Bernd Leitenbergers Blog

Zum Mars bis Ende 2024?

Trump hat sich mal wieder in Szene gesetzt. In einer Life-Schalte zur ISS fragte er die Astronautin Peggy Whitson, bis wann man auf dem Mars landen könnte. Ich fasse mal die wesentlichen Teile im Originalton zusammen:

Teump: “What do you see a timing for actually sending humans to Mars?”

Whitson: “Well, I think as your bill directed, it will be approximately in the 2030s,“Unfortunately, spaceflight takes a lot of time and money, so getting there will require some international cooperation to get it to be a planet-wide approach in order to make it successful, just because it is a very expensive endeavor, But it so worthwhile doing.”

Trump: “Well, we want to try and do it during my first term or, at worst, during my second term, So we’ll have to speed that up a little bit, okay?”

Später ergänzt: “I’m very proud that I just signed a bill committing NASA to the aim of sending America astronauts to Mars. So we’ll do that. I think we’ll do it a lot sooner than we’re even thinking.”

Also zum Mars noch während der ersten Amtszeit, spätestens wenn er im Januar 2025 den Stuhl räumen muss (vorausgesetzt er wird wiedergewählt).

Wie wahrscheinlich ist das?

Nun man nähert sich dem wohl am besten mit Vergleichen und da fallen mir zwei Projekte ein. Das eine ist Apollo und das andere ist die ISS. Apollo unterscheidet sich sehr stark von der heutigen Situation und auch heutigen Projekten. Apollo war zeitbegrenzt, nicht budgetbegrenzt. Es gab eine Deadline. Das führte dazu, dass die ersten Kontrakte schon im Mai 1961 kurz nach der Rede von Kennedy abgeschlossen wurden, dabei gab es noch gar kein Budget für Apollo, das folgte erst ein Jahr später. Das ist auch das Problem von Trumps Deadline: das Budget für 2017 ist durch, vor 2018 beginnen also keine Gelder zu fließen. Dann in weniger als sieben Jahren zu landen, ist noch utopischer als das Apolloprogramm, das acht Jahre Zeit hatte.

Das zweite ist die Ausgangsbasis. Als Kennedy das Programm ankündigte, hatte noch kein US-Amerikaner das Weltall erreicht. Die Träger hatten hohe Ausfallraten. 1960 starteten die USA 31 Träger, 18 davon waren erfolgreich, also weniger als zwei Drittel. Satelliten arbeiteten einige Wochen lang. Heute ist die Ausgangsbasis viel besser: Wir haben Raketen die 70 oder mehr erfolgreiche Flüge in Folge haben. Satelliten sind für Jahrzehnte Operation ausgelegt. Wir haben in der bemannten Raumfahrt Erfahrungen mit bis zu einem Jahr im Weltall, haben eine Raumstation seit über einem Jahrzehnt in Betrieb und mehrer Generationen bemannter Raumfahrzeuge entwickelt. Apollo wurde selbst für die damalige Zeit enorm teuer. Das lag daran, dass Sicherheit oberste Priorität hatte, aber alles erst neu entwickelt werden musste. Sicherheit ist kein Problem, wenn man (wie heute) Bewährtes einsetzen kann, dessen Zuverlässigkeit man kennt oder zumindest auf das benötigte Level anheben kann. Wenn man alles neu entwickelt, so muss man viel Testen, erproben, Lösungen umwerfen. Das Buch, das ich gerade über die Entwicklung des Mondlanders lese, ist voll davon. Man sieht es dann an den Kosten. Der erste Kontrakt für 10 LM mit Grumman hatte einen Umfang von 390 Millionen Dollar, schließlich kosteten 12 LM 2,214 Mrd. Dollar. Besonders teuer wurde die Saturn V, sie machte auch den Löwenanteil der Entwicklungskosten aus. Hier war der Stand der Technik und das geforderte Zuverlässigkeitslevel am weitesten auseinander und das bei einer komplett neuen Rakete, die zwanzigmal größer als die größte im Einsatz befindliche sein sollte. Bei Atlas und Delta dauerte es Jahre, bis die Raketen so oft geflogen waren, bis man alle Kinderkrankheiten und Designfehler gefunden hatte. Die Zeit hatte man bei der Saturn V nicht, also machte man viel mehr Tests als bei allen anderen Raketen vorher. Enorm viele Triebwerke wurden nur für Tests gefertigt und das setzte sich dann mit den Stufen fort.

