Bernd Leitenbergers Blog

Volkswirtschaftliche Betrachtung der Energiewende

Eine Reduktion von Treibhausgasen und Luftverschmutzung ist sicherlich im Interesse der meisten. Betrachten wir zusätzlich die Energiewende auf volkswirtschaftlicher Basis, und begrenzen wir das ganze nicht auf Deutschland. Zur Zeit werden in Deutschland energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage befreit. Sie tragen also nicht die Kosten für eine Verringerung von Treibhausgasen und für die Umweltverschmutzung. Untersuchen wir im Folgenden volkswirtschaftlich, ob das überhaupt Sinn macht.

Wir bedienen uns bei der Untersuchung volkswirtschaftlicher Ansätze wie des „Absoluten Kostenvorteils“ nach Adam Smith. Wir erweitern dabei die rein monetäre Betrachtung und beziehen uns auch auf Umweltaspekte.

Theorie

Beim absoluten Kostenvorteils wird davon ausgegangen, dass es Vorteile bietet, wenn alle Länder jeweils die Produkte herstellen, die sie am kostengünstigsten herstellen können, und dann werden zu Wohle aller die Produkte ausgetauscht.

Also Land A produziert Strom finanziell und ökologisch günstiger als Land B, dafür produziert Land B meinetwegen Würstchen günstiger. Wenn also jetzt Land A und B jeweils die Produkte herstellen, die sie günstiger herstellen können als das andere Land, dann haben beide einen Vorteil beim Austausch.

Historie

Im vorletzten Jahrhundert lagen die Ressourcen für die Produktion in Mitteleuropa dicht beieinander. Es war Kohle oder Holz und Eisenerz nebeneinader verfügbar. Daraus resultierte der Bergbau und die Stahlindustrie in einigen Regionen. Auf Basis des vorhandenen Stahls kam dann andere Industrie hinzu.

Im Laufe der Zeit wurden die Rohstoffe und die Produkte immer mehr gehandelt, und erreichten auch Regionen, die nicht über die Ressourcen verfügten. Als Produktionsvorteil gab es aber immer noch das Wissen, und die verfügbaren Produktionsmittel (z.B. Stahlwerke, Zementfabriken etc.).

Früher hat sich die energieintensive Industrie an Standorten angesiedelt, an denen diese Energie in hohem Umfang verfügbar war. Das war neben Kohleminen, oder neben Kraftwerken. Damit blieben Transportwege kurz, und man brauchte auch nur kurze Leitungen für den Strom.

Heute

Heute werden sowohl Rohstoffe als auch die Produkte weltweit gehandelt. Das Eisenerz für die D Stahlproduktion kommt z.B. aus Norwegen und die Kohle aus Übersee. Für bestimmte Produktionsverfahren (Aluminiumherstellung, Stahlherstellung etc.) ist auch das Wissen frei verfügbar oder in Form von Schlüsselfertigen Produktionsanlagen verfügbar. Strom wird per Hochspannungs-leitung über große Distanzen übertragen.

Betrachtet man die Herstellung energieintensiver Produkte aus ökologischer und volkswirtschaftlicher Sicht, so stellt sich die Frage nach dem Sinn der jetzigen Produktionsweise. Muss man Rohstoffe über weite Strecken transportieren, um sie dann unter hohem Energieaufwand an konventionellen Energieträgern in Basisprodukte umzuwandeln? Macht es nicht vielmehr Sinn diese Umwandlung entweder an Ort und Stelle, oder an Plätzen mit einem hohen Energieangebot durchzuführen? Muß die Allgemeinheit dafür aufkommen, um dieser Produktionsweise durch Subvention eine Wirtschaftlichkeit zu verschaffen?

Situation in Deutschland

Im Rahmen der Energiewende entfallen mehr und mehr AKW-Standorte. Der Standortvorteil für die energieintensiven Unternehmen in deren Nachbarschaft verschwindet. An anderen Standorten baut man neue Kraftwerke auf regenerativer Basis. Nach der Regel des absoluten Kostenvorteils müsste man jetzt auch die Produktion zu den neuen Standorten verlagern, um den Vorteil der kurzen Verbindungswege und des hohen Energieangebotes wahrzunehmen. Man könnte im Wettbewerb auch stattdessen in verbrauchssenkende Maßnahmen investieren.

