 t Methan und 32 t Sauerstoff gewinnt. Das Methan wird dann in großem Überschuss verbrannt. Vor allem aber kann die sechsfache Treibstoffmenge gewinnen werden und der Oxidator muss nicht mitgeführt werden. Wie Zubrin aber den Wasserstoff auf der Reise zum Mars und dort lagern will, hat er nicht erläutert.
Für alle Prozesse braucht man Strom, doch das ist nicht so kritisch. Einen niedrigen Gesamtwirkungsgrad von 40% angesetzt braucht man für die Erzeugung von 1 t Methan und 2 t LOX eine Energie von rund 40.000 kWh. Ein 7 t schweres Raumschiff braucht für ein ΔV von 5000 m/s bei einem spezifischen Impuls von 3600 m/s und einem Voll-/Leermasseverhältnis eine Raketenstufe von etwa 35,5 t voll und 3,5 t Leermasse, also 32 t Treibstoff. Das sind Ingesamt 434.000 kWh. Klingt auf den ersten Blick nach viel, doch man hat bei einer bemannten Marslandung 500 bis 550 Tage dafür Zeit, bis sich das Rückstartfenster wieder öffnet. Bei 400 Tagen (mit etwas Luft für Probleme und Anlaufschwierigkeiten) sind das 45,2 KW Dauerleistung. Das ist also ein überschaubarer Strombedarf, Ein Reaktor produziert weitaus mehr und eventuell ist er sogar noch solarelektrisch deckbar (bei 8 h Einstrahlung mit 500 W/m² pro Tag braucht man rund 1100 m² Fläche. Im Allgäu habe ich schon größere Solarfarmen gesehen)
Das Problem ist wahrscheinlich aber ein anderes, denn 32 t Treibstoff flüssig zu halten braucht eine viel höhere Leistung als diese 0,14 kW. Das ist auch der Hauptgrund gegen die Idee den Wasserstoff von der Erde auf den Mars zu bringen, denn die Kühlleistung, die man für Wasserstoff braucht, ist wegen seiner geringen Dichte, tieferen Temperaturen und des geringen Bereichs, in dem er flüssig ist, noch viel größer. Da man aus 1 t Wasserstoff 6 t Treibstoff gewinnen kann und der Sauerstoff im Unterschuss vorliegt, wäre es sogar überlegenswert, ob man Wasser zum Mars bringt. Das ist problemlos zu lagern, und wenn man es spaltet, bekommt man aus 18 t Wasser 12 t Treibstoff und 16 t Sauerstoff, wobei dann das LOX/LNG Verhältnis auf das stöchiometrische 4:1 bringt und man hat immer noch mehr Treibstoff, als wenn man lagerfähige Treibstoffe einsetzt und einen um 20% höheren spezifischen Impuls.
Vor allem wundert es mich wenn man schon Wasserstoff, von der Erde bringt, diesen also mindestens 250 Tage lang kühlen muss, bis er verwendet wird, man ihn dann zu Methan umsetzt. Stattdessen könnte man ihn auch weiter kühlen und aus der Atmosphäre Sauerstoff freisetzen, indem man das Kohlendioxid ind Kohlenmonoxid und Sauerstoff spaltet. Das braucht zwar mehr Energie, aber man kann dann LOX mit LH2 umsetzen mit einem deutlich höheren spezifischen Impuls und man erhält aus 1 t Wasserstoff 9 t Treibstoff und Oxidator, also ein viel besseres Verhältnis als das bei der Umsetzung zu Methan (1:6).
