Auf meinen heutigen Blog kam ich schon vor einer Woche, da gab es in der Carolin Kebekus Show eine Satire „Auch Wissenschaftler haben Gefühle“ mit Mai Thi Nguyen-Kim als Counterpart zur Kebekus. Schaut euch das verlinkte Video mal an, es ist nicht lang, durchaus sehenswert und vermittelt auch einiges. Ich kam drauf, als ich in einem der letzten Blogs mal wörtlich schrieb „Ich als Naturwissenschaftler …“. In der Tat hat man als Naturwissenschaftler eine etwas andere Sicht auf vieles.
Zuerst mal eine Klarstellung: Alles was ich schreibe bezieht sich auf Naturwissenschaftler. Auch wenn Kebekus nur von Wissenschaftlern spricht, muss man natürlich noch sagen, das es auch andere Wissenschaften und damit andere Wissenschaftler gibt so Geisteswissenschaftler, Sozialwissenschaftler und Betriebswissenschaftler. Für diese Wissenschaften gilt das folgende nicht.
Wer eine Naturwissenschaft studiert, lernt in seinem Studium nicht nur Fakten, er sollte auch Vorgehensweisen eine Denkweise und Methoden lernen. Alle Naturwissenschaften haben einige Gemeinsamkeiten. Es gibt in allen Naturgesetze. In manchen sind diese fast immer in mathematische Formeln zu hießen, was ein genaues Nachrechnen wie z.B. in der Physik ermöglicht, in anderen sind es Zusammenhänge oder Regeln aber Formeln kommen kaum vor wie z. B. In der Biologie. Alle Naturgesetze haben aber eine Gemeinsamkeit. Sie gelten, man kann sich auf sie verlassen und man kann sie anders als menschliche Gesetze nicht brechen. Wer einen Stein loslässt, der wird auch wenn das oft wiederholt bemerken, dass er zur Erde fällt. Ebenso wird Wasserstoff an der Luft verbrennen, wenn man ein Streichholz an ein Gefäß mit Wasserstoff hält und Pflanzen wachsen reproduzierbar auf das Licht zu. Auch wenn manche das bezweifeln, wird der Wirkungsgrad mit dem man eine energieform in eine andere umwandeln kann immer kleiner als 100 % sein.
Die Natur ist auch logisch. Wenn man etwas schon kennt, dann kann man diese Erkenntnis oft auf ähnliche Phänomene anwenden. Wenn man weiß, das Eisen als Metall mit Sauerstoff zu einem Metalloxid reagiert, dann liegt es nahe, das andere Metalle wie Nickel, Chrom oder Zink das auch tun.
Natürlich gibt es auch in den Wissenschaften Diskussionen. Vieles, vor allem die Grundlagen sind längst geklärt. Aber Wissenschaft bleibt nicht stehen und entdeckt immer Neues und erarbeitet natürlich auch immer neue Modelle, mit denen die Fakten erklärt werden sollen. Ein populäres Beispiel aus der Astronomie: das das Universum sich ausdehnt und vor etlichen Milliarden Jahren in einem Punkt vereinigt war, ist durch zahlreiche Beobachtungen abgesichert und as entsprechende Urknallmodell ist abgesichert. Die beobachteten Gravitationskräfte zwischen den Sternen und Galaxien kann die beobachtbare Materie aber nicht erklären, ebenso scheint diese Materie zu wenig sein damit sich das Universum heute so ausdehnt, wie es dies tut. Man hat daher als Stütze des Modells dunkle Materie und dunkle Energie geschaffen, welche die fehlende Masse darstellt. Wie viel es von jedem gibt und woraus sie bestehen könnte, darüber wird diskutiert, eben weil man sie bisher noch nicht nachweisen kann.
