Bernd Leitenbergers Blog

Was an mir vorbeigegangen ist … das Smartphone

In meinem heutigen Beitrag in der Rubrik „Was an mir vorbeigegangen ist … „ – über Dinge die die meisten haben oder tun, ich aber nicht, widme ich mich einem verhältnismäßig neuen Phänomen, dem Smartphone. Der Begriff wurde 1999 von Erikson geprägt, aber als Vorreiter gilt Apple mit dem iPhone, das 2007 auf den Markt kam. 2021 hatten 88,9 Prozent der Bevölkerung ein Smartphone, ich gehöre zu den restlichen 11,1 Prozent. Berücksichtigt man, dass Kleinkinder wahrscheinlich noch kein Smartphone haben weil sie noch nicht lesen und es noch nicht bedienen können und ganz alte auch seltener, dann gehöre ich in meiner Altersgruppe der 50 bis 60-Jährigen wohl zu einer Ausnahme, das scheint so selten zu sein, dass ich deswegen schon Interviewanfragen bekam.

Warum dem so ist, dafür gibt es vier Gründe. Ich fange mal mit dem ältesten. Das Smartphone ist wie der Name schon sagt, ein Telefon mit „intelligenten“ Zusatzfunktionen, Apps, wenn man es aber herunterbricht einfach ein Telefon mit Internetzugang und Anwendungen, die Daten austauschen. Also eine Art tragbarer Computer mit Mirko und Kopfhörer. Die Kernfunktion ist bei den meisten nicht mehr das Telefonieren, aber das ist der Ursprung der Technik.

Ich telefoniere nur ungern. Das hat mit meiner persönlichen Geschichte zu tun. Mein Vater hatte ein kleines Baugeschäft und es gab ein Telefon für die ganze Familie. Er war natürlich selten da, immer auf dem Bau außer abends oder wenn er in der Nähe war, auch mittags. Die meisten Anrufe kamen aber für ihn. Da man damals nicht wusste, wer anruft, musste man erst mal abnehmen. Viel helfen konnte ich nicht, höchstens mir etwas merken was ich ausrichten sollte oder etwas aufschreiben. Für mich kam nie ein Anruf. Logisch, die Freunde die ich hatte, gingen auf die gleiche Schule, man sah sich täglich und wenn man etwas ausmachte dann konnte man das in der schule tun. Ich erinnere mich aber noch heute sehr gut daran, wie mich das Telefon unzählige Male gestört hat. Auf der Toilette, in der Badewanne oder ich kam gerade heim, um das Klingen zu hören, zu spurten und bevor man am Telefon war, hatte es doch wieder aufgehört zu klingen.

Die nächsten Jahrzehnte war ich dann meistens nicht zu Hause. Aber viel geändert hat sich nicht. Beim Studieren hat man viel mit den Kommilitonen gemacht, zusammen gelernt wenn man nicht sowieso den ganzen Tag zusammen in Vorlesungen saß oder im Labor arbeitete.

Ende der Neunziger kam dann der Handyboom, ein erster Vorgeschmack wie schnell sich eine Technologie allgemein durchsetzen kann. Die Argumentation für das Handy war, das man damit „überall erreichbar sei“. Das Argument hat mir schon damals nicht eingeleuchtet. Das Argument mag bei Berufen ziehen wo schnelle Reaktionen nötig sind. Jemand der bei der freiwilligen Feuerwehr ist und dann schnell von der Arbeit zum Feuerwehrhaus muss, oder Notärzte. Die meisten anderen Personen haben keinen Nachteil wenn sie einige Stunden später am Abend angerufen werden, wenn sie in der Nähe des Festnetzanschlusses sind. Also ich kannte niemand der das Bedürfnis hat mich tagsüber anzurufen und bei dem das nicht bis zum Abend warten kann. Ich vermute das Argument zieht aber dem Teil der Bevölkerung der sich für wichtiger als andere hält. So schaffte ich mir kein Handy an. Sehr bald behielt ich auch recht, denn das Gebimmel wurde so nervig, das es bald bei Arbeit und Studium Handyverbot gab. Man müsste sie ausschalten. Das war es dann mit „überall erreichbar“. Als Lösung gab es dann die SMS, die man in der Pause lesen konnte, das ging schneller als die ganze Mailbox abzuhören, wobei ich denke das die meisten wie ich wenn sie eine Mailbox dran haben einfach auflegen und später nochmal anrufen. Eine Sekretärin an ihrem Institut kam nach eigenen Angaben auf bis zu 200 SMS am Tag.

