Bernd Leitenbergers Blog

Das Lichtbogentriebwerk als Alternative zum Ionenantrieb

Das Lichtbogentriebwerk als Alternative zum Ionenantrieb

Es gibt neben den „klassischen“ Ionentriebwerken, die Ionen und Elektronen getrennt durch ein elektrisches Feld beschleunigen gibt es auch noch die thermalen Ionentriebwerke, auch Lichtbogentriebwerk oder Arcjets genannt. Ich will auf diese heute mal eingehen und wo ich bei ihnen Anwendungen sehe.

Auf die Idee kam ich als ich einen Beitrag über ein Unternehmen lass, dass daran arbeitet, einen Antrieb für Cubesats zu entwickeln. Cubesats sind bisher antriebslos. Sie haben einfach nicht die Masse und den Platz um einen Tank, der unter Druck stehen muss und selbst kleine Triebwerke unterzubringen. Die Firma will Wasser nutzen, dass sie wie bei einem Tintenstrahldrucker thermisch aufheizt und dann durch eine Miniaturdüse expandierst. Der Schub ist so klein, das dürfte auch eher für Lageänderungen als Bahnänderungen gedacht sein. Das Problem ist, das auch der spezifische Impuls klein ist: der spezifische Impuls eines chemischen Antriebs hängt von der Temperatur und der Molmasse der Gase ab, vergleicht man nun den Antrieb mit LOX/LH2 wo ja auch Wasser entsteht so dürfte bei einer Temperatur von 100 °C die hat Wasserdampf der spezifische Impuls beträchtlich kleiner sein als bei der Verbrennung in einem Raketentriebwerk mit über 3000°C.

Ich dachte mir dann, zumindest für große Satelliten wäre eine Alternative, wenn man anstatt schweren Druckgastanks für den lagerfähigen Treibstoff man Wasser in einem normalen Tank lagert, dann für einen Impuls durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet und das in (kleineren) Druckgastanks lagert, bis man es bei einer Verbrennung braucht. Auch so sind natürlich nur kleine Geschwindigkeitsänderungen möglich. Eine kleine Rechnung ergab das für schon mittlere Bahnmanöver man aber so große Tanks braucht, das man keinen Gewichtsvorteil mehr hat und bei kleinen Geschwindigkeitsänderungen fiel mir ein, gibt es ja schon eine Technologie die Wasser als Treibstoff nutzen kann – Lichtbogentriebwerke.

Das Lichtbogentriebwerk ist von allen Plasmatriebwerken einem normalen Triebwerk am ähnlichsten: Ein Lichtbogen erzeugt aus einem Arbeitsmedium ein Plasma, das herkömmlich durch eine Düse expandiert wird. Da das Plasma eine viel höhere Temperatur erreicht, als bei einer Verbrennung erreicht wird, ist der spezifische Impuls höher als bei chemischen Triebwerken. Bei der Uni Stuttgart hat man bei Versuchen mit Wasserstoff 15 km/s erreicht. Mit Ammoniak, auf dieses Beispiel werde ich mich beziehen, erreicht man nach NASA-Angaben immerhin noch 7000 m/s. Das ist mehr als das Doppelte, das lagerfähige Treibstoffe erzielen, mit einer entsprechenden Reduktion der Treibstoffmasse. Wasser ginge auch, man hat Ammoniak, Stickstoff oder Wasserstoff untersucht, weil dies Gase sind und damit die Förderung einfach. Ich halte Ammoniak, wenn man die Tankmasse mit berücksichtigt für die beste Möglichkeit, auch wenn der spezifische Impuls kleiner als bei Wasser ist: Ammoniak kann man unter normalem Druck bei -33 Grad verflüssigen, bei 20 Grad reicht ein Druck von 7,5 Bar. Man könnte also normale Tanks für MMH/NTO nehmen, die meist auf 11-15 Bar Betriebsdruck ausgelegt sind. Wenn man die Kühlung auf unter -33 Grad Celsius dauernd gewährleisten kann, dann kommt man ohne Druckgastanks aus. Reduziert man den Druck, dann geht Ammoniak wieder in den Gaszustand über. So gesehen hat es gute Eigenschaften als Arbeitsmedium, wenn auch wegen des enthaltenen Stickstoffs nicht einen so hohen spezifischen Impuls wie Wasserstoff. Aerojet verwendet Hydrazin und erreicht einen spezifischen Impuls von 402 bis 612 s (4924 – 6033 m/s) wegen des kleineren Wasserstoffanteils. Hier ist das Arbeitsmedium auch ohne Druck lagerbar.