Manche Laien verwechseln das, damit das die Wissenschaft sich nicht einig wäre oder jeder seine eigene Theorie aufstellen könnte, die dann auf der gleichen Stufe steht wie ein etabliertes Modell. Das hat aber damit nichts zu tun. Vielmehr ist es ein momentaner Stand der Wissenschaft und die entwickelt sich weiter. Auch das Urknallmodell war ursprünglich nur ein Modell von mehreren, wie das Universum aufgebaut ist und sich entwickelt. Es gab auch das Modell eines unveränderlichen Universums, das sogar Einstein vertrat und das eines Universums, in dem laufend neue Materie entsteht, um die Sternendichte trotz Ausdehnung aufrechtzuerhalten. Beobachtungen – als Erstes die Entdeckung der Rotverschiebung – wiesen aber das Urknallmodell als das richtige aus. Das Weltraumteleskop Euclid soll auch mehr über die dunkle Materie herausbringen und wenn das gelingt, wird sich sicher das eine oder andere Modell das derzeit in der Diskussion ist, als richtiger oder weniger richtig herausstellen.
So diskutieren auch Wissenschaftler. Ich glaube sogar, das in der Wissenschaft sich eines der besten Kontrollinstrumente eingebürgert hat. Zumindest in den großen Zeitschriften wie Nature oder Science kann man selbst als hochkarätiger Wissenschaftler nicht einfach einen Artikel publizieren. Er wird von einem anonymen Fachmann zuerst geprüft, oft auch mehrere. Das nennt sich Peer Review. Inzwischen hat sich dieses Modell durch das Internet weiterentwickelt und ein Artikel wird vorab als Open Peer Review publiziert. Jeder kann dann im Prinzip ihn lesen und kommentieren.
Warum schreibe ich dies? Wenn man wie dies bei einer Naturwissenschaft der Fall ist, sogar bei einem schnellen Studium und Bachelor Abschluss mit dem System drei bis vier Jahre zu tun hat, wobei man eigentlich noch die letzten Jahre der Schulzeit hinzurechnen, sollte, sofern man nicht alle Naturwissenschaften abgewählt hat, (geht das?) dann prägt die Methodik das Denken. Man geht Probleme logisch an und man hat gelernt. Die Natur bevorzugt Effizienz und Einfachheit. Wenn ein Stein den Berg runterrollt, dann wird er den kürzesten Weg nehmen und nicht in Kurven herabrollen. Ich habe bei Verschwörungstheorien ja schon mal Okhams Messer zitiert, obwohl Okham lebte bevor sich eine Naturwissenschaft in dem heutigen Sinn etablierte (er starb 1347), bei der die Natur beobachtet wird und man Zusammenhänge versucht zu ergründen, sofern es geht, auch durch Experimente und eine gefundene Tatsache dann mit anderen Beobachtungen zu verifizieren sucht, das war ab der Renaissance der Fall, hat er das grundlegende Prinzip richtig erkannt. Wenn man mehrere Erkläruneng für ein Naturphänomen hat, ist meist die simpelste Annahme die richtige. Das stimmt auch für menschliches Verhalten, weil auch wir meistens den direkten Weg gehen.
Ich meine etwas mehr von der Methodik der Wissenschaften täte der Politik und den Medien gut. Der Kebekus-Beitrag fängt ja schon damit an, das man Wissenschaftler kaum in den Medien wiederfindet und sie nun in der Coronakrise vermehrt auftreten. Nun ja, in diesen zahlreichen Sondersendungen, die monatelang nach jeder Hauptnachrichtensendung liefen oder in Diskussionrunden. Bei den Nachrichten eher weniger. Das liegt auch daran, das viele Wissenschaftler, wie ich, Angst davor haben, wenn sie etwas kurz ausdrücken sollen, das sie wichtige Dinge weglassen oder falsch verstanden werden. Sie passen in das typische Nachrichtenformat mit kurzen Statements nicht herein. Ich hätte trotzdem mehr von denen gehört die sich mit der Materie auskennen und nicht den Kommentar irgendeines Oppositionspolitikers zu den Beschlüssen der Regierung. Das nützt mir nichts. Was interessiert mich die Meinung von Lindner, Gauland oder Hofreiter wenn ich Fakten brauche, was ich selbst tun soll oder wie ich mich verhalten soll.