Ich denke das ich kein Smartphone habe, liegt auch daran, das eigentlich das Smartphone eine Weiterentwicklung des Handys ist, das heißt wenn man schon keinen Sinn für ein Handy sieht, wozu dann noch mehr Geld für ein Smartphone ausgeben?

Der zweite Grund ist ebenfalls persönlicher Natur und diesmal sogar biologisch. Seit Geburt habe ich vier Sehfehler: Schielen, Nystagmus (Augenzittern), Hornhautverkrümmung und als Folge der ersten drei Fehler fehlendes dreidimensionales Sehen. Für das Smartphone wichtig ist, dass ich mit Brille etwa 30 bis 35 Prozent Sehschärfe habe. Das heißt, ich muss nahe ran um etwas zu erkennen. Bücher sind nahe vor meinen Augen oder ich lese ganz ohne Brille, da sie zwar alles schärfer macht aber auch verkleinert. Mein Computermonitor ist 50 bis 60 cm vom Kopf entfernt und eigentlich kein Monitor, sondern ein 32 Zoll Fernseher, der aber nur auf HD-Auflösung eingestellt ist, normal ist bei 32 Zoll Monitoren eine höhere Auflösung. Mit einem Smartphone werde ich nicht glücklich. Der Bildschirm ist zu klein, wenn ich eine Lupe einschalte, sehe ich zu wenig oder Kontrollen sind nicht mehr da. Wofür also Geld für ein Gerät ausgeben das ich nur eingeschränkt bedienen kann?

Der dritte Grund ist der fehlende Sinn. Also welchen Nutzen bringt mir ein Smartphone? So wie ich es sehe ist es ein tragbarer Computer im Miniformat. Ich arbeite ja viel am Computer. Meine Bücher schreibe ich dort, recherchiere, mache Blogs und in den letzten Jahren spiele ich auch viel. Aber ich muss nicht dauernd dran sein. Manchmal vergesse ich sogar die Mails für einen Tag abzurufen. Jahrelang war ich zweimal im Jahr für eine Woche gar nicht erreichbar wenn ich mein Ferienhaus zum Großputz ging. Dort gibt es zwar einen Internetanschluss, aber ich hatte keinen Computer dort. Seit 2013 habe ich erst einen raspberry Pi zum Mailabrufen mitgenommen, seit 2018 ist ein Refurbished-Mini PC stationär dort. Meine Erfahrung ist, dass es ohne Computer besser geht, man kommt nicht auf die Idee „Ach jetzt kannst Du doch was nachgucken“ und bleibt dann doch am Computer hängen. Da ich in der Woche eigentlich genug zu tun habe, ist das eher kontraproduktiv. Dinge wofür sich ein Smartphone eignet, aber nicht ein Computer, mache ich nicht. Ich laufe nicht in unbekanntem Gelände herum, das ich GPS und Karten brauche. Vor einigen Jahren wäre eine nützliche Anwendung gewesen das ein Smartphone online übersetzen kann und zwar gesprochene Sprache, denn meine Schwägerin kommt aus der dominikanischen Republik und spricht Spanisch als Muttersprache, aber ich sah sie selten und mein Bruder mit dem sie verheiratet ist und den ich auf die Möglichkeit hinwies meinte sie sollte Deutsch- lernen und Deutsch spricht sie mittlerweile auch gut.

Der vierte Grund ist, das ich mir ein technisches Gerät kaufe, das innerhalb kürzester Zeit veraltetet ist. Mir war das schon früh klar. Ich habe erwähnt das Apple 2007 das Iphone auf den Markt brachte. Ein Jahr später recherchierte ich für mein Buch Computergeschichte(n), bei dem es auch um die beiden Apple Gründer geht. Ich stellte erstaunt fest, das es Leute gab die vor Apple-Shops biwakierten um als einer der ersten ein neues iPhone zu kaufen. Das kostete 800 Euro und die Käufer hatten zumeist schon das erste Modell. Eine Firma die ihre Kunden dazu bringt, alle ein bis zwei Jahre jeweils das neuste Modell zu kaufen, ist was besonderes – als Folge kaufte ich mir Apple Aktien. Heute ärger ich mich nur darüber, dass ich damals nur 3.000 Euro investierte, denn sie sind ein Vielfaches heute wert.

Das Gerät bleibt ja, aber es bekommt nach zwei Jahren meist keine Updates mehr, was für ein Gerät das am Internet hängt ein K-O Kriterium ist. Vor allem kann man dann keine neueren Apps installieren, was da inzwischen das Smartphone auch von Behörden entdeckt wurde, schlimm ist. Und alle zwei Jahre mehrere Hundert Euro für ein Gerät auszugeben das ich eigentlich nicht benutze, ist nicht mein Ding.

