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Der Langzeitplan für die Venusforschung

Während die NASA die Landung von Perseverance feiert und dabei unglaubliche Videos von den Onboardkameras, gemacht bei der Landung, veröffentlicht hat, will ich mein Augenmark auf den zweiten Nachbarplaneten richten.

Die Venus ist das Stiefkind der Planetenforschung. Obwohl im Prinzip genauso leicht erreichbar wie der Mars – auch das dV für einen niedrigen Orbit ist vergleichbar und die Landung ist wegen der dichten Atmosphäre sogar einfacher, wenngleich man dann durch den Druck und die hohe Oberflächentemperatur andere Probleme hat, gibt es ein gewisses Desinteresse an dem Planeten. Die USA haben bisher nur vier dezidierte Sonden zur Venus entsandt:

Magellan startete 1990, das ist nun über 30 Jahre her. Seitdem haben die USA zum Mars 14 Raumsonden geschickt, seit 1996 bei fast jedem Startfenster. Das zeigt schon das Desinteresse an der Venus. Mehr Interesse gab es seitens Japans mit der Raumsonde Akatsuki und Europas mit Venus Express. Hier fällt auch der Vergleich mit den Marsmissionen der beiden Raumfahrtagenturen (zwei von der ESA und eine Japans) besser aus.

Russland hat bis 1986 insgesamt 16 benannte (und etliche unbenannte Sonden) zur Venus gebracht. Für Russland war wichtig, das die Venus schneller erreichbar war als der Mars, die Sonden eine begrenzte Lebensdauer hatte und die Landung unkompliziert – sie scheiterte ja bei allen vier Marssonden, die landeten. So waren auch nur vier der Sonden Orbiter, der Rest alles Lande- oder anfangs auch Vorbeiflugsonden.

Die Venus hat zwei Dilemmas für die US-Forschung: Die Atmosphäre macht die Beobachtung aus dem Orbit nur mit Radar möglich. Die meisten Instrumente an Bord von Orbitern sind daher unbrauchbar und es gibt keine „pretty nice Pics“. Landesonden leben hingegen nicht lange. Der Rekord liegt bei 127 Minuten auf der Oberfläche. Vor allem aber ist damit klar, dass die Venus niemals Leben hervorgebracht hat. Mit letzterem Argument leistet die NASA Überzeugungsarbeit für ihre Marssonden. Praktisch alle Sonden die seit 1996 starteten haben dieses Thema als Oberbegriff und es wird in den entsprechenden Presskits hervorgehoben. Die Auswahl der Missionen erfolgt zwar durch ein wissenschaftliches Panel, aber sie müssen auch finanziert werden und da können weißes Haus und später Kongress eben die Mittel zusammenkürzen. Eine Multimilliardenmission wie Perseverance oder Curiosity wird man nie in den USA für die Venus finanziert bekommen. Ich habe in dieser Aufsatz meine Vorstellungen für ein echtes, langfristiges Forschungsprojekt für die Venus skizziert, ähnlich wie auch die NASA ein langfristiges Projekt für die Erforschung des Mars hat.

Ich habe mein hypothetisches Programm auf die ESA ausgerichtet, im Prinzip wäre aber eine internationale Ausrichtung möglich. Die Ausrichtung auf die ESA vor allem deswegen, weil man sich ja auch für Trägerraketen entscheiden muss und die legen dann die Masse der Sonde fest. Von der NASA kann man nach den bisherigen Erfahrungen nicht viel erwarten. Russland hat Finanzierungsschwierigkeiten die schon seit 15 Jahren angekündigte Sonde Venera D überhaupt in die Gänge zu bekommen. Aber eine Zusammenarbeit mit China oder Japan wäre denkbar.

