Eigentlich wollte ich den heutigen Artikel in die Rubrik „Die Lösung für ein überflüssiges Problem“ einsortieren, in dem ich für eine Fragestellung (die außer mir niemanden interessiert) eine Lösung suche. Aber da ich selbst nur einen Lösungsvorschlag habe, aber keine endgültige Antwort kann ich das nicht. Daher hoffe ich auch auf zahlreiche Zuschriften und Kommentare, denn vielleicht habe ich einige Aspekte übersehen.
Es geht darum, dass wir zwar Radarbilder der Venusoberfläche haben, aber keine echten Aufnahmen aus der Vogelperspektive. Die einzigen die es gibt sind die von Venera 9,10,13 und 14 und nur die Letzten beiden zeigen etwas von der Landschaft. Weil diese Sonden aber Fischaugenobjektive hatten, nur am Rand und stark verzerrt. Selbst perspektivisch korrigiert, ist die Landschaft im Hintergrund verschwommen.
Mir schwebt seit Langem eine Venussonde, vor die beim Abstieg die Oberfläche aufnimmt und die Aufnahmen nach der Landung überträgt, plus der Aufnahmen vom Landeort, vielleicht vergleichbar Huygens. Die Frage ist, ab wann sie die Oberfläche klar sieht. Zwar ist es technisch kein Problem, die Bilder an Bord zu vermessen und nur die kontrastreichen zu übertragen, alle anderen sollten keine Details der Oberfläche oder Nebel zeigen, wie die Huygensaufnahmen aus großer Höhe. Aber interessant ist natürlich schon die Frage, ob das erst 100 m über der Oberfläche der Fall ist oder in 30 km Höhe, auch um die Aufnahmefrequenz festzulegen.
Kleiner Überblick über die Venusatmosphäre
Die Venusatmosphäre ist mit unsere überhaupt nicht vergleichbar. Sie ist viel dichter (Bodendruck um die 90 bar, also so viel wie in 900 m Meerestiefe oder in einem Raketentriebwerk). Sie besteht aus Kohlendioxid, mit nur Spuren anderer Gase und durch den Treibhauseffekt (ja liebe AFD-Wähler den gibt es, und die Erderwärmung wurde zuerst nach Entdeckung des Treibhauseffekts auf der Venus prognostiziert, lange bevor es Untersuchungen des Klimas auf der Erde gab). Ist es an der Oberfläche um die 480 Grad Celsius heiß. Also doppelt so heiß wie in einem Backofen.
Es gibt auch Wolken, und zwar nicht zu knapp. Zwischen 50 und 70 km Höhe liegt eine Wolkenschicht, die so ausgedehnt und dicht ist, dass sie den ganzen Planeten umhüllt. Erst in dieser Höhe herrschen ein Druck und eine Temperatur wie auf der Erde. Ein Paradoxon ist, das sich, obwohl die 1 Bar Grenze in 47 km Höhe befindet, die Dichte darüber rasch abnimmt, sodass Satelliten sich der Venus viel stärker nähern können als der Erde. Pioneer Venus näherte sich regulär bis auf 150 km der Oberfläche, Venus Express sogar bis auf 129,2 km bei besonderen Messkampagnen in denen sie tief eintaucht.
Die Wolken der Venus bestehen wie auf der Erde aus einem Aerosol, also kleinen Tröpfchen, die in der Atmosphäre schweben. Bei uns ist es Wasser, bei der Venus, wo schon bei der 1 Bar Grenze eine Temperatur von rund 130°C herrscht, ist es Schwefeldioxid.
Die obere Atmosphäre rotiert, und zwar schnell. Die Wolken brauchen nur rund 4 Tage um den ganzen Planeten zu umrunden, das ist vergleichbar den Jetstream in der Erdatmosphäre, aber mit höherer Geschwindigkeit von rund 450 km/h. Die untere Atmosphäre ist zu dicht, um schnell bewegt zu werden. Die Venerasonden maßen an der Oberfläche nur eine Windgeschwindigkeit von maximal einigen Metern pro Sekunde.
