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"Gary went flying" - die wahre Geschichte wie Bill Gates zu PC-DOS (MS-DOS) kam

IBM PCDie ist die Geschichte, wie IBM zu ihrem DOS kam. Über das Treffen mit IBM in Pacific Grove gibt es seit Jahrzehnten Gerüchte. Die meisten sind geprägt von der Sicht des Siegers - Bill Gates, der einmal auf die Frage, wie es zu dem Deal kam, obige Antwort gab. Aber auch die IBM- Verhandlungsführer die später in Interviews sich äußerten, dürften nicht neutral gewesen sein. Gary Kildall kann man nicht mehr fragen, er starb schon 1994, doch Tom Rolander, der damals auch dabei war, kann noch über das Treffen berichten und ich habe seine wie auch die anderen Ausführungen zu dieser kleinen Story zusammengefasst.

Die beiden Hauptakteure könnten unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite Gary Kildall, Doktor der Computerwissenschaft, der CP/M als universelles Betriebssystem entwickelt hat, das leicht an jeden 8080/Z80 Computer mit einem Diskettenlaufwerk anpassbar war und dafür sorgte das es eine Rechnervielfalt gab, weil nicht jeder Hardwareentwickler ein eigenes und zu anderer Software inkompatibles Betriebssystem entwickeln musste. Gary Kildall galt als freundlich, hilfsbereit und konfliktschau. Sein Geschäftssinn war nicht besonders gut ausgeprägt, so ließ er sich die Idee des BIOS nicht patentieren.

Auf der anderen Seite Bill Gates. Heute würde man ihn als Nerd bezeichnen. Er arbeitete schon an der High-School an Computern, brach sein Hardvard-Studium ab als er die Chance sah, mit der Softwareentwicklung (anfangs für den Altair) Geld zu verdienen. Bill Gates ist geschäftstüchtig, ließ sich schon die erste Entwicklung von Altair-BASIC durch einen anwaltlich verfassten Vertrag absichern und immer auf der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit. Gary Kildall befolgte einen ungeschriebenen und unausgesprochenen Ehrenkodex: Er würde Betriebssysteme entwickeln und Bill Gates Programmiersprachen. Er lehnte sogar das Angebot ab, eine BASIC-Version zu entwickeln als er einen Auftrag dafür bekam. Bill Gates suchte jede Möglichkeit das Geschäft von Microsoft auszudehnen, auch wenn er in den Geschäftsbereichen von Kildall wilderte.

1980 waren die beiden Firmen der beiden Digital Research Inc. (kurz: DRI) feste Größen im noch jungen Markt der Mikrocomputer. Digital Research vertrieb CP/M, das Standardbetriebssystem für 8-Bit Mikrocomputer. DRI war von den beiden Firmen die weitaus größere, denn ein Betriebssystem brauchte jeder Rechner. Bill Gates und Paul Allens Microsoft (MS) hatte seit ihrem Erstling, dem Altair BASIC, Programmiersprachen entwickelt. Ein Microsoft-BASIC" steckte in den ROMs viele Rechner, daneben bot die Firma Compiler für Cobol und FORTRAN an. Sie liefen unter CP/M.

Bill GatesDer IBM PC entsteht

Als IBM 1980 einen Personalcomputer entwickelte, benötigten sie dafür ein Betriebssystem und den damals noch obligatorischen BASIC Interpreter. Da traf es sich gut, das Microsoft offensichtlich beides hatte: Sie vertrieben die Softcard für den Apple mit dem Betriebssystem CP/M und MBASIC. Die Softcard war eine Einsteckkarte für Apple II mit einem Z80 Prozessor, die wenn von ihr gebootet wurde, praktisch den eingebauten 6502 Prozessor lahmlegte. Mit ihr konnte wegen des Z80 Prozessors der Apple II CP/M Software ausführen und damit dieser Markt (Apple hatte damals den größten Marktanteil bei Personal Computern) nicht an Microsoft vorbeiging lizenzierte Microsoft die Karte vom Hardwarehersteller Seattle Computer Products (SCP).