Hier aber versagt die Politik.

  1. Es werden mit hohen Kosten Leitungen gebaut, die hauptsächlich für die energieintensive Industrie benötigt werden. Diese Industrie wird aber von den Netzentgelten (also den Kosten) befreit, so dass nur Kleinbetriebe und die Haushalte die Kosten tragen.
  2. Die energieintensive Industrie kann den Strom (der durch die regenerativen Kraftwerke rechnerisch billiger geworden ist) billig auf dem Markt kaufen. Von der EEG Umlage, die den Unterschied zur tatsächlichen Vergütung ausgleicht, ist sie befreit. Auch hier tragen Kleinbetrieben und Haushalte die Kosten.
  3. Die Schieflage bei der Belastung ist mittlerweilen so hoch, dass sogar eine Begrenzung der regenerativen Stromerzeugung beschlossen wurde.
  4. Jeglicher Kostendruck wird von den Uternehmen genommen, und damit die Motivation in Verbrauchssenkungen zerstört.

Die Politik in D stellt sich protektionistisch gegen volkswirtschaftliche Regeln, und verteuert und bremst die ökologisch sinnvolle Energiewende für die Allgemeinheit.

Vorschlag

Bei Desertec wurden Pläne entwickelt, den Strom Solar in der Wüste zu erzeugen, und ihn dann per HGÜ nach Europa zu schicken. Man propagiert eine aufwändige Lösung, nur damit sich in Deutschland nichts zu ändern braucht. Die Aluminiumhütten und Zementwerke bleiben weiterhin in z.B. Bayern.

Jetzt modifizieren wir das Ganze nach absolutem Vorteil und betrachten nicht nur die Stromproduktion, sondern auch die Erzeugung energieintensiver Produkte. In der Wüstenregion in Nordafrika gibt es ein hohes Angebot an Solarenergie, und in einigen Bereichen Windenergie. Das ist ein Standortvorteil (Strom Prozesswärme), der z.B. die energieintensive Industrie anlocken sollte. Abwärme ließe sich zur Meerwasserentsalzung verwenden (Zusatznutzen). Die Produkte können weltweit verkauft werden. Damit erwirtschaftet sich diese Region die Einnahmen, mit denen sie in anderen Ländern z.B. Deutschland deren jeweil günstigen Produkte erwerben können.

Vorteile:

  1. Es sind keine teueren langen Leitungen mit HGÜ nötig.
  2. Stromproduktion und Produktion der energieintensiven Güter kann aufeinander abgestimmt werden
  3. Produktion unabhängig vom Strombedarf in.
  4. Transport der Produkte mit verschiedenen Transportmitteln z.B. per LKW, Bahn oder Schiff möglich.
  5. Entfall unnötiger Subventionen.
  6. Die Nordafrikastaaten könnten ihre Handelsbilanz gegenüber anderen Industrieländern ausgleichen, im Gegenzug könnten wir mehr unserer Produkte dorthin exportieren.

Änderungen:

  1. In D entfällt die Befreiung von den Netzentgelten und von der EEG Umlage.
  2. Die Unternehmen, die noch andere Standortvorteile in D haben werden bleiben oder zu den Windparks umziehen.
  3. Die Bevölkerung zahlt weniger Netzentgelte und weniger EEG-Umlage.
  4. Der Bedarf an Speicher sinkt, und ist eher bereitstellbar.
  5. Es gibt weniger Bedarf an Netzausbau.
  6. Es gibt weniger Bedarf an Reservekraftwerken.
  7. Die Mitarbeiter in der energieintensiven Industrie müssen in andere Industriezweige wechseln.

Bei der Globalisierung wird nach Standortvorteilen gesehen wird, und aufgrund niedrigerer Löhne wandern ganze Branchen ins Ausland ab. Da stellt sich mir die Frage, warum wir uns hier auf Kosten der Allgemeinheit leisten energieintensive Industrie an alten Standorten zu fördern, wenn die doch nur einen geringen Anteil der Arbeitskräfte beschäftigt. Kleinbetriebe mit wesentlich mehr Mitarbeitern werden dagegen belastet.

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