Es ist kein großes Programm, sondern eines mit drei Sondentypen:

Der Wetterorbiter

Die japanische Raumsonde Akatsuki ist derzeit im Orbit. Diese Sonde macht vor allem Aufnahmen der Venus in verschiedenen Spektralbereichen. Die Venusatmosphäre zeigt in verschiedenen engen Spektralbereichen eine Struktur und sie rotiert mit einer Periode von 3,5 Tagen. Ein Orbiter in rund 85.000 km Distanz hätte dieselbe Umlaufdauer. Damit wäre es ihm möglich, Veränderungen der Zirkulation unabhängig von der allgemeinen Rotation zu beobachten. Die Ausrüstung könnte wie bei Akatsuki aus mehreren Kameras mit engbandigen Filtern bestehen. Da die Venus in dieser Entfernung immerhin noch fast 9 Grad groß ist, benötigt man keine große Optik – für einen APS-C Chip mit Abmessungen von 14,8 x 22,7 mm und einer Kantenlänge von 15.000 km für das Gesichtsfeld ergibt sich eine Brennweite von 84 mm, also dem Bereich, den auch leichte Teleobjektive für Spiegelreflexkameras mit diesem Sensor abdecken. Da fällt das Gewicht für mehrere Kameras nicht groß ins Gewicht. Ein Filterrad würde mehrere Kameras einsparen, jedoch ist es mechanisch anfällig´und kann steckenbleiben, so bei der Stardust Mission.

Ein zweites Instrument wäre ein abbildendes Spektrometer, das vom visuellen bis nahen Infrarot mit einem HgCdTe-Detektor die Venus beobachtet. Damit sind Spektren zu jedem Oberflächenpunkt anfertigbar. Ein ähnliches Instrument ist VIRTIS an Bord von Venus Express. Besonders interessant sind Spurenbestandteile, da man erwartet das sie von vulkanischer Tätigkeit stammen, um sie aufzuspüren benötigt man aber erheblich feiner aufgelöste Spektren, die man mit einem klassischen (nicht abbildenden) Spektrometer gewinnt. PFS an Bord von Venus Express machte bis zu 16.384 Samples pro Spektrum, Sensoren für abbildende Spektrometer haben dagegen 256 bis 1.024 Pixel. Ein solches Instrument hat aber ein größeres Gesichtsfeld und macht so nur Spektren von wenigen Punkten. Bei Venus Express hat VIRTIS ein 35 bis 70 mal größere Ortsauflösung, dafür nur 1/49-stel der spektralen Auflösung.

Dies wären die wichtigsten Instrumente, sicher wären noch andere zur Untersuchung der Plasmaumgebung und des Magnetfeldes denkbar. Sie machen im hohen Orbit aber relativ wenig Sinn, da ohne Magnetfeld die gesamte Plasmasphäre auf einen planetenahen Bereich komprimiert ist.

Die wichtigste Aufgabe des Klimaorbiters ist aber seine Funktion als Relaysatellit. In seiner hohen Umlaufbahn kann er über lange Zeit eine Antenne auf die Erde ausrichten. Die folgenden Radarsatelliten umkreisen dagegen in knapp 100 Minuten einmal die Venus und verlieren so je nach Stellung der Planeten zueinander bis zu einmal pro Orbit den Funkkontakt und die Erde bewegt sich zudem auch stärker relativ zur Sonde, was die Ausrichtung der Antenne verkompliziert. Zudem müssen sie dann die Venusbeobachtung einstellen. Daher erhält der Orbiter eine große Sendeantenne, gewünscht > 4 m Durchmesser und einen starken Sender > 100 Watt. Er kann damit nicht nur seine Daten, sondern auch die der folgenden Radarsatelliten und von Landesonden übertragen.

In der Primärmission, die ein oder zwei Startfenster (je 582 Tage) dauert, hat er nur seine Wetteraufgaben. Danach überträgt er vor allem Daten der Radarsatelliten. Das Instrument mit einer sehr hohen Datenrate ist das abbildende Spektrometer, das bei einem 1.024 x 1.024 Pixel Chip für eine Aufnahme 1 Gpixel generiert. Während der Primärmission überträgt es ganze Cuben, danach nur noch die Teile, die von Interesse sind und die während der Primärmission ermittelt wurden.

Die Radarorbiter

Das zweite Standbein sind Radarorbiter, ich spreche von der Mehrzahl, weil man in Sachen Kartierung noch viel aufzuholen hat. Es gab bisher acht Orbiter um den Mars, die ihn kartierten. Bei der Venus waren es nur drei und die Venus hat eine viel größere Oberfläche. Daneben arbeiteten Venera 15 und 16 und Magellan viel kürzer als die meisten Marssatelliten. Ich habe daher vier Satelliten vorgesehen, dazu später noch mehr.