Versuch der Annäherung
Das erste Kriterium ist, ab wann man den Boden sehen kann, ist wann die Atmosphäre „durchsichtig“ wird. Also keine Wolken oder Nebel die Sicht behindern. Die Messungen der Sonden zeigen, dass unterhalb der Wolkenuntergrenze die Zahl der Aerosole, also Tröpfchen stark zurückgeht. Man kann eine Untergrenze benennen: Wo die Atmosphäre die Temperatur erreicht, bei der Schwefeldioxid bei dem gegebenen Druck verdampft, durch Reduktion kann aus Schwefeldioxid aber auch molekularer Schwefel entstehen. Er könnte als Staub ebenfalls schweben. Schwefel verdampft bei 388 K. Die Pioneer Venus Sonden maßen unterhalb von 31 km Höhe keine Aerosole. Allerdings heißt das nicht, das es dort keine gibt, sondern nur das die Messgrenze in dieser Höhe unterschnitten wird. Selbst wenige Aerosole können über eine Strecke von 30 km natürlich die Sicht völlig verschleiern. Die Temperatur von 388 K, bei der Schwefel verdampft, wird aber schon in 43 km Höhe erreicht. Das heißt unterhalb von 31 km Höhe (Temperatur rund 476 K, also 200 °C) sollte die Atmosphäre frei von Aerosolen sein.
Staub
Jeder kennt auf der Erde das Phänomen, das man nach einem Regen, der den Staub aus der Atmosphäre wäscht, weiter sehen kann und auch mehr Details in der Entfernung sieht. Staub gibt es bei uns aus vielen Quellen: Pflanzen emittieren Pollen, Wind wirbelt Staub auf, Menschen emittieren Feinstaub. Auf der Venus gibt es immerhin noch den Wind als Ursache. Auf dem Mars kann der Wind einen globalen Staubsturm verursachen, bei dem man aus dem Orbit fast gar nichts mehr sieht. Dem letzten fiel Opportunity zum Opfer. Dabei ist dessen Atmosphäre viel dünner. Aber mit dem Mars ist die Venus nicht zu vergleichen. Für Wind benötigt man Temperaturdifferenzen. Die gibt es kaum auf der Venus. Daneben kann der Wind um so stärker sein, je dünner die Luft – in der Erdatmosphäre herrschen die höchsten Windgeschwindigkeiten in der Stratosphäre. Auch deswegen gibt es auf dem Mars so gerne Staubstüme. Die Venusatmosphäre ist zu dicht am Boden, und daher weitestgehend windstil. Auf der anderen Seite bedeutet die dichte Atmosphäre, dass sich Staub nur langsam absetzt. Bei Den Venera Landesonden war der bei der Landung aufwirbelte Staub noch Minuten nach der Landung nachweisbar.
Duchsichtigkeit
Selbst nach einem Regen kann man auf der Erde zwar weit sehen, aber man sieht, das die Kontraste abnehmen. Der Albaufstieg ist von meinem Wohnort etwa 25 km entfernt. Doch selbst an Tagen mit guter Sicht erkennt man kaum Details. Dabei ist die Atmosphäre am Erdboden etwa 54-mal weniger dicht, als auf der Venus. Es muss offen bleiben, ob dies an den Restschwebstoffen in der Atmosphäre liegt oder anderen Eigenschaften der Atmosphäre. Astronehmen kennen das Phänomen der blinkenden Sterne. Sie entstehen durch kleine Zonen mit unterschiedlicher Temperatur und damit Dichte in der Atmosphäre, die jeweils einen anderen Brechungsindex haben. Turbulenzen können noch mehr Störungen verursachen. Man kann aber davon ausgehen, dass durch die Dichte und den fehlenden oder geringen Temperaturunterschied sowohl regional wie auch vertikal diese Störungen auf der Venus kleiner sind.
