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Technische Spinnereien: Phobos Grunt 2

Einleitung

Phobos Grunt ging fast unmittelbar nach dem Start verloren. Die Ursache wurde nicht ganz genau bekannt, aber es scheint eine Kombination von Softwarefehlern und Verwendung nicht weltraumtauglicher Hardware zu sein. Phobos Grunt fand so nicht statt. Doch könnte man die Mission nicht doch noch durchführen. Nun  man könnte die Raumsonde einfach nachbauen, doch ich halte dies für nicht sinnvoll. Die Raumsonde bestand zum größten Teil aus Treibstoff. Von 13.500 kg in einem Erdorbit kamen noch 1.570 in einen Übergangsorbit zu Phobos und die Landestufe wog trocken nur 730 kg, wozu noch eine 296 kg schwere Rückstartstufe (auch diese mit 148 kg Treibstoff) kam. Die gesamte Trockenmasse der Raumsonde, ohne Treibstoffe lag bei etwa 900 kg. (Genaue Daten gibt es leider nicht, nur bruchstückhafte, die nur eine grobe Rekonstruktion ermöglichen).

Bei Phobos Grunt kam dieses Missverhältnis durch eine neue Startmethode zustande. Anders als andere Raumsonden wurde sie nicht direkt zum Mars transportiert, sondern die Fregatoberstufe wurde ins Antriebssystem integriert und musste auch die Beschleunigung aus einem Erdorbit aus starten. Bei einer herkömmlichen Startmethode wäre die Nutzlast zum Mars bei etwa 3,1 t gelegen. Trotzdem bestand die Raumsonde noch zu mehr als zwei Dritteln aus Treibstoff.

Gerade bei einer Mission die nicht nur eine Marsumlaufbahn einschwenken sondern wieder zur Erde zurück gelangen soll muss die Bahn und die Geschwindigkeit mehrmals verändert werden, was viel Treibstoff kostet. Daher habe ich eine PG-2 Mission skizziert, die effizienter ist.

Himmelsmechanisches und Grundvoraussetzungen

Wer mich kennt, weiß, das ich ein "Fan" von Ionenantrieben bin, ich vertrete die Meinung sie so bald einzusetzen wie möglich, das heißt bei Planetensonden schon den Transfer zum Planeten mit ihnen durchzuführen und so die Nutzlast zu maximieren, auch wenn es länger dauert die Erde zu verlassen. Für diese Mission habe ich mich an dem orientiert, was es schon umgesetzt ist. sowohl technisch wie auch in der Missionsplanung das ist:

Bei den Geschwindigkeitsberechnungen gibt es einige Unterschiede zu Phobos Grunt. So kann eine Sonde mit niedrigem Schub nicht vom hyperbolischen Exzess profitzieren. Dieser resultiert letztendlich aus dem Energieerhaltungssatz - es macht einen Unterschied ob man bei der hohen potentiellen Energie um einen Planeten einen Kilometer pro Sekunde addiert oder nicht, dann hat man jenseits der Einflußsphäre deutlich mehr Geschwindigkeit als einen Kilometer pro Sekunde.

Hier eine Gegenüberstellung der Geschwindigkeitsanforderungen für Phobos Grunt und Phobos Grunt 2. Neben dem Einsatz des Ionenantriebs ab Verlassen der Erdumlaufbahn gibt es noch die Änderung dass nach einer ersten Marsumlaufbahn mit Aerobraking abgebremst wird. Phobos Grunt schwenkte in einen minimal 800 km hohen Orbit ein. Damit war kein Aerobraking möglich. Die Sonde muss sich daher stärker Mars nähern um Aerobraking durchführen zu können. Als Starttermin habe ich das übernächste Startfenster Anfang 2016 vorhergesehen. Die Rückreise kommt dann zwei Startfenster später. Die Berechnungen erfolgten mit ipto_ocs von C.E. Eagle.

