Bernd Leitenbergers Blog

SpaceX – Mai 2019

Es wird mal wieder Zeit mich mit der Firma mit dem X zu befassen. Man sollte ja meinen nach 17 Jahren und acht Jahre nach dem ersten Falcon 9 Start haben sie es raus etwas zu entwickeln, was nicht gerade neueste Raumfahrttechnik ist. Nehmen wir mal Fallschirme oder druckgeförderte Triebwerke. Fallschirme um schwere Lasten abzusetzen gibt es schon lange. Soweit ich weiß, hat man im zweiten Weltkrieg damit begonnen Lasten während des Flugs mit Fallschirmen abzusetzen. Also nichts, was eine besondere Innovation erfordert.

Ebenso sind druckgeförderte Triebwerke in der Raketentechnik so ziemlich das einfachste, was man bauen kann. Sie haben keinen Gasgenerator, keine Turbine, keine Pumpe. Außer Ventilen keine beweglichen Teile. Nicht umsonst setzt man sie dort ein, wo Zuverlässigkeit wichtiger als Performance ist. Neben Oberstufen auch bei Satelliten als Lagereglungstriebwerke und Antriebe. Auch die Orion setzt wieder auf ein druckgefördertes Triebwerk als Antrieb.

Was soll ich also zu einer Firma sagen, die die bei einem Test der druckgeförderten Triebwerke die Kapsel in die Luft sprengt und bei der sich bei einem weiteren Test die Fallschirme nicht öffnen? Nun wahrscheinlich läuft es bei SpaceX wie immer. Wie immer heißt in meinen Augen:

Dazu passt auch das der unbemannte Testflug einer Crewed Dragon der eines Raumschiffs war das gar nicht fähig war die Astronauten zu transportieren:

Wohlgemerkt, das war eine Nachricht vom 21.3.2019, bevor SpaceX ihre Kapsel sprengte. Auch das wurde alles erst nach der Landung am 8.3.2019 bekannt, ebenso wie der gescheiterte Fallschirmtest erst nach einem Monat herauskam, weil nicht nur SpaceX nichts davon sagt, sondern auch die NASA dazu verdonnert. Nur wenn Amateure die Explosionswolke filmen (Parallelen zu einer Falcon 9 die mal bei den Landetests explodierte dürfen gezogen werden) wird verharmlosend von einer Anomaly gesprochen.

Dafür, als Schmach obendrauf erwähnt die NASA in obigem Bericht den einzigen Testflug der Starliner in einen regulären 6 Monate Langzeitflug umzuwandeln. Dabei basiert die Crewed Dragon auf der Dragon, die schon ihren ersten Flug hatte, bevor Boeing überhaupt den Auftrag für die Kapsel bekommen hat. Vor allem das ein Fallschirm nicht aufgeht verwundert mich doch sehr, denn die Landung ist doch eigentlich die gleiche wie bei der normalen Dragon. Von einer Landlandung ist ja keine Rede mehr (auch etwas, was mit viel Tamm-Tamm angekündigt wird und dann wieder gestrichen wurde).

Das Ganze ist nicht neu und ich wiederhole mich, doch das ist einfach als auf zig Artikel in der Vergangenheit zu verweisen. SpaceX hat, lange bevor es Fake-News als Begriff gab, die Macht der Versprechungen erkannt, um Geld zu sammeln. Gerechterweise muss man ja sagen nicht SpaceX, sondern Elon Musk, denn von SpaceX gibt es fast keine Nachrichten und die anderen Chefs wie Koenigsmann oder Shotwell korrigieren eher die Ankündigungen ihren Über-CEO.

Es zieht. So haben sie in zwei Runden eine weitere Milliarde Dollar für 18,8 Millionen Anteile lockergemacht (kann man die Anteile eigentlich wie Geld selbst drucken?, da SpaceX nicht börsennotiert ist weiß man weder wie viel Gewinn sie machen noch wie viele Anteile es gibt). Es gibt immer genügend Leute, die meinen das sie mit SpaceX reich werden. Das Spiel versucht ja Musk auch, bei Tesla um den Aktienkurs zu pushen. Dumm nur das als börsennotiertes Unternehmen sie eine Bilanz veröffentlichen müssen und da hat das neue Modell 3 auch nicht die Trendwende vom Verlust in den Gewinn gebracht. Tesla hat 9,99 Milliarden Dollar Schulden. Alleine im April mussten 920 Millionen Dollar berappt werden und im letzten Quartal gab es erneut 700 Millionen Dollar Verlust.