Das primäre Hauptinstrument der Radarorobiter ist ein SAR, als wichtigstes sekundäres Instrument kommt rein Radarhöhenmesser hinzu, der insgesamt für die Höhenmessung geeigneter ist als ein SAR. Zwei weitere Instrumente beschäftigen sich mit der Suche nach Vulkanismus. Zum einen eine Kopie des spektral hochauflösenden Spektrometers des Wetterorbiter das durch die Nähe zur Venus bessere Chancen hat Spurengase die aus Vulkantätigkeit stammen nachzuweisen und auch den Ort besser einzugrenzen – das Instrument auf dem Klimaorbiter kann man nutzen, um den Bereich einzugrenzen, wo die Radarorbiter suchen sollen. PFS an Bord von Venus Expres versagte ja schon früh in der Missionsphase. Das zweite Instrument wäre ein Gerät zur Bestimmung von heißen Zonen. Solche fand man in VIRTIS Daten. Ein Gerät das in genau diesen Spektralbereichen arbeitet aber mit einem kleineren Gesichtsfeld könnte nach Hot Spots, wahrscheinlich Vulkane suchen. Weitere Instrumente die man zumindest während eines Teils der Missionsphase nutzen könnte detektieren geladene Teilchen und neutrale tome und Moleküle, wie Massenspektrometer: Die Radarorbiter werden aus einer ersten Umlaufbahn ihre Endbahn durch Aerobraking erreichen und während dieser Zeit nähern sie sich so stark dem Planeten, dass die Teilchen der Ionosphäre direkt nachweisbar sind. Dies kann Monate bis ein Jahr dauern und diese Zeit können diese Instrumente nutzen, um die Ionosphäre der Venus zu erforschen.

Vier Radarorbiter erlauben es nicht nur, die Oberfläche schneller zu kartieren. Sie können auch als Interferometer eingesetzt werden. Dies wird bei der Mission Tandem-X des DLR genutzt, bei dem zwei Radarsatelliten in definiertem Abstand auf derselben Bahn arbeiten, und so der zweite Satellit auch die rückgestrahlten Echos des ersten Satelliten empfangen kann, aber aus einem anderen Blickwinkel. Die Präzision der Höhenangaben wird so enorm verbessert und mit dieser Technik kann das DLR Erdbewegungen im Bereich von 1 cm nachweisen, wie sie z.B. bei Erdbeben aber auch vor Vulkanausbrüchen auftreten. Mit vier Satelliten wären zwei Paare bildbar oder sogar ein Quartett. Alternativ könnte man eine gewünschte Kartierung in einem kleineren Bruchteil der Zeit erreichen.

Atmosphären- und Landesonden

Venera 14Seit den Landeversuchen durch die Pioneer Venus Sonden und den etwas besser ausgestatteten Veneras 9 bis 14 sind mehr als drei Jahrzehnte vergangen. An der Grundproblematik einer Landung – dem hohen Druck und der hohen Temperatur ändert sich aber nichts. Der hohe Druck sorgt dafür, dass viel der Masse auf die Abschirmung entfällt. Die hohe Temperatur sorgt dafür, dass eine Raumsonde nicht lange lebt.

Eine Landesonde hat meiner Ansicht nach eine Doppelaufgabe. Die Atmosphäre selbst ist schon interessant. Es gibt in ihr zahlreiche Spurengase, die wahrscheinlich vulkanischer Natur sind. Sie können durch ein Massenspektrometer heute viel besser untersucht werden als vor Jahrzehnten. Die Sonde sollte daher mit einem Fallschirm, der in etwa 70 km Höhe entfaltet wird, zuerst langsam absinken. Der Fallschirm sollte um mehr Zeit für Analysen zu haben relativ spät abgeworfen werden – ich schlage 27 km Höhe vor, bei 25 km Höhe werden 264 Grad Celsius erreicht, bei 260 °C schmilzt Nylon, aus dem Fallschirme zum Teil bestehen. Die Sonde fällt dann in meiner Simulation (hochskaliert von der großen Pionier Venus Sonde) langsamer als die bisherigen Sonden, bei denen der Fallschirm früher in 45 bis 47 km Höhe abgeworfen wurde. Ich errechne eine Gesamtdauer von 6300 s und eine Auftreffgeschwindigkeit von etwa 10 m/s – 36 km/h oder bei der Erde entsprechend einem Fall aus etwa 5 m Höhe. Das ist eine durch Stoßdämpfer beherrschbare Geschwindigkeit. Bei den bisherigen Landesonden dauerte der Abstieg bei frühem Abwurf des Fallschirms dagegen knapp eine Stunde, also zwei drittel der Zeit.