Entsprechend dem allgemeinen Zusammenhang:

c = 2 L / F * W

mit

c = Ausflussgeschwindigkeit [m/s]

L = elektrische Leistung [Watt]

F = Schub [N]

W = Wirkungsgrad (dimensionslos 0 .. 1)

erreicht man mit Ammoniak und c = 7.000 m/s einen höheren Schub, als bei den elektrostatischen Triebwerken bei denen c bei 30.000 bis 45.000 m/s liegt, wenn man dieselbe Leistung einsetzt.

Etwas betrüblich ist allerdings das der Wirkungsgrad von Lichtbogentriebwerken sehr schlecht ist. Nur ein kleiner Teil der thermischen Energie wird an das Arbeitsmedium übertragen. Die Triebwerke müssen für längeren Betrieb sogar gekühlt werden. Ein kontinuierlicher Betrieb ist nicht möglich, beim MR-510 von Aerojet folgt z.B. nach einer Betriebszeit von 1 Stunde eine Abkühlungsperiode von einer halben Stunde. Auch die Lebensdauer ist so kürzer, bei diesem Modell etwa 1600 Stunden, klassische Ionentriebwerke mit nicht-thermischer Ionisation sind für 5000 bis 10.000 Stunden Betrieb qualifiziert.

Bei einem klassischen Lichtbogentriebwerk beträgt der Wirkungsgrad nur 15-20 %, elektrostatische Triebwerke kommen auf 50 bis 70%. Bei einer Erhitzung über einen elektrischen Widerstand kommt man auf höhere Wirkungsgrade, aber auch niedrigere Plasmatemperaturen, die wiederum den spezifischen Impuls selbst bei Wasserstoff auf maximal 8000 m/s begrenzen.

Bisher hat Russland relativ viele Lichtbogentriebwerke in ihren Meteorsatelliten eingesetzt und entwickelt auch einige weiter. In US oder ESA-Satelliten kenne ich dagegen keinen Einsatz, immerhin hat Aerojet einige im Programm. Eine mögliche Verbesserung, aber bisher noch nicht in der Praxis erprobt ist, dass man dem Lichtbogentriebwerk eine Beschleunigungsstufe nachschaltet. Dazu legt man ein magnetisches Feld an, das die Ionen weiter beschleunigt. Man kommt damit in die Region, die auch elektrostatische Triebwerke bei ihrer Ausströmgeschwindigkeit erreichen, aber bei immer noch niedrigerem Wirkungsgrad von 30 bis 40 %.

Aufgrund der Notwendigkeit einer Kühlung bei dauerndem Betrieb sehe ich als einen möglichen Einsatzzweck die Lageregelung von Satelliten. Hier könnte das System mit einem vergleichbaren Aufwand gegenüber katalytisch zersetztem Hydrazin punkten, bei etwa 3-mal höherem spezifischen Impuls und dadurch geringerem Treibstoffverbrauch. Gegenüber klassischem Ionentriebwerk ist bei gleicher Leistungsaufnahme der Schub etwa doppelt so hoch – der niedrige Wirkungsgrad wird durch den niedrigen spezifischen Impuls ausgeglichen. Die Literatur nennt als weiteren Vorteil, dass man bei gegebener Triebwerksgröße eine höhere Leistung umsetzen kann – Triebwerke mit bis zu 200 kW Leistung wurden getestet, wegen der Abwärme aber nur im Kurzzeitbetrieb.

Allerdings haben die meisten Satelliten bei der Lagereglung einen geringen Bedarf. Die große Ausnahme sind geostationäre Satelliten, die sowohl den Nord-Süd Drift verhindern müssen, wie auch das sie sich in Gravitationssenken wie unter dem Pazifik ansammeln. Auch die haben ja schon ein größeres System an Bord um den Orbit zu erreichen entweder mit lagerfähigem Treibstoff oder mehr und mehr heute auch mit einem elektrostatischen Ionentriebwerk.

Schlussendlich ist es nicht automatisch so, dass Ionentriebwerke einen hohen spezifischen Impuls haben müssen. Es gibt auch Triebwerke mit geringer Beschleunigungsspannung, die dann einen spezifischen Impuls von nur 12000 bis 18000 m/s haben. Dies kann von Vorteil sein, wenn man eine enge Zeitvorgabe hat, da man (gemäß obiger Formel) bei 15.000 m/s Ausströmgeschwindigkeit den dreifachen Schub wie bei 45.000 m/s erreicht. Selbst wenn der Körper dann durch mehr Treibstoff mehr wiegt, geht, es dann erheblich schneller. Und es gibt einige Triebwerke, die liegen in diesem Bereich. Trotzdem erreichen auch sie problemlos Wirkungsgrade von 50% bei einer längeren Lebensdauer ohne die Forderung nach Abkühlungszyklen.

So verwundert es nicht, dass Lichtbogentriebwerke bisher ein Schattendasein führen – ich denke das wird auch so bleiben.

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