Logisches Vorgehen täte allgemein der Politik gut. Es gibt da derzeit wenig Logik und zwar auf allen Gebieten. So hat Scholz als er das Konjunkturpaket vorgestellt hat gesagt, man könne sich das leisten, weil man nicht die Verschuldungsschwelle von 80 % des Bruttoinlandprodukts erreicht habe. Äh und was ist daran logisch? Diese 80 % Grenze ist eine willkürlich gesetzte Marke, keine Naturkonstante wie die Lichtgeschwindigkeit und wenn man sie reißt, wird sicher die Politik sie auf 100 % setzen. Vor allem – es mag eine qualitative Beziehung zum Staatshaushalt geben in dem Sinne, das je höher das BIP ist desto höher die Steuereinnahmen sind. Aber Schulden hängen auch mit Staatsausgaben ab und der Steuerpolitik. Vor allem ist das BIP wohl deswegen gewählt, damit die Grenze kleiner ist. Es heißt nämlich, das die Staatsschulden maximal 80 % der gesamten Wirtschaftsleistung, das ist das Bruttoeinkommen aller Beschäftigten, die Gewinne aller Unternehmen vor Steuern eines Jahres ausmachen dürfen. Das sind pro Kopf der Bevölkerung rund 40.000 Euro. Das klingt dann schon etwas beängstigender und man könnte was eine direkte Entsprechung wäre auch die Staatsverschuldung auf die Staatseinnahmen beziehen, dann sähe es so aus, das um die Schulden abzubauen, der Staat 6 Jahre lang alle seine Einnahmen aufwenden müsste.
Das die Politik in Sachen Klimawandel nicht der Logik folgt habe ich schon mehrfach hier aufgedröselt. Zugegeben kommen beim Klimawandel kommen zwei Dinge zusammen die für Politiker ungünstig sind: es ist eine globale Aufgabe. Eigene Anstrengungen wirken sich also nur bedingt aus und es ist ein langfristiges Ziel. Politiker denken meist nur in Wahlperioden also 4 oder 5 Jahren. Doch auch unter der Prämisse findet sich viel Unlogik in der Klimapolitik. Was mir auffällt, ist das man die Klimapolitik trotz nationaler Ziele wie „40 % weniger Kohlendioxid Emissionen als 1990“ nicht als ganzheitliche Aufgabe sieht. Stattdessen gibt es einzelne Aspekte, die isoliert betrachtet werden wie Verkehr, Heizen, Stromerzeugung. Eine logische Klimapolitik wäre es zu sehen, wo man mit dem vorhandenen Geld am meisten bewegen kann. Man kann für 10.000 Euro sich eine neue Heizung kaufen die 10 % an Energiekosten einspart oder eine Fotovoltaikanlage, die so viel Strom produziert der in Energieäquivalente umgerechnet 30 % des Verbrauchs an Erdgas oder Öl für die Heizung entspricht. Gefordert wird von der Politik aber das erste und das andere wird auf das Klimaziel nicht angerechnet. Natürlich reicht der Strom im Winter nicht zum Heizen, doch da wäre es an der Politik eine Infrastruktur zu schaffen, die die Energie aus Strom im Sommer speichert (z.B. durch Gewinnung von Wasserstoff oder Methan), die man dann im Winter nutzen kann. Ebenso ist den meisten klar das der Individualverkehr energetisch die größte Verschwendung ist, aber anstatt die Leute dann von diesem weg zu bewegen und natürlich auch Alternativen bereitzustellen meint man, man löse das Problem mit Elektroautos die dann etwas weniger Energie pro gefahrenem Kilometer brauchen. Andere Wege, die das Problem global sehen, indem man zum Beispiel Geld ausgibt, das woanders wo die Energieeffizienz noch weitaus schlechter ist als bei uns Kohlendioxid einspart oder man woanders aufforstet, um Kohlendioxid zu binden – bei uns fehlen ja die Flächen dazu, denkt man nicht mal an.