Im Juli 1980 gab es den ersten Kontakt von IBM mit Microsoft. Doch bevor es zu einer Verhandlung und Gesprächen kam, musste erst einmal ein "Non disclosure" Abkommen unterzeichnet werden. Aus Sicht des Unterzeichners war dies sehr nachteilig: IBM konnte alle Informationen nutzen, die es während der Gespräche erhielt. Auskünfte, die von IBM kamen, durften aber weder genutzt noch weitergegeben werden. Zu dieser Zeit wurde IBM sehr oft verklagt. Ihre Rechtsanwälte hatten diese Erklärungen aufgesetzt, um zu vermeiden, dass dies als Folge von Gesprächen nicht wieder vorkam. Bill Gates unterzeichnete sofort, sagte aber später "Man musste schon viel Vertrauen haben".

Die Verhandlungsführer von IBM sagen über den Rechner fast nichts. Nicht einmal welchen Prozessor er einsetzen sollte. Stattdessen erkundigen Sie sich, welche CPU nach Gates Ansicht wohl geeignet wäre. Bill Gates glaubte noch Jahre später, IBM von der Verwendung des 8086-Prozessors überzeugt zu haben. Allerdings war diese Entscheidung schon vorher gefallen. Beim ersten Termin im Juli 1980 holte IBM sich Sachverstand ein, wie ihr neuer Rechner denn aufgebaut werden sollte. So plädierte Gates für einen Rechner mit 64 KiB Arbeitsspeicher.

Im August 1980 kam IBM wieder zu Microsoft in Seatlle, Washington.. Sie offerierten Verträge für die Erstellung von BASIC, Assembler und anderen Programmiersprachen. Microsoft erhielt einen Beratervertrag, der mit 5.000 $ honoriert wurde. Was Microsoft jedoch nicht bieten konnte, war das Betriebssystem. IBM wusste nicht, dass Microsoft die Rechte an CP/M nicht hatte, aber Bill Gates schickte sie zu Gary Kildall in Monterey. Er rief Gary Kildall an und sagte "da sind wichtige Kunden, sei nett zu ihnen" und verband Gary Kildall mit einem IBM-Mitarbeiter. Es wurde ein Treffen in Monterey in Kalifornien für den nächsten Tag ausgemacht.

Gary KildallDoch Gary Kildall hatte schon einen Termin für den nächsten Tag. Und er flog auch wirklich. Nur eben nicht zum Spaß, sondern zusammen mit Tom Rolander zu einer Besprechung mit North Star Computers, damals einer bekannten Computerfirma. Geplant war, dass seine Ehefrau Dorothy McEwans die Leute von IBM etwas herumführen sollte und die Gespräche beginnen sollte. McEwans war auch kaufmännische Leiterin von Digital Research und es ging ja offensichtlich um ein Geschäft. Der Termin war auf den Nachmittag angesetzt, die IBM Angestellten kamen jedoch schon um 10:00 morgens.

Als Kildall am frühen Nachmittag zurückkam, war die Situation festgefahren. Dorothy McEwans hatte wie Bill Gates die Verschwiegenheitserklärung vorgelegt bekommen, die besagte, dass IBM jede Information, die sie bei diesem Gespräch erhalten würde, nutzen könnte, umgekehrt DRI (Digital Reaearch) zu völliger Verschwiegenheit verdonnerte. Sie hatte Probleme mit dieser Erklärung. Ihr zugezogener Anwalt riet natürlich von dieser - einseitig eine Partei benachteiligenden - Vereinbarung ab.

Gary Kildall hatte kein Problem mit der Vereinbarung und unterschrieb sie. Er kam wie angekündigt um 13 Uhr vom Flugplatz. Tom Rolander bereitete dann eine Präsentation einer frühen Version von MP/M vor. MP/M war eine Multi-User-Version von CP/M. Sie war nach Kildalls Ansicht für den stärkeren 16-Bit-Prozessor 8086 viel geeigneter als CP/M. MPM-86 war als Multi-User-Betriebssystem (man hätte über serielle Schnittstellen mehrere "dumme" Terminals an einen PC angeschlossen) seiner Zeit um Jahre voraus, später sollte aus ihr Concorrent CP/M und Concurrent DOS entstehen.

Aus den gleichen Gründen, warum IBM nur den leistungsschwachen 8088 mit niedriger Taktrate (4,77 MHz anstatt der möglichen 8 MHz) wählte, waren sie auch nur an einer Single-Tasking Version des Betriebssystems interessiert: Der Computer sollte nicht zu viel können. Es sollte keine hausinterne Konkurrenz zu größeren Systemen entstehen.