Lohnt sich die Treibstofferzeugung auf dem Mars
Das ist die entscheidende Frage. Die Effizienz der Treibstofferzeugung auf dem Mars hängt im wesentlichen von der Architektur der Mission ab. Es gibt hier zahlreiche Varianten. Auf der einen Seite sind, da Varianten die Ionentriebwerke einsetzen. Diese sind, selbst wenn man den höheren Geschwindigkeitsbedarf einkalkuliert deutlich effizienter als chemischer Treibstoff. Bei ihnen wird man nur so viel chemischen Treibstoff einsetzen, wie man unbedingt braucht und das ist während der ganzen Reise etwas für die Landung und dann noch einen Batzen für den Start in eine Marsumlaufbahn. Dann wird man eine kleine Kapsel (nehmen wir mal 8 t an, so viel soll eine Dragon wiegen) in eine niedrige Marsumlaufbahn befördern, was ein ΔV von etwa 4 bis 4,2 km/s bedeutet. Bei einem spezifischen Impuls von 3600 braucht man dann eine 26 t schwere Stufe, davon 23,4 t Treibstoff. Bei einer Gesamtmasse zum Mars von >200 t spart man nicht sehr viel ein, wenn man diesen vor Ort produziert.
Auf der anderen Seite sind da Pläne wie Mars-Direkt oder Mars-Semidirekt bei denen man vom Start weg bis zur Rückkehr in derselben Wohnung ist (beim ersten Szenario sind es zwei: Eine landet auf dem Mars und bleibt dort, eine Zweite wird für die Reise zwischen den Planeten gebraucht und in der Marsumlaufbahn geparkt). Ein solches Habitat wiegt beim letzten NASA Szenario von 2009 23,5 t und es muss da es den Mars verlassen soll auf eine höhere Geschwindigkeit nämlich 6,1-6,3 km/s beschleunigt werden. Dafür braucht man dann eine 263 t schwere Stufe, davon 234 t Treibstoff (beim selben Strukturfaktor von 10, bei 20, den man für so große Stufen ansetzen kann sinkt sie auf 157 t ab. Dann lohnt sich natürlich die Treibstofferzeugung auf dem Mars, bzw. es ist sogar nötig denn so viel Treibstoff kann man nicht landen. Bei der Masse die von der Erde aus befördert werden muss ist das Mars-Direkt Verfahren trotzdem nicht so überzeugend, denn, was man an Treibstoff einspart, hat man dann in Form von Maschinen, die man für die Treibstoffherstellung braucht, wieder drin, und wenn man den Wasserstoff zum Mars bringt, wiegt alleine der Wasserstoff schon 25 t, also genauso so viel wie der Treibstoff für eine kleine Rückstartstufe. Wenn man die Kapsel zusätzlich in den Orbit bringen muss und das sehen die Szenarien schon aus Sicherheitsgründen vor (man landet und startet also in einer Kapsel und nicht im Habitat), dann kommt deren Masse sogar noch hinzu.
Die Treibstofffabrik
Machen wir einen Riesensprung zu Musks Plänen, bei denen der Transporter ja 1000-mal wiederverwendet wird und dauernd zwischen Erde und Mars pendelt. Dafür muss auf dem Mars dann natürlich erheblich mehr Treibstoff hergestellt werden. Das Ding ist groß und schwer und um 1 Million Menschen zu befördern, muss er 10.000-mal pendeln, das gibt also eine schöne Startrate. Dann redet man von viel Treibstoff für die dann die Kühlprobleme beim Wasserstoff kleiner werden. Ein großer Tank ist viel besser zu kühlen als ein kleiner und Rückverflüssigungsanlagen lohnen sich dann auch eher. Wenn man dann trotzdem auf Methan setzt, das man erst in einem zweiten Schritt aus Wasser bekommt, noch dazu in kleinerer Menge (6 t anstatt 9 t aus 1 t Wasser) und schlechterem Wirkungsgrad (40-50 anstatt 70-80%), das bei einem mindestens 800 m/s geringerem spezifischen Impuls, das den Treibstoffbedarf weiter senkt (im obigen Beispiel z.B. von 263 auf 129 t) dann hat das keine technischen, sondern ideologische Gründe. Musk scheut Wasserstoff wie der Teufel das Weihwasser.