Auf der einen Seite haben wir also heute eine bessere Ausgangsbasis. Die SLS ist in der Entwicklung. Sie basiert auf vorhandener, erprobter Technik. Sie könnte also bald zum Einsatz kommen. Sie ist nur budgetbegrenzt, sprich mit dem Budget, dass es gibt, dauert es eben lange bis sie einsatzbereit ist. Wir haben auch Erfahrungen mit dem Betrieb einer Raumstation und damit einer Behausung für die Astronauten, sowohl auf der Reise zum Mars, wie auch zurück. Lebenserhaltungssysteme sind viel weiter geschlossen als vor einigen Jahrzehnten. Wasser und Kohlendioxyd werden heute recycelt. Was komplett fehlt, ist eine Technologie wie wir eine große Raumstation auf dem Mars landen den dazu nötigen Hitzeschutzschild bei heutiger massiver Technologie bringen wir in keiner Trägerrakete unter. Entfaltbare Hitzeschutzschilde stecken noch in den Kinderschuhen. Das gesamte wissenschaftliches Equipment muss noch entwickelt werden. Auf dem Mars wird man Monate sein. Da sind die Experimente nicht einige Bohrer und Geologenhämmer, sondern schweres Großgerät. Bohranlagen, fahrbare Caravans als mobile Labors wurden schon vorgeschlagen. Das zu entwickeln kostet Zeit und Geld.

Die ISS zeigt sehr deutlich, wie heute entwickelt wird. Man hat an ihr erst mal Jahre lang rungeplant, vor allem, weil sie immer zu teuer war. Auch später war das Budget nicht wahnsinnig hoch, sodass auch der Aufbau Jahre dauerte. Nun ist sie im Betrieb und wird regelmäßig angeflogen. Die ISS zeigt, wie internationale Zusammenarbeit geht.

Die Marsexpedition soll auch international sein, doch dann dürfte, wegen der notwendigen Verhandlungen, wer was baut und den gegenseitigen Absprachen das Projekt noch länger dauern. Wenn man schnell zum Mars will, würde ich als Verantwortlicher eher drauf verzichten. Aus Nasa-Sicht spricht auch das Budget dafür. 75% des westlichen Teils der ISS wird von der NASA finanziert. Der russische Teil ist dann nicht die andere Hälfte, sondern von der finanziellen Beteiligung eher noch kleiner als der ESA Anteil. Kurzum: Würden die USA es alleine stemmen, sie würden vielleicht ein Drittel mehr aufwenden müssen, denn auch China oder Indien investieren nur wenig in bemannte Raumfahrt.

Das Grundproblem, das wir bei allen Marsplänen haben, ist das heute alles darauf hinausläuft die Startmasse zu senken. Das heißt, man sucht nach leichtgewichtigen Materialien oder alternativen Prozessen. Geschlossene Kreisläufe im Lebenserhaltungssystem sollen den Bedarf an Wasser und Gasen senken. So was muss dann aber auch über Jahre an der ISS erprobt werden, denn fällt es auf dem Weg zum Mars aus, so ist das gleichbedeutend mit dem Tod der Besatzung. In die gleiche Kerbe schlagen die Pläne für die Treibstoffgewinnung auf dem Mars. Auch das dient dazu Masse zu sparen. Anlagen dafür gibt es aber nicht. Ihre Entwicklung kostet Geld und sie braucht Zeit.

Ich halte dieses Konzept für falsch. Das ist ein Relikt von Apollo, als die Nutzlast der Saturn V schon beim Entwurf feststand, die Raumfahrzeuge aber während der Entwicklung zu schwer wurden und man viel Geld aufwandte, um Gewicht einzusparen.

