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Apollo: Stimmt es das man die Saturn V nicht mehr nachbauen kann?

Um die Saturn V ranken sich einige Mythen, immer wieder hört man, man könnte die Rakete heute nicht mehr nachbauen, weil man nicht mehr über die Baupläne und Blaupausen verfügt. Dem ist nicht so. Man erwog zeitweise eine Schwerlastrakete zu bauen um für SDI Nutzlasten zu starten und einer der Vorschläge für diese war auch die Saturn Hardware einzusetzen. Damals (1991) sagte Rocketdyne, das man ohne Probleme die F-1 Triebwerke erneut nachbauen könnte und für die neuen Trägerraketen Ares I+V will man das J-2X ein aus dem J-2 entwickeltes Triebwerk dessen Erprobung schon vor 40 Jahren abgeschlossen wurde einsetzen.

Bei der Saturn V ist die Aussage das man noch alle Unterlagen hat, relativ gesichert, weil sie vollständig am Marshall Space Flight Center (MFSC) entwickelt und gebaut wurde. Später ging die NASA dazu über die Entwicklung der Industrie zu übertragen (Die wollte das auch bei der Saturn V, doch Wernher von Braun, der das know How im eigenen Haus halten wollte wehrte sich vehement dagegen, so wurden die Saturn Trägerraketen im MFSC entwickelt und die ersten Exemplare auch dort gebaut.) Ein Auftragnehmer hat jedoch nicht die generelle Pflicht alle unterlagen an die NASA zu übergeben oder diese selbst unendlich lange zu archivieren. So dürfte es eher unwahrscheinlich sein, dass man in 20 Jahren das Space Shuttle wird nachbauen können.

Die Frage ist aber auch: Nützen die Baupläne so viel? Es gab nicht in den letzten 40 Jahren die große Revolution im Raketenbau, jedoch eine gewisse Evolution und vieles was in den Sechziger Jahren ganz neu war ist heute völlig veraltet wie zum Beispiel. Schweißtechniken und Materialen. Composite Materialen wie Graphitepoxidkunststoffe waren bei der Entwicklung der Saturn V unbekannt, heute bestehen strukturell beanspruchte Teile aus diesem Material anstatt aus Edelstahl und es gibt nun sogar große Feststoffbooster aus CFK-Werkstoffen wie die Booster der Atlas V und die erste Stufe der Vega. Die Tanks der Saturn V bestanden aus der Aluminiumlegierung 2219. Beim Super Lightweight Tank des Space Shuttles benutzte man die Legierung Aluminium 2195, welche die Masse des Wasserstofftanks um 25 % gegenüber der Standardlegierung 2219 reduzierte.

Ein zweiter Grund ist das man zwar die Kontruktionsunterlagen gesichert hat, aber sicher nicht alles was damals an Dokumentation entsandt, das F-1 Triebwerk wurde enorm intensiv getestet, es liefen schließlich 2471 Tests auf - dabei entstanden auch Dokumentation und es gab natürlich Niederschriften die aus der Fertigung resultieren und dann Arbeitsvorschriften wurden und beschrieben wie man etwas tat und worauf man achten musste. Diese Unterlagen sind wahrscheinlich zum größten Teil verloren. So wird man wenn man die Triebwerke oder die Rakete nachbaut neue Erfahrungen machen müssen und alles erneut qualifizieren müssen. Mit Sicherheit ist aber der Aufwand immer noch kleiner als wenn alles neu ist.

Es macht nur begrenzten Sinn die gesamte Rakete nachzubauen. Am sinnvollsten ist der Aufwand sicher bei einem Triebwerk. Einfach deswegen weil es nicht mit der Konstruktion getan ist. Man braucht danach viele Tests um die ganzen Kinderkrankheiten zu finden, es zu perfektionieren, zuverlässiger zu machen. Ein ausgetestetes Triebwerk mit einer langen Einsatzgeschichte ist Gold wert. Oder warum tut das RL-10 (Erstflug 1962) heute noch seinen Dienst? Warum setzt die Delta das RS-27 ein (basierend auf dem H-I, der Saturn IB, Erstflug 1965) und die Ariane 5 das HM-7B (Erstflug 1979) der Ariane 1-4?

So verwendet man für die Ares I+V ja auch das J-2X welches ebenfalls auf dem J-2 der Saturn V basiert Ja man hat sogar noch Triebwerke zur Verfügung. Von dem F-1 z.B. 33 Stück die eingelagert sind (plus 10 in zwei Saturn V die nie gestartet wurden).