Am Boden kann man relativ wenig tun. Russland hat mit großem Aufwand versucht Bodenproben zu nehmen, was eine Luftschleuse erforderlich macht, trotzdem hatte man nur die Zeit für einfache Analyseverfahren. Die Sonde wird auch nicht lange genug leben, um Wetter zu überwachen. Die große Unbekannte der Mission ist, wie lange die Sonde überlebt. Ich denke man wird eine definierte Solllebensdauer festsetzen, die man mit vertretbarem Aufwand erreichen kann und die auch sicher erreicht wird. In ihr sollte ein Landepanorama übertragen werden können. Lebt die Sonde länger, so ist es das Sinnvollste die Zeit zu nutzen, um neue Daten zu übertragen, nicht wie bei den Veneras das Landepanorama erneut zu übertragen. Das können Bilder sein, sie beim Abstieg gewonnen hat. Ich denke hier vor allem an Aufnahmen, die den Boden zeigen. DAVINCI+ eine ähnliche Sonde, die für das Discoveryprogramm vorgeschlagen ist, soll auch beim Abstieg Bilder machen und man rechnet mit Bildern ab 5 km Höhe. Meiner Simulation nach vergehen nur 470 Sekunden vom Erreichen des 5 km Punktes bis zur Landung. Sollte die Sonde nach der Landung nur 10 Minuten länger leben als die Solllebensdauer, so hat sie weitere 600 s Zeit, mehr als beim Abstieg zur Verfügung steht. Daher halte ich es für die beste Strategie beim Abstieg nur einen Teil der Bilder zu übertragen und den Rest dann nach der Landung – sinnigerweise die bodennahen mit weniger Artefakten durch die Atmosphäre zuerst.

Instrumente wären zu einen Experimente um die Atmosphäre zu untersuchen. Das sind Temperatur- und Drucksensoren, Nephelometer welche die Größe von Aerosllen messen, Instrumente zur Messung der elektrishcen Ladung (Blitze) und der Lichtmenge. Dazu kommen direkte Messungen der Zusammensetzung über Gaschromatoraph und Massenspektrometer. Das interesanteste dürften die Bilder sein. Sinnvoll wäre meiner Ansicht nach das es im Äquator der Sonde sechs kleine Fenster gibt durch die Optiken hinausschauen. Decken die Bilder einen Winkelbereich von 70 Grad ab (leichter Weitwinkel), so überlappen sie sich um 10 Grad. Damit ist nach der Landung ein Panorama möglich und beim Abstieg zeigen sie die Umgebung. Den Landeplatz selbst zeigt eine – oder besser auch hier mehrere Kameras mit überlappenden Gesichtsfeldern, die im Boden nach unten schauen. Derartige Kameras können leicht und klein sein, wenn sie gängige Sensoren wie in Konsumerkameras einsetzen. Die Lichtverhältnisse lassen dies zu, auf der Venus ist es am Boden in etwa so hell wie bei uns bei einem bedeckten Wintertag (1000 Lux).

Massen und Träger

Wenn die Sonden startbereit sind, dann wäre die Ariane 6 und Vega C einsatzbereit, ob es die Sojus noch als dritter Träger gibt, ist offen. Da sie kein echter europäischer Träger ist und sie Arianespace über zu wenige gebuchte Starts seitens Europa beschwert, ist sie auch für mich keine Alternative. Die Nutzlasten der Ariane 6 zur Venus sind mangels technischer Daten unbekannt aber abschätzbar. Nach dem Users Manual sind es aber für die Fluchtgeschwindigkeit mit einem c3 von 1 km²/s² 7,5 t bei der Ariane 64 und 2,5 t für die Ariane 62. Diese viel geringere Nutzlast bei nur wenig geringeren Kosten ist für mich ein Ausschlusskriterium für die Ariane 62. Ich schätze die Nutzlast zur Venus (c3 = 8 km²/s²) auf etwas unter 7 t. Das reicht für 6 t Nettonutzlast, Sylda und Adapter abgezogen.