Dabei ist das Smartphone unpraktisch. Es ist zu groß, zu schwer und unflexibel, als das man es in der Hosentasche tragen könnte, womit das Überall-Erreichbar Kriterium schon ausgeträumt ist, denn die Hälfte des Jahres laufe ich in der Regel ohne Jacke rum. Bei mir würde es wahrscheinlich schnell kaputt gehen. Das Abschreckende sind aber die Smartphone-Nutzer, denen ich überall begegne. Ich lege alle meine Strecken mit dem Fahrrad zurück und da erkennt man sie selbst von hinten. Sie torkeln auf dem kombinierten Geh-/Fahrradweg um die Mitte herum, oder führen Gespräche mit dem Off – besonders unheimlich, wenn sie eine Freisprecheinrichtung benutzen. Vor einem Jahrzehnt hätte man solche Leute wohl in die geschlossene Anstalt eingeliefert. Selbst das Telefonieren finde ich umständlich, weil beim Smartphone anders als ein Handy nicht erkennbar ist, wo man reinspricht, und wo der Hörer ist.

Ich frage mich was die Leute mit dem Gerät machen, das so wichtig sein muss, das sie es nicht mal beim Gehen abschalten können – zweimal sind mir sogar Fahrradfahrer untergekommen, die aufs Smartphone konzentriert waren. Ich vermute mal nachschauen was irgendwelche Leute geostet haben denen man „folgt“. Ehrlich gesagt: mich interessiert nicht was Promi-X, Influenzer-Y oder selbst Bekannter-Z von sich gibt, außer es betrifft mich persönlich. Wozu soll ich also alles lesen was er postet und wenn es mich betrifft, dann nehme ich an, kann er mich kontaktieren. Deswegen schreibe ich auch nur auf meiner Website, ich bin nicht bei Fachebook, Instagram oder Tik-Tok und seit Musks Übernahme von Twitter auch nicht mehr dort. Den Account brauchte ich auch nur zum recherchieren weil das eingeloggt einfacher geht als über eine Suchmaschine, gepostet habe ich seit Jahren nichts.

Ich wehre mich nicht gegen Technik allgemein. Seit 6 Jahren habe ich ein Handy – meine Bank gab vergünstigte Konditionen, wenn man die Aktionen online erledigt, wofür man aber eine SMS-Tan empfangen können muss. Dafür und nur dafür nutze ich das Handy. Das Guthaben wächst von Jahr zu Jahr weil sonst die Karte gesperrt wird wenn ich nicht einmal pro Jahr für 15 Euro neues Guthaben kaufe, aber die Ersparnis beim Online-Banking liegt deutlich darüber.

Ich sehe es kommen, dass man nicht ohne Smartphone auskommen wird. Als Corona begann musste man nachweisen, dass man getestet oder geimpft ist. Das betrifft bei mir vor allem das Schwimmen, das ich häufig tue. 2020 habe ich mir das ausgedruckt und an der Kasse war es schnell eingescannt, wesentlich schneller als Leute ihr Smartphone aus der Tasche geholt und den QR-Code mit der App angezeigt haben. Schon ein Jahr später hatte es sich gedreht. Wer ein Smartphone mit der Luca App hatte, der konnte durch Vorziegen rein, ich musste trotz digitalem Impfausweis auf Karte einen Fragebogen auf Papier ausfüllen und gedacht ist, dass man das Bargeld abschafft und dann nur noch über Apps bezahlt, das 49-Euro Ticket sollte nach dem ersten Entwurf ja auch nur digital verfügbar sein, das scheint aber nun gekippt worden zu sein.

Ich hoffe es kommt nicht dazu, denn eine Smartphone-Pflicht ist etwas anderes als eine Internet-Pflicht die es z.B. ja schon beim Abgeben der Steuererklärung gibt. Wer kein Internet hat ist abgeschlossen von vielen Informationsquellen, er lebt praktisch auf einer einsamen Insel. Daher hat man in Frankreich als Strafe auch das sperren des Internetzugangs eingeführt. Ohne Smartphone kann man durchaus leben, es ist nur ein Add-On. Insbesondere Behörden und öffentliche Institutionen wie Verkehrsbetriebe sollten erst mal anfangen, ihre internen Prozesse übers Internet einfach (nicht so wie bei der Grundsteuererklärung) zugänglich zu machen anstatt einen Smartphone-Zwang einzuführen.

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