Der Kernpunkt, warum es aber zu keinem Abschluss kam, war die Lizenzierung und der Name. IBM war nicht an einer Lizenzierung auf der Basis einer Bezahlung pro Kopie interessiert. Gary hatte, nachdem er bei den frühen Abschlüssen die Rechte für eine Fixsumme verkaufte und Hersteller zehntausende von Rechnern mit CP/M verkauften ohne das er einen müden Cent sah, hinzugelernt und inzwischen wurde CP/M nur noch lizenziert, für 10 Dollar pro Kopie. IBM wollte 250.000 Dollar für die exklusiven Rechte bezahlen, was für Kildall indiskutabel war - das entsprach 25.000 Kopien und IBM würde bestimmt weitaus mehr Rechner verkaufen. Der Umsatz von Digital Research betrug in diesem Jahr 5 Millionen Dollar, da waren 250.000 Dollar für die Lizenz an den größten Hersteller von Computern eigentlich eine Beleidigung.

Noch schwerwiegender war, dass IBM den Namen in PC-DOS ändern wollte. DRI hatte zu dieser Zeit rund 200 Kunden, die das Betriebssystem als "CP/M" verkauften. Das war der Produktname. Wenn nun ein Kunde den Produktnamen einfach ändern konnte, dann hatte das weitreichende Folgen. Digital Research müsste dann den anderen Kunden dasselbe Recht einräumen. Sonst hätte die Firma im Falle eines Rechtsstreits schlechte Karten, sich gegen eine Umbenennung van CP/M durch einen Computerhersteller in XYZ-DOS zu wehren.

Kurzum: Für DRI mit einem eingeführten Produkt, war es nicht möglich auf diese Forderungen einzugehen. Daher musste der Abschluss scheitern. Für Microsoft, die zu diesem Zeitpunkt kein Betriebssystem hatten, waren die Einschränkungen natürlich kein Hindernis.

Nach dem Gespräch begegneten sich die IBM Vertreter und Kildall nochmals - Dorothy und Gary hatten ihren Urlaubsbeginn schon Wochen vorher auf den nächsten Tag gelegt. So traf man sich erneut im Flugzeug, sprach nochmals, kam aber in der Sache nicht weiter. So schildert Tom Rolander die Geschichte, der damals auch anwesend war.

Es gibt auch eine andere Geschichte der Begegnung, die vor allem von Jack Sams von IBM und Microsoft (Ballmer, Gates die aber beide nicht anwesend waren) verbreitet wird. Demnach war Gary außer Haus, kam aber nicht am selben Tag zurück. Dorothy McEwans weigerte sich die Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen und so kam es zu keinerlei Gesprächen.

In jedem Falle ist eines klar: IBM wollte nur unter seinen Bedingungen Verträge machen. Microsoft ging darauf ein, DRI nicht. Es war auch nicht die einzige Ablehnung, die IBM schlucken musste. So wollten sie für 500.000 Dollar die Rechte an WordStar, der populärsten Textverarbeitung unter CP/M, kaufen. Wenn der Hersteller das Programm selbst vermarkten wollte, hätte er es nochmals neu schreiben müssen. Auch dies war für MicroPro nicht hinnehmbar. Der IBM PC erschien mit der viel weniger leistungsfähigen und schwer zu bedienenden Texterarbeitung Easy Writer, die vernichtende Kritiken erhielt.

Der Deal des Jahrhunderts

Auf jeden Fall witterte Bill Gates die Möglichkeit, hier noch mehr zu verdienen. Paul Allen wusste aufgrund der Zusammenarbeit an der Softcard, das die Firma SCP (Seattle Computer Products) mit dem Programmierer Tim Paterson einen einfachen CP/M-86 Klone namens Q-DOS (Quick and Dirty Operation System) erstellt hatte.