Kosteneffizienz

Mein Gegenentwurf: Die Gesamtkosten sollten gering sein. Eine SLS kostet 1 Milliarde Dollar pro Start. Mit einer Oberstufe wird sie etwa 100 t in den Orbit bringen. Marsexpeditionen haben je nach Konzept eine Startmasse von 600 bis 1000 t in den LEO erfordern, also 6-10 Starts. Sprich Startkosten von 6-10 Milliarden Dollar. Mein Ansatz: anstatt das man Jahre lang an einem Umweltkontrollsystem forscht, nimmt man das, was man heute hat und das funktioniert und führt dafür mehr Wasser und Sauerstoff mit sich. Das sind vielleicht 10 kg pro Person und Tag, bei 6 Astronauten und 1000 Tagen Missionsdauer dann 60 t, die erst zum Mars gebracht werden müssen, was die Masse auf 200 t im LEO anhebt – kostet 2 Milliarden mehr, dieser Missionsaspekt, die Lebenserhaltung als wichtigster Punkt, ist aber damit erledigt. Analog: bevor ich eine Anlage für die Treibstoffgeneration entwickelte führe ich einfach genügend Treibstoff mit. Anstatt das ich nun nach Technologien für große entfaltbare Schilde suche, starte ich eben mehrere kleinere Labors deren Schilde noch komplett in die 10 m Verkleidung einer sLS passen. Dann gibt es eben mehrere kleine Labors oder Wohneinheiten anstatt einer großen. Auch das wird schwerer sein, die entfaltbaren Hitzeschutzschilde werden leichter sein.

Der springende Punkt: Planung und Entwicklung kostet auch Zeit. An der ISS hat man Jahre geplant. Nach 3 Jahren hatte man erst den ersten Entwurf fertig. Alleine für diese Umplanung hat man Milliarden aufgewandt. Die Entwicklung kostet bei jedem Raumfahrtprojekt mehr als der Bau. Bei Apollo kostete eine Mission anfangs 350 Millionen Dollar, ab Apollo 15 dann 420 – 450 Millionen (mehr Ausrüstung, LM der zweiten Generation). Das gesamte Projekt aber rund 24 Milliarden. Bei 11 Missionen entfielen also nur ein Sechstel der Gesamtkosten auf die Flüge. Daher glaube ich, das man bei einem Low-Tech-Low Risk Ansatz zwar mehr SLS braucht, aber in der Summe billiger wird (zumal sich der Preis der SLS auch auf 1 Start alle zwei Jahre bezieht – bei einem Marsunternehmen reden wir von mindestens 6 Starts in zwei Jahren, eher 10-14 Stück.

Fazit

Könnte es die NASA bis Ende 2024 schaffen? Selbst wenn man als Termin den Abflug und nicht Rückkehr oder Ankunft definiert, eher nicht. 2024 gäbe es ein Startfenster zwischen September und November je nach Bahntyp (Hohmann I/II). Aber sieben Jahre von der Idee bis zum Abflug? So lange braucht man heute schon für eine unbemannte Mission. Wenn die NASA heute die Mission ausschreibt, dann gehen zwei Jahre ins Land, bis die Aufträge vergeben werden, auch weil das Geld erst im nächsten Jahr fließt. Bei Apollo waren alle Kernaufträge bis auf das LM ein Jahr nach Kennedys Rede abgeschlossen. Dann braucht man noch Jahre der Entwicklung. Das Space Shuttle brauchte schon 9 Jahre vom Abschluss bis zum Erstflug. Ihm gingen drei Jahre der Planung voraus. An der SLS werkelt man auch seit 2011, sechs Jahre und nächstes Jahr soll der Jungfernflug sein – bei einem System, bei dem eigentlich nur die Struktur der Zentralstufe neu ist. Die Booster wurden schon vorher für die Ares getestet und basieren auf den Shuttle SRB, die Triebwerke sind Shuttle SRB und die Oberstufe eine Delta DCSS.

Apollo war teuer, dadurch das es zeitlimitiert war, aber das Gegenteil davon, das man mit niedrigem Budget über Jahrzehnte vor sich hinwerkelt bringt auch nichts. So verbrennt man nur Geld, nicht nur in der Raumfahrt, Stuttgart 21, Elbphilamonie und Flughafen BER sind auch Beispiele aus dem Baubereich, wo Projekte um so teurer werden, je länger man an ihnen arbeitet. Ich denke, wenn man einen Mittelweg beschreitet, in dem man die Gesamtkosten minimiert, dann kommt man einen Zeitraum von 8-10 Jahren bis zum Start. Das wäre eine Frist, die ich für sinnvoll halte. Würde 2018 das Geld fließen, dann wäre ein Start 2026 bis 2028 möglich. Die NASA setzt 15 Jahre an, das entspricht dem Zeitpunkt zwischen erstem ISS Budget und Fertigstellung des US-Kerns. Dies orientiert sich also an den Zeiträumen, die schon bei der ISS üblich sind.

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