Die Atmosphärenorbiter müssen rund 1.000 m/s abbremsen, um in einen Orbit einzutreten und weitere 1.212 m/s um ihn zu zirkulieren. Das lässt noch 3 t von den 6 t übrig. Das reicht für zwei Orbiter mit je 1,5 t Trockenmasse, immer noch deutlich schwerer als Venus Express und noch 50 % schwerer als der MRO ein wirklich schwerer und gut ausgerüsteter Marsorbiter. Mehr als zwei Orbiter dieses Typs will ich nicht starten, denn da jeder Orbiter eine 4 m Empfangs- und Sendeantenne hat wird man nicht mehr als einen pro Ebene in der Nutzlastverkleidung (eine in der Slyda) unterbringen.

Günstiger ist die Massebilanz für die Radarorbiter. Sie können passiv durch Aerobraking abbremsen und benötigen dann nur Treibstoff um ein zu tiefes Absinken zu verhindern bzw. das Perizentrum nach dieser Phase anzuheben. Rechnet man 1300 m/s für Einbremsen und diese Manöver, so bleiben von 6 t noch 4 t übrig. Das sollte für vier Radarorbiter bei einem Ariane 64 Start reichen, die dann jeweils in Paaren in der Sylda und darüber untergebracht sind. Auch hier sind 1 t durchaus viel. Die militärischen SAR Lupe Satelliten wiegen nur 770 kg. Ein kommerzieller Radarsatellit sogar nur etwas mehr als 100 kg.

Die Atmosphärenkapsel würde ich als Laie wohl eher bei einer der zahlreichen Missionen, die die Venus sowieso passieren als Sekundärnutzlast mitführen. Wahrscheinlich wird es aber dazu nicht kommen oder es wirft so hohe Zusatzkosten für die Integration auf, das ein eigener Start sinnvoll ist. Ich errechne für die Vega C eine Nutzlast von 3.700 kg in eine äquatoriale LEO Bahn. Das Users Manual schweigt sich dafür leider aus. Für das Folgende bin ich von 3.200 kg ausgegangen. Es bietet sich an, auf der Basis von Satellitenantrieben eine einfache Stufe zu konstruieren. Ich habe vier 420 N Satellitenantriebe genommen, vier um die Gravitationsverluste in Schranken zu lassen. Dann bleiben, wenn man zwei Zwischenbahnen einschließt, noch 846 kg Masse für ein c3 von 8 km²/s² übrig. Bei einem Voll/Leermasseverhältnis von 8, wie für kleine Stufen üblich bleibt dann noch 509 kg für die Nutzlast übrig. Sinnigerweise ist die Stufe gleichzeitig der Satellitenbus. Da für die doppelt so schweren MER-Rover als Cruise Stage, dem Analogon zum Bus, 180 kg Gewicht ausreichten denke ich kann man noch etwa 400 kg für die Atmosphärenkapsel veranschlagen, die dann etwas schwerer als die größte Pionier Venuskapsel (317 kg) sein würde.

Auch ist nicht geplant eine Kapsel zu bauen, sondern mehrere. Der Grund ist relativ einfach: Raumsonden sind verhältnismäßig teuer, weil sie viele Neuentwicklungen beinhalten, in jedem Falle bei den Instrumenten. Typisch ostet das zweite Exemplar nur 30 bis 40 % des ersten – aufgrund der Lernkurve würde man etwa 60 % erwarten. Bei Kosten von 300 Millionen Euro für den ersten Klimaorbiter und 200 Millionen Euro für den ersten Radarsatelliten und 150 Millionen Euro für eine Atmsophärensonde ergibt sich folgende Kostentabelle:

Sonde

Kosten eines Exemplars

Exepmplare

Kosten aller Sonden

Startkosten

Gesamtkosten

Atmosphärenorbiter

300

2

410

120

530

Radarorobiter

200

4

510

120

630

Atmosphärensonde

150

4

380

4 x 32

508

Das ganze wird mit 1.668 Millionen Euro nicht billig, aber Bepi Colombo war mit 970 Millionen Euro ähnlich teurer und das ist nur eine Sonde und nicht 10. Dabei verteilen sich die kosten über mehrere Jahre, da es mindestens sechs Starts bei etwa 582 Tagen zwischen den Startfenstern sind.