Parameter Phobos Grunt Phobos Grunt 2
Starttermin: 9.11.2011 15.1.2016
Δv 3625 m/s 3362 m/s
Ankunft: 10.9.2012 18.10.2016
Δv 2706 m/s 3746 m/s (solare Geschwindigkeitsänderung + 103 m/s relativ zum Mars
Geschwindigkeitsänderung für ersten Orbit 855 m/s 849 m/s
Umlaufbahn 800 x 79.000 km 200 x 75.900 km
Erster Zwschenorbit 8.10.2012  
Δv 653 m/s 0 (629 m/s ohne Aerobraking)
Orbit um Phobos erreicht 14.1.2013  
Δv 457 m/s 546 m/s
Rückstart September 2013 25.6.2020
Δv 2050 m/s 3757 m/s (solare Geschwindigkeitsänderung) + 885 m/s relativ zum Mars
Ankunft bei der Erde August 2014 10.3.2021
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Beim Design gibt es nun zwei Wege: Man kann nun die Startmasse von Phobos Grunt nehmen und errechnen, welche Sonde mit derselben Startmasse möglich wäre, oder man errechnet, welche Startmasse eine mit Phobos Grunt vergleichbare Raumsonde hätte.

Bei Phobos Grunt wog die Landestufe 730 kg. Sie trug noch eine Rückstartstufe die zur Erde zurückkehrte, doch die brauchen wir nicht, da die gesamte Raumsonde zurück zur erde fliegt. Von den 730 kg Trockengewicht von PG gehen aber noch die Tanks und Triebwerke ab, Sie wiegen bei einer maximalen Treibstoffzuladung von 1030 kg sicher 130 kg. Auf der anderen Seite braucht auch die Sonde etwas chemischen Treibstoff um auf Phobos zu landen und zu starten, 100 m/s reichen bei der niedrigen Schwerkraft sogar für eine Landung auf Deimos als zweitem Ziel aus. Das erhöht die Sondenmasse (Gesamtgewicht) um rund 6%.

Gehen wir also in Folge von einer 700 kg schweren Sonde aus. Eine Überschlagsrechnung ergibt mit zwei XIPS Triebwerken eine vertretbare Betriebsdauer von einem Jahr am Stück, das ist konform mit der Lebensdauer von 16000 Stunden (weniger als 9000 Stunden erforderlich). Zur Stromversorgung reichen dann drei 5,5 m Ultraflex Arrays. Die vierte Seite ist steht dann für die Antenne zur Verfügung und die Oberseite für die Rückkehrkapsel.

Nun zur Detailplanung. Benötigt werden neben der Raumsonde im Gewicht von 700 kg Ionentriebwerk, ihre Unterstützungsstruktur und die Wandler für die Erzeugung von Hochspannung. Dies soll in Anlehnung an bestehende Systeme 80 kg wiegen. Dann werden drei Ultraflex-Arrays benötigt. Bei 5,5 m Durchmesser wiegt jedes 40 kg. Xenon braucht Druckgastanks die etwa ein Fünftel ihres Inhalts wiegen. Das ist bei einer Treibstoffzuladung von 350 kg Xenon ein Gewicht von 420 kg mit Treibstoff. Zuletzt braucht man noch einen chemischen Antrieb für die Landung und den Start auf Phobos mit Hydrazin als Treibstoff, er wiegt weitere 80 kg.

Damit gibt es folgende Massenbilanz:

700 kg Sonde

420 kg Treibstoff

120 kg Solararrays

80 kg Triebwerke

80 kg chemisches Antriebssystem

Gesamtmasse: 1.400 kg

Die Raumsonde ist also weniger als halb so schwer als Phobos Grunt (3100 kg die zum Mars gelangen).