Wie ist es nun zu diesem Mythos gekommen? Nun nach dem Apollo Programm gab es eine riesige Entlassungswelle bei der NASA. Nach den US Bestimmungen für Angestellte war die Gefahr um so größer je länger man im Projekt war. So mussten vor allem die erfahrensten Mitarbeiter ihre Koffer packen. Mehr noch: Es gab seitens der NASA Hauptverwaltung den Auftrag die NASA Center zu amerikanisieren, das heißt vor allem dafür zu sorgen, dass die Führung aus Männern bestand die in Amerika geboren waren. Das betraf vor allem die deutschen, welche im MSFC in Führungspositionen aufgerückt waren, aber auch im Kennedy Space Center Direktoren waren.

Als Folge verlor die NASA ihre besten und erfahrensten Mitarbeiter. Das nächste Großprojekt, der Space Shuttle wurde dadurch erheblich teurer und lag mehr als 2 Jahre hinter dem Zeitplan zurück. Das trug dann dazu bei, dass man irgendwann einmal glaubte, man könnte die Saturn V nicht mehr neu bauen, ganz einfach weil das Know-How in den Köpfen nicht mehr vorhanden ist. Es ist eine Sache einen Bauplan zu haben und eine andere praktische Erfahrungen mit dem Bau zu haben.

Den Text bis hierhin habe ich am 30.3.2009 geschrieben. Seitdem hat sich einiges getan. Die NASA hat seitdem das damals für die zweite Stufe der Ares V vorgesehene RS-25 Triebwerk des Space Shuttle durch eine Variante des J-2S Treibwerks ersetzt, das J-2X. Das J-2S entstand wiederum aus dem J-2 das in der Saturn V eingesetzt wurde. Es war für leistungsgesteigerte Versionen beim zweiten Produktionsloses vorgesehen. Das J-2S war vollständig qualifiziert als man mit dem Beschluss nur die erste Serie von 15 Saturn V zu bauen die Entwicklung einstellte. nun holte die NASA zwei Exemplare aus der Langzeitlagerung und baute sie um. Sie erhielten die neuere Turbopumpe des Aerospike-Triebwerks die wiederum aus der J-2 Turbopumpe entwickelt wurde und es erhielt eine Düsenverlängerung die ungekühlt war und so einfach an das Düsenende angeschweißt werden konnte. Dieses Triebwerk wurde dann qualifiziert, doch da zwischendurch die Ares V eingestellt wurde und die SLS substanziell kleiner ist wurde nach der Qualifikation die Exemplare wieder eingelagert. Die Episode zeigt aber auch: ein Nachbau wäre heute möglich, sonst würde man nicht die damals schon über 40 Jahre alten Triebwerke aus der Lagerung holen.

Ebenso ist eine Variante des F-1, das F-1B im Gespräch für neue Booster der SLS. Bei den F-1B handelt es sich um eine Variante des F-1A das wiederum aus dem F-1 der Saturn Erststufe entstand. Das F-1A hatte einen höheren Brennkammerdruck von 78 anstatt 70 Bar und dadurch einen höheren Schub, war aber ansonsten weitestgehend unverändert. Das F-1B verändert die Konstruktion indem es um das Triebwerk billiger zu bauen es vereinfacht. So entfällt der Ring um die Düse in der man das Abgas der Turbopumpe zur Nachverbrennung injizierte.

Beide Episoden zeigen, das man Triebwerke nachbauen kann. Natürlich mit modernen Anlagen und Verfahren. Das ist auch nicht ohne Beispiel. Als die NASA die Saturn IB einstellte hatte sie so viele Triebwerke von Rocketdyne auf Vorrat gekauft, das man einen Vorrat hatte der einer neuen Verwendung zugeführt werden sollte. Man entschloss sich das Triebwerk in der Delta einzusetzen, die ein Triebwerk mit ähnlichem Schub und derselben Treibstoffkombination einsetzte. Man schloss die Produktionslinie 1968 und erst als die Triebwerk verbraucht waren - 1989 eröffnete man sie erneut, dafür musste man natürlich eine neue Fabrikation mit aktuellen Anlagen und Maschinen aufbauen. Dann kommen eben die aktuellen Technologen zum Einsatz. Damals CNC-Fertigung heute wäre dies 3D-Druck.

Etwas anders ist es bei Strukturen, also den Tanks. Zum einen muss man diese nicht intensiv testen wie neue Triebwerke. Zum anderen sind diese bei einer Rakete nicht der Kostentreiber. Bei der Atlas machen Strukturen ein Drittel der Kosten aus, die Triebwerke zwei Drittel. Heute geht auch der Trend eher zu höheren Strukturfaktoren mit mehr Reserven als zur Apollozeit. So haben aktuelle Stufen ein schlechteres Voll/Leermasseverhältnis als die Saturn V.

Artikel erstellt am 30.3.2009, Artikel zuletzt bearbeitet am 22.7.2019

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© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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