Tim PatersonSCP war Hardwarehersteller. Nachdem der 8086-Prozessor von Intel erschien, entwickelte die Firma Karten mit dem 8086-Prozessor auf Basis des S-100 Busses. Sie konnten so in Systemen mit einem S-100 Bus eingesetzt werden, das waren die schon eingeführten 8-Bit-Rechner. Microsoft hatte auch ein BASIC für den 8086 mit Unterstützung für Diskettenlaufwerke programmiert, aber Digital Research war zu diesem Zeitpunkt noch mit der Fertigstellung der populären CP/M Version für 8-Bit-Rechner beschäftigt. Die Erstellung von CP/M für den neuen Prozessor hatte eine niedrige Priorität, der Prozessor war schließlich ganz neu und es gab noch keine Computer, die ihn einsetzten. Seit dem November 1979 lieferte SCP daher Karten mit Microsofts Disk-BASIC aus. Aber ohne ein Betriebssystem verkauften die Karten sich schlecht. Was noch vor fünf Jahren beim Altair klappte - ein Produkt ohne Betriebssystem anzubieten - war nun nicht mehr denkbar.

So kauft sich Paterson für 25 Dollar das Handbuch der (damals schon veralteten) CP/M Version 1.4. Er entwickelt ein Betriebssystem für den 8086, welches die API (Application Programms Interface) von CP/M kopiert, also die Systemaufrufe für die Anwendungsprogramme. Er erstellt ein Betriebssystem das er QDOS - Quick and Dirty Operation System nennt. Dabei übernimmt Paterson auch das Konzept der Trennung von Kommandointerpreter, BDOS und BIOS. So ähnelt QDOS im Look und Feel und der Funktionsweise CP/M so stark, dass es später den Plagiatsvorwurf gibt. Paterson benennt nicht mal die Funktionsaufrufe um oder ändert Kleinigkeiten ab, so z.B. das beim Ausgabe von Text auf dem Bildschirm das Ende der Zeichenkette mit einem Dollarzeichen markiert ist - schon damals eine merkwürdige Wahl, kommt das Zeichen doch relativ häufig in Geschäftsdokumenten vor.

Als eine rudimentäre Version des Systems (0.11) nach vier Monaten fertig ist, will SCP es als "86-DOS" vertreiben. SCP ist Hardwarehersteller, kein Softwarevertrieb, also fragt man bei Microsoft nach, ob sie nicht potenzielle Kunden kennen würden. Kurz danach meldet sich Paul Allen mit der guten Mitteilung, man habe einen Interessenten, ohne zu sagen, wer der Kunde ist. Zeitgleich versichert Gates IBMs Vernaldungsführern, dass Microsoft ein Betriebssystem liefern könne.

Microsoft bekam im Oktober 1980 nach weiteren Konsultationen und einer Präsentation von Allen und Gates in Boca Raton den Auftrag für die Entwicklung des Betriebssystems. Im Dezember 1980 hat SCP die erste Version von 86-DOS (0.33) fertiggestellt.

Der erste Vertrag, den Microsoft mit SCP Ende 1980 abschloss, sah vor, dass Microsoft das DOS vertreibt, aber SCP die Rechte an diesem System behält. Pro Kunde soll SCP 10.000 Dollar Lizenzgebühren erhalten. Der Betrag sollte sich um 5.000 Dollar erhöhen, wenn auch der Sourcecode bei der Lizenz enthalten ist. Weiterhin würde Microsoft 10.000 Dollar als Bonus zahlen, wenn SCP den Vertrag sofort unterschreibt. SCP erhält so 25.000 Dollar (ein Kunde + Sourcecode + Sofortzahlprämie).

Tim Paterson bleibt zuerst noch bei SCP, wechselt allerdings im Mai 1981 zu Microsoft. SCP stellte zu diesem Zeitpunkt die Vertriebsstruktur um und vertreibt die Produkte nur noch per Mailorder. Erst jetzt erfährt er, wer der Kunde tatsächlich ist.

Der Abschluss mit SCP erhält einen Wendepunkt, als ein Bekannter von Bill Gates aus MITS Zeiten, Ed Curry, auf der Suche nach einem Betriebssystem für einen 16-Bit-Rechner ist. Datapoint, die Firma, die er nun leitet, arbeitet ebenfalls an einem 8086-Rechner. Curry will zuerst CP/M-86 lizenzieren. Doch da dieses von DRI noch nicht fertiggestellt ist, fragt er bei Allen an, ob dieser nicht eine andere Quelle für ein Betriebssystem kenne. Er verweist ihn an Brock, den Firmeninhaber von SCP. Gleichzeitig ruft dies Ballmer und Gates auf den Plan. Gates ruft Brock an, man wolle nun nicht mehr das Betriebssystem lizenzieren, sondern kaufen. Ballmer wird persönlich vorstellig, um Rod Brock zur Vertragsunterzeichnung zu drängen, denn Paul Allen hat erfahren, dass Curry bis zu 250.000 Dollar für das Betriebssystem zahlen will. Brock werden alle Rechte an SCP-DOS für 50.000 Dollar abgekauft. Zwei Tage später wird eine Lizenz an Datapoint für 186.000 $ verkauft.