Missionslablauf

Nach dem Start muss die Raumsonde zuerst ihre Bahn an die des Mars angleichen und sich zum Schluss einfangen lassen. Dazu muss sie der Perihel anheben. Während des ersten Umlaufs senkt sie dann die Bahn soweit ab, dass diese stabil bleibt und ein Apozentrum von maximal 80.000 km aufweist. Das Anheben des Perihels dauert 180 Tage, was in der Praxis bedeutet, dass man 180 Tage vor dem obigen Startzeitpunkt starten muss, der für einen Minium Energietransfer gilt, aber eben ohne zusätzliche Zeit für den Ionenantrieb.

In den folgenden drei Monaten im ersten Marsorbit senkt die Raumsonde dann ihre Umlaufbahn nur durch Aerobraking ab.

Hat die Umlaufbahn einen marsfernsten Punkt von 6000 km erreicht, so hat sie die Umlaufbahn Phobos mit dem Apozentrum erreicht. Nun kann durch Betrieb des Ionentriebwerks nahe dieses Punktes das Perizentrum angehoben werden. Dies bedeutet einen Gesamtbetrieb des Triebwerks zum Anheben über 48 Tage. Die Gesamtdauer dürfte länger sein, da es nur rund um das Apozentrum betrieben werden sollte. Realistisch braucht man 90 bis 100 Tagen um in eine 6000 km hohe Kreisbahn, nahe Phobos zu erreichen..

Danach ist die Raumsonde in einer Umlaufbahn in der Höhe von Phobos und kann, wie für Phobos Grunt geplant, diesen zuerst mit Fernerkundungsinstrumenten untersuchen und später landen. Der Rückstarttermin hängt neben dem Landezeitpunkt auch von der Dauer der nun folgenden Phase ab in der die Sonde sich zuerst vom Mars entfernt und dann auf der Sonnenumlaufbahn dann die Bahn absenkt. Erst danach ist sie auf einer Hohmannbahn zur Erde. Dies dauert weitere 186 Tage.

In diesem Minimalszenario werden 328 kg Treibstoff verbraucht. Der 350 kg Vorrat ist also ausreichend. Bei der Rückreise beim übernächsten Startfenster  beträgt der Aufenthalt in der Umlaufbahn um Phobos bzw. auf Phobos dann 784 Tage. Das ist ausreichend lange für eine Untersuchung. Eine Rückkehr nur ein Startfenster früher ist wegen der Dauer zwischen zwei Oppositionen von 776 Tagen nicht möglich.

Es gibt aber noch Alternativen, die genutzt werden können. So kann man auf ein Aerobraking verzichten und die Bahn mit dem Ionenantrieb absenken. Das kostet keinen Treibstoff, weil durch das Manöver die Sonde leichter wird und so der verbrauchte Treibstoff bei den folgenden Manövern wieder eingespart wird, da weniger Masse bewegt wird. Es ist möglich beide Manöver zu kombinieren und so gleichzeitig Perizentrum und Apozentrum zu verändern, wenn sich die Sonde während des Umlaufs dreht. Allerdings dürfte es länger dauern als das Aerobraking, da man für die Erniedrigung des Apozentrums das Triebwerk nur nahe des Perizentrums betreiben kann, und dieses wird schnell durchlaufen. Wegen der großen Solarpaneele und wegen der des geringen Geschwindigkeitsbedarfs (anders als bei den US-Orbitern soll ja keine kreisförmige Umlaufbahn erreicht werden, sondern nur eine 200 x 6000 km Bahn mit einem geringeren Geschwindigkeitsbedarf) ist Aerobraking aber die bessere Lösung.