Datenmenge und Plan

Die grundlegende Idee ist es, das die Radarorbiter die Daten über die Klimaorbiter senden. Diese haben eine große 4 m Parabolantenne und einen starken Sender. Sie können so viel mehr Daten übertragen und müssen dafür nicht die Kartierung unterbrechen. Bei maximal 90.000 km Distanz zwischen beiden Orbitern reicht eine kleine, ungerichtete Antenne um die Daten zu ihnen übertragen. Nach der Primärmission der Wetterorbiter entfallen zwei Drittel der Daten auf die Radarsatelliten. Ebenso sind Sie die primäre Relaisstation für die Atmosphärensonden. Sie umkreisen die Venus in 3,5 Tagen, das heißt, für eine omindirektiionale Antenne einer Atmosphörensonde sind sie über einen Tag im Sende-/Empfangsbreich. Zusätzlich kann man einen Radarorbiter so in der Bahn abändern, dass er kurz nach der Landung die Landesteile überfliegt. Er ist zwar nur kurz im Empfangsbereich – einige Minuten lang – aber je nach Orbithöhe in nur in 500 bis 1000 km Distanz. Also etwa 90-mal näher. Selbst bei einer ominidrektionalen Empfangsantenne ist die Datenrate dann höher.

Die Distanz zur Venus schwankt stark. Noch stärker als beim Mars. Sinnvoll halte ich, damit vor allem die Radarkartierung überall gleich gut ist, die Strategie des Store and Dump: Sprich über eine halbe synodische Periode von 582 Tagen werden die Daten vor allem zwischengespeichert, weil die Datenrate dann zur Erde zu gering ist. Steigt diese dann wieder an, so werden diese gespeicherten Daten mit den Realzeitdaten übertragen. Weiterhin kann man so das K-Band nutzen, das eine höhere Datenrate erlaubt aber auch das Manko hat, dass man 30 % der Pakete nochmals übertragen muss, weil das Wetter nicht mitspielt. Messungen der vom MRO gesandten Daten ergaben das die Gesamtsumme beim Ka-Band höher war als im X-Band trotz mehrfacher Übertragung von Paketen und der dreifachen Sendeleistung im X-Band. Mit einem 100 Watt Sender zu einer 35 m Antenne errechne ich bei 189 Millionen km mittlerer Distanz eine Datenrate 5 Mbit/s. Das sind pro Orbiter, bei jeweils acht Stunden Sendezeit pro Tag, täglich 144 GBit. Selbst wenn man einen kompletten halben Oppositionszeitraum (583Tage) abpuffern müsste, so benötigt man dafür nur einen Speicher von 5,3 TByte Größe. Das ist heute völlig unkritisch mit Flash.ROM umsetzbar. Moderne SSD sind mit bis zu 8 TB verfügbar. Selbst wenn man für die höhere Sicherheit Single-Cell Bausteine nimmt käme man mit zwei bis drei SSD aus.

Interessant ist natürlich die Kartierung der Venus. Setzt man zwei irdische Jahre für die komplette Kartierung an, wobei diese in Streifen erfolgt die immer gleich breit sind (Sie überlappen sich zu den Polen immer mehr), 4/5 der gesamten Datenmenge für die Radarobiter und eine zweimalige Erfassung der Fläche und 32 Bit pro Punkt so kommt man ohne Kompression auf eine Kartierung mit 17 m/Pixel. Magellan erreichte 75 bis 110 m. SAR kommen noch auf wesentlich höhere Schärfen, bis zu 0,5 m Auflösung schafft z.B. der nur 107 kg schwere kommerzielle Satellit Capella-2. Mit einer verlustlosen Kompression (Faktor 2) kommt man auf 12 m/Pixel, mit einer verlustbehafteten (Faktor 8) auf 6 m/Pixel.