Immerhin eines ist im verlinkten Artikel interessant: SpaceX soll 2018 2 Milliarden Dollar aus Launch Services eingenommen haben (Umsatz). Es gab 2018 21 Starts, davon ziehen wir den unbezahlten Jungfenflug der Falcon Heavy ab, bleiben 20. Davon sind wiederum drei Starts der Dragon, die neuen 20 Flüge kosten 3040 Millionen Dollar, ich nehme das mal für die letzten drei an (nach Vertragsabschluss wäre es nur 133 Millionen Dollar). So sind dies 456 Millionen Dollar. Teilt man nun aber die restlichen 1554 Millionen Dollar auf die restlichen 17 Flüge auf, dann kostet der Start einer Falcon 9 dann 91,4 und nicht 62,8 Millionen Dollar, wenn ich die Original CRS-Zahlen nehme, sind es sogar 94,1 Millionen Dollar. Was lernen wir daraus? Entweder macht Wiederverwendung die Rakete um ein Drittel teurer, oder es handelt sich beim auf der Webseite stehenden Startpreis um Fake-Prices, analog hat Koenigsmann ja schon veröffentlicht, dass die Maximalnutzlast einer Falcon 9 für den GTO bei maximal 6,5 t (ohne Bergung) liegt und nicht 8,3. Also Preis um 46 % hoch, Nutzlast um 28 % niedriger. So sieht die Wirklichkeit aus.

Wenn wundert es, das der letzte Start 60 Starlinksatelliten die zusammen 13,6 t wogen nicht mal in der Zielhöhe von 550 km aussetzte, sondern in 440 km Höhe, denn natürlich ist auch die LEO-Nutzlast dann geringer und geborgen hat man die erste Stufe dann natürlich selbstverständlich auch nicht. Ginge es nach der Webseite so sollte bei 22,2 t Maximalnutzlast ja ohne Problem 13,6 t in den Zielorbit startbar sein und man müsste die Stufe noch bergen können.

Kunden kann man nicht täuschen – seit zwei Jahren schrumpft das Launch Manifest. Als ich Anfang des Jahres da nachschaute waren noch 40 Starts offen. Stand heute (28.5.2019) ist es wieder einer weniger, noch 39 und das, obwohl es nur 6 Starts in fünf Monaten stattfanden, die Startrate also rapide abnimmt. Schlimmer noch: von den 39 Starts sind inzwischen 23 von der Regierung. Wenn die Rakete so billig und so kommerziell erfolgreich ist, warum bleiben dann gerade diese Kunden weg? Vielleicht weil der Preis um 45 % anstieg und die Nutzlast um 28 % sank?

Doch die Regierungsaufträge reichen nicht. Schon als die verlängerte Falcon 9 eingeführt wurde, vor fünf Jahren, prozessierte SpaceX gegen das Dod, weil das ihrer Ansicht nach zu lange dauerte und sie so von Aufträgen ausgeschlossen seien. Damals legte man das so bei, dass SpaceX einige Starts ohne Ausschreibung bekam, so den dieses Jahr gestarteten GPS-Satelliten.

Als die NASA eine Rakete für LUCY orderte, gab es erneut einen Protest bei der GAO, den die Firma wieder zurückzog. Da über das Anlegen es vor Klärung des Falls keine Auskunft seitens der GAO gab und natürlich auch SpaceX keine Angaben macht, dachte man das wäre wegen dieser Mission, bei der sich SpaceX auch um den Start beworben hatte. Nun hat die Firma beim Court of Federal Claims geklagt. Aber es geht nicht um den LUCY-Start, sondern weil die USAF am 10.10.2018 Entwicklungsaufträge an drei US-Firmen für neue Raketen vergab: ULA mit der Vulcan, Blue Origin für die New Glenn und Grumman/ATK für die OmegA. Das seien Papierraketen und man habe die Falcon Heavy die alle Starts absolvieren könne. Mensch muss bei SpaceX aber die Situation brenzlig sein. Wenn man sich schon vor zukünftiger Konkurrenz fürchtet, und meint diese mit Klagen abhalten zu können. Dabei hat man selbst Entwicklungsaufträge wie für das Raptor gerne genommen. Anders als bei dem ersten Fall handelt es sich ja um Entwicklungsaufträge. Es muss doch der USAF frei stehen, wenn sie mehr Konkurrenz haben, will Entwicklungen zu fördern. Nichts anderes tat die NASA ja auch bei COTS und CRS und die Aufträge haben nach Musks eigenen Angaben die Firma vor dem Ruin gerettet. Zudem müssen die Firmen immer noch den Großteil selbst finanzieren und es werden nur zwei der drei Firmen später selektiert, die Dritte muss die Mittel zurückzahlen. Eine regierungsfinanzierte Entwicklung sieht anders aus. Damit übrigens das Spiel mit den Fake-Ankündigungen und wenigen offiziellen Zahlen weiter funktioniert hat man diesmal nicht bei der GAO protestiert, die ihre Entscheidungen öffentlich macht sondern bei diesem Gerichtshof, auch wenn dort Entscheidungen dreimal länger dauern. Den Protest gegen die Entscheidung für Lucy wurde dagegen am 3.4.wieder zurückgezogen. Ein zufälligerweise bekam sie eine Woche später den Startauftrag für die DART-Mission. Beim Paten nennt man so etwas wohl ein „Angebot, das man nicht ausschlagen kann“.