Interessanter ist nach dem Besuch von Phobos noch ein Abstecher auf Deimos. Dafür wurden auch die Treibstoffvorräte beim chemischen Treibstoff ausgelegt. Dies erfordert zum einen 786 m/s mehr um Deimos in seinem höheren Orbit zu erreichen, aber dafür benötigt man dort nur 560 m/s anstatt 885 m/s um den Mars zu verlassen. In der Summe ist der Geschwindigkeitsaufwand nur um 461 m/s höher.  Der Transfer von Phobos zu Deimos dauert 34 Tage, dafür sinkt die Rückreisedauer um 20 Tage. Benötigt werden für dieses Szenario 308 kg Treibstoff, da auch mehr chemischer Treibstoff verbraucht wird und die Sonde so leichter wird.. Die Aufenthaltsdauer könnte so zwischen beiden Monden gesplittet werden. Das Gewicht lässt auch die Mitführung von zwei Rückkehrkapseln zu (die von Phobos Grunt wog nur 16 kg) und so die Gewinnung von zwei Bodenproben von zwei Monden. Die Zeit im Orbit wäre trotzdem pro Ziel um vier Monate länger als wie bei Phobos Grunt.

An der Erde angekommen wäre es das einfachste die Kapsel durch Federn abzutrennen. Die Sonde könnte dann mit dem restlichen chemischen Treibstoff oder etwas Ionentreibstoff die Bahn dann soweit ablenken, dass sie die Erde passiert und nicht aufschlägt. Alternativ könnte man sie auch verglühen lassen. Phobos Grunt hatte keine Instrumente an Bord die effektiv für Fernerkundungen gewesen wären, so wäre die Raumsonde nach Ablieferung der Bodenproben relativ nutzlos.

In der Summe ist die Mission deutlich attraktiver als die von Phobos Grunt. Für Russland hätte sie den Vorteil, dass die Sonde mit einer Startmasse von 1.400 kg kompatibel zur Sojus 2 ist, die je nach Version 1.400 bis 1.450 kg zum Mars transportieren kann.

Zusammenfassung

Gerechnet wurde hier mit US-Komponenten, doch bedeutet das nicht das russische, eventuell nicht so leistungsfähige Komponenten die Mission auf einer Sojus unmöglich machen. So würde der Übergang vom Ultraflex Aray auf ein in Satelliten eingesetzten Solararray die Leistung pro Kilogramm halbieren oder die Betriebszeiten verdoppeln - bei über 700 Tagen im Marsorbit hätte man dann aber immer noch genügend Reserven und hätte eben nur rund 500 Tage für die Monderkundung Zeit. Umgekehrt gibt es in Europa auch leistungsfähigere Ionentriebwerke wie das RIT-22/RIT-XT mit höherem spezifischen Impuls, das senkt den Treibstoffbedarf, ähnliche könnten auch von Russland entwickelt werden oder von EDAS käuflich erworben werden. Russland hat auch eigene Ionentriebwerke, doch gibt es von diesen, wie dem SPT-140 Antrieb zu wenige konkrete Daten.

Die zweite Möglichkeit, die ich nur dem Leser als Anregung überlassen möchte ist es die Trägerrakete nicht zu wechseln und die höhere Nutzlast für eine leistungsfähigere Raumsonde zu nutzen. Wie oben beweisen können etwa 50% der Masse die die Erde verlassen reine Nutzlast, also die Raumsonde sein. Das bedeutet beim Start auf einer Zenit kann eine 1,5 t schwere Raumsonde, doppelt so schwer wie PG transportiert werden. Beim Start mit einer Proton wären es wahrscheinlich sogar 2,5 t. Das erlaubt eine bessere Erkundung oder ganz neue Missionen. So könnte die Raumsonde mit genügend Ionentriebstoff z.B. nach Abliefern der Bodenproben noch weitere kleine Himmelskörper wie erdnahe Asteroiden besuchen und auf ihnen landen. Dazu benötigt sie nur relativ wenig chemischen Treibstoff. Alle NEO sind kleiner als Deimos oder Phobos so müssten 10-20 m/s Geschwindigkeitsänderung pro Asteroid ausreichen. Mit genügend Treibstoff und einigen Rückkehrkapseln an Bord könnte die Sonde über Jahre hinweg mehrere Ziele besuchen und Bodenproben gewinnen und bei der Rückkehr zur Erde jeweils abliefern.



© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.