Am 12. August 1981 erscheint der IBM PC. Und mit dem Erfolg des PC kam auch der von Microsoft. Binnen eines Jahres schloss die Firma Verträge mit 50 Herstellern von Klones, die jeder ein Betriebssystem und einen BASIC-Interpreter brauchten. Während IBM ihr Betriebssystem PC-DOS nennt, heißt das gleiche Produkt von Microsoft MS-DOS (Microsoft Disc Operating System).

Tim Paterson bleibt noch bis April 1982 bei Microsoft: Die erste Version von PC-DOS ist voller Bugs. Beinahe täglich kommen Fehlerberichte und Anrufe von IBM und so wird schnell die fehlerbereinigte Version 1.1 nachgeschoben. Paterson bessert nach. Danach verlässt er Microsoft.

Die erste Version von PC-DOS unterschied sich nicht sehr von CP/M. SCP bot, als das Produkt noch eigenständig vertrieben wurde, sogar einen Z80 zu 8086 Übersetzer an, der CP/M-80 Programme übersetzte, damit sie auf 86-DOS liefen. Die folgenden Versionen von PC-DOS erhielten neue Funktionen, die verhinderten, dass ein Programm, das für CP/M 86 geschrieben wurde, unter PS-DOS lief.

Obgleich CP/M 86 erst sechs Monate nach PC-DOS verfügbar war und von IBM zum sechsfachen Preis verkauft wurde, reichte dies Bill Gates nicht, um Digital Research vom Markt zu verdrängen. Interessenten für Microsoft Software bekamen die Antwort, dass sie die Programmiersprachen von Microsoft nur bekommen würden, wenn sie MS-DOS ebenfalls abnehmen würden. So erwog Digital Equipment, für ihren Rainbow Computer, der sowohl eine Z80 wie auch 8086 CPU hatte, und damit sowohl CP/M-80 wie auch CP/M86 oder MS-DOS ausführen konnte, zuerst nur CP/M-86 von DRI zu kaufen. Ebenso wurden die Programmiersprachen von Microsoft nicht für CP/M-86 angeboten. Gates hängte sich auch persönlich ans Telefon, um andere Softwarehersteller zu überzeugen, ihre Produkte für MS-DOS alleine zu entwickeln. Das klappte bei Lotus: 1-2-3 erschien nur für MS-DOS. Mit LOTUS 1-2-3 als "Killerapplikation" war sehr bald klar, das CP/M-86 keine Chance auf dem Markt hatte.

Kildall erfährt von PC-DOS

Dass ein neuer Computer entstand, dessen Betriebssystem sehr CP/M ähnelte, bekam Kildall noch vor dem Verkaufsstart heraus. Es mussten Anwendungsprogramme für den IBM-PC geschrieben werden. Dazu benötigten die Entwickler Informationen über die API, Application Programmers Interface, also die Routinen des Betriebssystems. Natürlich fiel auf, dass dieses "PC-DOS" die gleiche API wie CP/M hatte und dies wurde Gary von Softwareentwicklern in anderen Firmen mitgeteilt.

Er schrieb an Microsoft und IBM einen Brief, um diese Frage zu klären. Erst jetzt interessierte sich IBM dafür, woher den Microsoft ihr Betriebssystem hatte und wie es sein konnte, dass es die API von CP/M verwandte. Als sie herausfanden, dass PC-DOS eine Kopie von CP/M war, sah sich IBM schon als Ziel eines Prozesses. IBM zahlte Digital Research 800.000 Dollar dafür, dass sie IBM nicht verklagten. Das war ein Vielfaches dessen, was Microsoft für die Entwicklung von PC-DOS bekam.