Auf der anderen Seite absorbiert jedes Medium Licht. Auf der Erde kommt selbst bei besten Bedingungen 1/3 weniger Strahlung bei der Oberfläche an als im Weltall. Dieses Drittel schluckt die Atmosphäre. Die Venusatmosphäre hat an der Oberfläche eine Dichte von 0,0676 g/cm³. Diese Dichte liegt zwischen der von Wasser (1,0) und der Erdatmosphäre von 0,00124. Eine 1 km dicke Schicht der Venusatmosphäre absorbiert genauso stark wie rund 60 m Wasser oder eine 54 km Strecke auf der Erdoberfläche. Es wäre interessant zu sehen, wie weit man unter Wasser gut sehen kann. Das Problem in natürlichen Gewässern sind natürlich die Fremdpartikel, die es gibt, doch ein eigener Test im Freibad bei Beginn der Badesaison mit frischem filtriertem Wasser ergab, das man auf 50 m Beckenlänge noch gut Kontraste ausmachen kann, aber man das Problem der Abdunklung durch die Lichtabsorption hat. 50 m Wasser entsprechen rund 730 m auf der Venus, wenn man die Masse der Schicht betrachtet. Ich würde in den Absorptionseigenschaften (ohne Aerosole) die Venusatmosphäre irgendwo zwischen Luft und Wasser einsortieren.
Vergleich Titan
Es gibt einen Vergleich, wenn auch nicht ideal, doch nahe an der Venus. Das ist der Titan. Die Atmosphäre hat am Boden immerhin die 4,4-fache Dichte. Ebenso hat der Titan kaum Temperaturvariationen wie die Venus und eine globale Smogschicht. Durch die Huygens Sonde wissen wir etwas mehr über die Atmosphäre von Titan und ab wann man den Boden sieht. Bei Titan ist es so, das unterhalb 80 km Höhe die Aerosole beginnen zu aggregieren. Die Partikel werden größer, aber die Menge nimmt ab. Die Atmosphäre klart auf. Unterhalb von 30 km Höhe verändert sich das Verhältnis nicht mehr.
Durch die Huygens Landemission wissen wir das ab etwa 20 km Entfernung der Boden zu sehen ist. Unterhalb von 13 km Höhe wird die Sicht zwar noch besser aber nur noch marginal. Überträgt man dies auf die Venus und nimmt eine ähnliche Masse der Schicht an, so entsprechen die 13 km bei Titan rund 1 km bei der Venus. Das liegt dann ungefähr bei den 730 m die ich vom „Wasserexperiment“ ermittelt habe. So wäre meine Schätzung, das man etwa 1 km weit scharfe Kontraste sehen kann. Dafür sprechen auch die Veneraaufnamen. Auch wenn sie recht unscharf sind, sieht man am Rand noch Schatten der Landschaft die maximal 2,5 km entfernt sein kann.
Auswirkung auf die Landesonde
Die Frage ab wann man den Boden sieht hat natürlich Auswirkungen auf die Landesonde. Technisch gesehen, ist die Auswirkung nicht einmal sehr groß. Selbst ein wenig leistungsfähiger Prozessor kann ein Bild heute im Bruchteil einer Sekunde auf Kontraste untersuchen und so den Zeitpunkt bestimmen, ab wann man mehr Aufnahmen in einem Intervall machen sollte. Genügend Zeit gibt es. Durch die dichte Atmosphäre fallen selbst Kapseln ohne Fallschirm nur langsam. Die Venera 9 bis 14 landeten mit 7 bis 8 m/s, das sind 25 bis 29 km/h. Für den letzten Kilometer sollten sie so 125 Sekunden brauchen. Genügend Zeit um mehrere Panoramen anzufertigen. Das Hauptproblem ist dann eher das man nur sehr wenig von der Oberfläche sieht. Immerhin: in 1 km Höhe ist der Horizont 110 km entfernt. Das nützt allerdings nichts, wenn natürlich auch bei schräger Sicht man weniger weit als 1 bis 2 km weit scharf sieht. Realistisch dürfte man so eine Zone in einem Kreis von 2-4 km Durchmesser rund um die Landestelle scharf sehen. Das kann etwas mehr sein, wenn die Sonde sich noch mit dem Wind bewegt. Bei den Windgeschwindigkeiten von gemessen 0,5 bis 2 m/s sind das aber auch im besten Fall nur 250 m mehr.