Dabei handelt es sich hier um eine Aufgabe, die auf physikalischen und chemischen Gesetzen basiert, also Naturwissenschaft pur. Die meisten Dinge, die die Politik beschließt, haben aber primär mit den Menschen und ihrem Verhalten zu tun, das nur bedingt logisch ist, so auch die Politik. Auch hier täte mehr Logik gut. Nehmen wir mal das Thema Gleichberechtigung. Im Grundgesetz steht ja alle Menschen sind gleich, aber so richtig gleich sind sie nicht. Vor einigen Wochen ging durch die Nachrichten, das Schwule nur Blut spenden dürfen wenn sie einen Jahr lang keinen Sex haben. Ich dachte zuerst „Hä, in welchen Zeiten leben wir“, aber Politiker von CDU und AfD verteidigten das noch. Dabei ist schon offensichtlich das die Vorschrift blödsinnig ist. Denn wie bitte will man kontrollieren, ob jemand ein Jahr lang keinen Sex hatte? Aber hier sind die Menschen immer noch nicht gleichberechtigt. Das gilt, auch wenn z.B. ein gleichgeschlechtliches Pärchen ein Kind adoptieren will, bei zahlreichen Regelungen, in denen ein Partner für den Anderen Entscheidungen fällen darf, z.B. weil dieser nicht in der Lage dazu ist. Wenn ich das Grundgesetz ernst nehme, dann sollte ich der Logik nach alle diese Hemmnisse, die es gibt, abbauen. Dazu gehören dann auch Privilegien wie z.B. das Ehegattensplitting. Warum gibt es das für Paare mit Trauschein aber nicht für welche ohne Trauschein? Vor allem macht es keinen Sinn. Es ist ja nicht so, das der Staat Ehen fördert, damit es mehr Kinder gibt, die man braucht um die Bevölkerung und damit das Renten und Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, sondern es wird die Ehe an sich, auch wenn sie kinderlos ist, bevorzugt. Das Gesetz wurde von den Nazis 1934 eingeführt, nachdem in der Weimarer Republik eine Vorgängerregierung eben wegen der Gleichberechtigung, abgeschafft wurde. Die Wikipedia schreibt dazu „Diese Maßnahme hatte das Ziel, Frauen vom Arbeitsmarkt zu verdrängen. Zum einen erhoffte man sich in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit eine Verknappung des Arbeitskräfteangebots. Zum anderen entsprach die Rolle der Frau als Mutter und Hausfrau dem nationalsozialistischen Gesellschaftsbild.“. Und das soll ein Leitbild für unsere heutige Gesellschaft sein, wo bleibt da die Logik?
Zumindest Logik sollte etwas mehr in die Politik einziehen. Weiterhin basiert Naturwissenschaft auf Tatsachen. Politik dagegen oft auf Annahmen und Behauptungen, manchmal und bei einer Partei ziemlich oft, auch auf Lügen. Auch eine Rückbesinnung auf diese wäre sinnvoll. Zu den Dingen, die man als Wissenschaftler auch lernt, ist es, die eigene Kompetenz einzuschätzen. Also wo endet die eigene Expertise, auch das war im Beitrag von Kebekus ein Thema. Die Medizin macht Vorschläge wie man eine Epidemie eindämmen kann. Welche Auswirkungen diese in der Praxis haben, was man umsetzen sollte und was nicht sagt sie aber nicht, denn das ist keine naturwissenschaftliche Fragestellung, sondern eine wirtschaftliche und soziale. Politiker sollten daher auf die hören, die von einer Materie mehr verstehen, tun das aber nur äußerst selten, selbst wenn sie extra zur Beratung ein Expertengremium eingesetzt haben, wie man beim Kohleausstieg und der Klimakomission sah.
Das klappt vor allem deswegen, weil auch die Menschen in ihrem Wahlverhalten nicht der Logik folgen, sondern Vorlieben, Vorurteilen oder einfach der Gewohnheit. Würden alle Menschen vor der Wahl sich über die Wahlprogramme der Parteien informieren und dann die Partei wählen, die ihre Interessen am besten vertritt, ich wage die Prognose die Sitzverteilung im Bundestag würde sich deutlich verändern.