Ich denke, dass man bei einer auf 3 Jahre verlängerten Mission eine globale Kartierung mit verlustloser Komprimierung auf 10 m erreichen könnte. Nach dieser Zeit muss man entscheiden, wie man die Radarorbiter weiter betreibt. Man kann nun versuchen eine höhere globale Kartierung zu erreichen, die allerdings immer mehr Zeit braucht. Um sie zu verdoppeln, müsste man anstatt zwei oder drei Jahre dann acht oder 12 Jahre lang kartieren. Sinnvoller ist es nur ausgewählte Gebiete detaillierter zu kartieren, die besonders auffällige Strukturen haben. Ein Koppeln der Orbiter zu Paaren oder einem Quartett erlaubt dann interferometrische Messungen die nicht nur mehr Details zeigen, sondern auch feinste Veränderungen des Profils. So könnte man vermutete vulkanische Regionen auf Veränderungen regelmäßig aufnehmen. Da beide Fragestellungen interessant wären ist es meiner Ansicht nach am sinnvollsten zwei Orbiter als Interferometer zu nutzen und zwei für eine Detailkartierung.

Die Landesonde müsste mit einer Omniantenne mit 40 Watt Sendeleistung und Abschwächung durch die Atmosphäre um den Faktor 4 (aus Pioniere Venus Erfahrung abgeleitet) schon zu dem Klimaorbiter 1140 kbit/s übertragen. Zu einem 1000 km hohen Radarorbiter mit Ominantenne als Empfänger wären es über 11 Mbit/s. Das heißt, ein Radarorbiter in einem niedrigen Orbit kann etwa zehnmal mehr Daten empfangen. Selbst wenn die Datenrate nur im Zenit so hoch ist. Daher wird man den Radarorbiter so im Orbit verschieben, dass er kurz nach der Landung die Landezone überfliegt. Die Datenrate wird dann dynamisch ermittelt, indem der Satellit selbst ein Referenzsignal ausstrahlt, dessen Abschwächung die Landesonde vermisst und entsprechend die Datenrate anpasst.

Am kritischsten sind bei einer Landesonde für die Datenrate natürlich die Bilder. Geht man von der Aufnahme von Bildern ab 5 km Höhe aus und 15 Minuten garantierter Überlebenszeit nach dem Aufsetzen, so reicht die Zeit von 1070 Sekunden dies für rund 300 Bilder zu je 4 MPixeln und 8 Bit/Pixel bei einer Kompressionsrate von 8. Ein Radarorbiter, der nach der Landung 10 Minuten lang im Mittel 5 Mbit/s empfängt, würde weitere 715 Bilder übertragen. Zusammen wären das 1.000 Bilder. Für das Landepanorama benötigt man nur 6 davon. Das heißt man hat genug Bilder, um von jeder Kamera zwischen Aktivierung und Landung etwa 100 Aufnahmen anzufertigen, also eine alle 50 m Höhe. Bei so vielen Bildern kann man dann auch über einen größeren Sensor, z.B. mit 16 Mpixel nachdenken. Dann wären es noch 75 (nur Kommunikation mit dem Wetterorbiter) bzw. 250 Bilder.

Für die Daten der Atmosphärenexperimente benötigt eine viel kleinere Datenrate von nur wenigen Kilobit/s. Dafür reicht der Wetterorbiter aus.

Finanzierung

Rechnet man drei Jahre Bauzeit pro Sonde, zwei Startfenster zwischen Wetter- und Radarorbiter und erster Atmosphärensonde und ein Startfenster zwischen jeder folgenden, dann würden 7 Startfenster wuschen erster und letzter Sonde vergehen, das sind über 11 Jahre. Zusammen mit der Bauzeit von 3 Jahren erstreckt sich das Programm so über 14 Jahre und da liegen dann die mittleren jährlichen Kosten bei nur rund 120 Millionen Euro.

Danach könnte man – genügend Treibstoff zum Aufrechterhalten des Orbits vorausgesetzt – die Orbiter noch jahrzehntelang betreiben. Beim Schreiben des Artikels 2021 sind Mars Odyssey (Start 2001) und Mars Express (Start 2003) noch aktive Marsorbiter, 20 bzw. 18 Jahre nach dem Start. Da Orbits um die Venus stärker von der Sonne gestört werden, bieten sich Ionentriebwerke an um den Treibstoffverbrauch zu senken.

Denkbar wäre aber auch das man eine zweite Serie von Atmosphärenkapseln startet. Dazu müsste man die Kapsel selbst nicht neu entwerfen, sondern nur die Experimente, was Kosten senkt. Diese zweite Generation könnte besonderes Augenmerk auf Phänomene richten die die erste Generation entdeckt hat

Artikel verfasst am 13.3.2021.



© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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