Das wirft ein Licht auf zwei Aspekte: offensichtlich will die USAF wie bisher zwei Firmen für ihre Starts, zählt SpaceX aber nicht dazu sonst wäre es nur eine weitere Firma. Und zweitens: wie verlogen ist das denn, wenn man dauernd sagt „Bald kommt die BFR, dann wird alles billiger und wir verdienen Geld mit suborbitalen Passagierflügen. Falcons gibt es nur noch für erzkonservative Kunden, die an den Raketen hängen, die Falcon Heavy stellen wir zugunsten der BFR ein“ und nun sagt „Alle anderen entwickeln Papierraketen (sprich die BFR ist keine Papierrakete), und wir haben die tolle Falcon Heavy die alles kann“. Also was denn nun?

Die Crewed Dragon wird nach NASA-Angaben nicht vor Ende des Jahres bemannt starten. Damit wird Boeing SpaceX überholt haben, obwohl die Firma fünf Jahre Vorsprung hatte, wenn man berücksichtigt das die Dragon keine Neuentwicklung ist. Tja etwas fehlerhaft zu entwickeln und dann nachzubessern klappt bei der bemannten Raumfahrt eben nicht. Noch schlimmer: da SpaceX so versagt will die NASA aus dem kurzen Besuch der ersten Starliner eine normale Langzeitmission machen, schlussendlich verschiebt bei SpaceX wieder alles um Monate. Wie viel die NASA Boeing und SpaceX zutraut sieht man auch an den Vorläufen: Die Starliner fliegt gleich bemannt. SpaceX muss erst zwei Aborttests und einen unbemannten Flug durchführen. Auch bei den Aufträgen im Manifest sieht man das Vertrauen zu SpaceX. Es sind ausschließlich preiswerte Missionen oder Missionen, bei denen die NASA nur teilweise involviert ist wie die europäisch-amerikanischen Missionen JASON-3 und Sentinel 3.

Nicht viel anders ist es bei der US-Luftwaffe, eigentlich nicht verwunderlich. Ich würde auch keine Starts bei jemanden buchen, der mich verklagt. Die Aufträge wurden entweder durch Erpressung ohne Ausschreibung zugeschanzt oder es sind „schlüsselfertige“ Aufträge, bei denen die USAF nicht einen Satelliten und einen Start ordert, sondern einen Satelliten betriebsbereit im Orbit. Dann kann der Satellitenhersteller frei den Launch service Provider wählen. Prominentestes Beispiel war die verlorene ZUMA-Nutzlast vor einem Jahr.

Und es kommen auch Nachrichten aus einer anderen Ecke: Als wäre das was SpaceX baut nicht schon schlimm genug, kam nun auch heraus das ein Ingenieur bei einem Zulieferer jahrelang Testprotokolle gefälscht hatte, damit die Firma weiter Auftragnehmer bleibt. Besonders pikant: Das scheint in der US-Raumfahrtindustrie gängig zu sein und fehlerhafte Teile, deren Prüfungsprotokolle gefälscht waren, waren auch verantwortlich für den Verlust von zwei Taurus und damit zwei NASA-Missionen.

Fazit

Mögen die SpaceX Fanboys die Firma im Aufwind sehen, ich sehe es anders. Die Startrate sinkt, sechs Starts in fünf Monaten, das sind aufs Jahr hochgerechnet dann 14 bis 15. Letztes Jahr waren es noch 21 und das, obwohl man nun ja viele eigene Starts hat, also völlig unabhängig von anderen Aufträgen ist.

Erneut Finanzierungsbedarf, obwohl Google schon mal 1 Milliarde für Starlink gegeben hat. Das reichte anscheinend für 60 Satelliten. Ich denke für weitere 12.000 wird auch diese Milliarde nicht reichen. Das Launchmanifest schrumpft trotz weniger Starts weiter – sprich, obwohl sie weniger Starts machen, gibt es trotzdem weniger neue Aufträge als Starts, was die Startrate auch in Zukunft weiter absenkt. Das es interen anders aussieht zeigt auch die Firmengröße – zu den Falcon 9 Starts und den CRS-Starts kommen nun ja noch Falcon Heavy Starts, Starlink Starts, Crewed Dragon Starts und natürlich die BFR-entwocklung. Da sollte man annehmen die Zahl der Angestellten steigt rapide an. Ist aber gerade anders herum: Im Januar hat man 577 aus dem Hauptquartier entlassen. Das sind 10 % der 6.000 Angestellten. Mehr Projekte mit weniger Leuten? Woanders stellen Unternehmen Leute ein, wenn sie expandieren und ich glaube auch bei SpaceX wird man nicht mehr mit weniger Personen machen können. Es geht also bergab.

Und dann die tolle Idee, den Kunden zu verklagen, der 2/3 des Manifests füllt und dabei noch höhere Preise bezahlt: die Regierung. Wie doof muss man denn dazu sein? Es muss schon arg schlecht um SpaceX stehen, wenn man schon Angst vor zukünftigen Konkurrenten hat und das lässt auch einige Rückschlüsse auf die BFR zu, die offiziell ja so viel besser und billiger ist. Ich prophezeie, das wird das Nächste von SpaceX eingestellte Projekt.

Die mobile Version verlassen