IBM sagte weiterhin zu, dass sie CP/M und PC-DOS für ihren Rechner anbieten würden, der Name würde nicht geändert werden. DRI würde 10 Dollar pro Kopie bekommen und Betriebssystem und Computer würden nicht gebündelt werden. Das hörte sich nach einem fairen Wettbewerb an und Gary Kildall stimmte zu. Er und auch zahlreiche Mitarbeiter von DRI glaubten nicht daran, dass IBM in diesem Markt erfolgreich sein würde. Die Firma war für sie zu träge und sprach ein anderes Publikum als die typischen Käufer eines PC an. Sie würden also Geld erhalten, und selbst wenn sich CP/M nicht gut verkaufen würde, wäre es noch ein gutes Geschäft. Dass der IBM-PC bald den Markt beherrschen würde, konnte damals niemand ahnen.

In wieweit PC-DOS eine Kopie von CP/M ist, ist bis heute umstritten. Tim Paterson verklagte unter anderem den Autor des Buchs "They Made America", Harold Evans. Er hatte ein Kapitel über Gary Kildall geschrieben und machte die Aussage, der Code von PC-DOS wäre von CP/M geklaut worden. Tim Paterson, Schöpfer von PC-DOS verlor den Prozess.

Nur war bei den Gesprächen mit IBM keine Rede von den Verkaufspreisen. Diese wollte IBM angeblich wegen Anti-Thrust Regelungen nicht nennen. Sie versicherten aber Bill Gates, der aufgeregt anrief, dass PC-DOS weiterhin ihr strategisches Produkt wäre. PC-DOS wurde beim Kauf eines IBM PC für 40 Dollar angeboten und CP/M für 240 Dollar. So war klar, dass PC-DOS viel mehr Käufer finden würde. IBM hatte sich vorgenommen die kleinere Firma Microsoft zu unterstützen und Digital Research als Marktführer zu schaden. Aus Firmensicht sicher nachvollziehbar, konnte man noch erheblich mehr Druck auf Microsoft ausüben. Dazu trug sicher auch bei das der IBM Chef und Bill Gates Mutter gemeinsam in einem Vorstand einer Charity-Organisation saßen und sich kannten.

Bei den Verkäufen im freien Markt, war das Preisverhältnis nicht ganz so extrem, weil DRI hier den Preis festlegen konnte und Microsoft ihr MS-DOS nicht so billig abgab. Doch auch hier war CP/M-86 teurer als MS-DOS. So stand es auf verlorenem Posten, auch wenn es als das ausgereiftere und schnellere System galt. IBM hatte alleine 300 Fehler vor der Veröffentlichung gefunden. Später schrieb Microsoft PC-DOS für die Version 2.0 komplett neu. Spätestens jetzt musste ein Programmierer sich für eines der beiden Betriebssysteme entscheiden. Durch die Ähnlichkeit auf der API-Ebene war es vorher noch möglich, Anwendungen zu schreiben, die sowohl unter CP/M-86 wie auch MS-DOS liefen. So liefen wie ersten Versionen von WordStar auf MS-DOS wie CP/M-86.

Steve Baller versuchte noch lange nach dem Deal von Digital Research interne Informationen bekommen, weil MS-DOS/PC-DOS auf Computern in anderen Ländern laufen sollte und jedes Land hat andere Vorgaben wie man Zeit und Datum ausgibt und es gibt Sonderzeichen wie Umlaute. Das hatte Digital Research schon gelöst.

Nachwehen

IBM bereute bald den Deal mit Microsoft. Nicht nur wegen der Zahlung an DRI, sondern weil sich bald nach Einführung von PC-DOS Beschwerden über Fehler im Produkt häuften. So schickte man eine Mannschaft zu Microsoft, um diesen bei der Qualitätssicherung zu helfen, die offensichtlich verbesserungswürdig war. Sie kamen schockiert zurück: Es gab keine Qualitätssicherung! Niemand testete Produkte vor der Auslieferung. Wann immer ein Entwickler meinte, die Version wäre fertig, wurde sie als offizielles Release herausgegeben. Der offensichtlichste Fehler der ersten Version von PC-DOS war, das IBM in den PC Floppydisklaufwerke mit zwei Schreib-/Leseköpfen eingebaut hatte, PC-DOS aber nur eine Seite der Floppy Disk beschrieb und so die Kapazität halbierte.

Es wäre schön wenn man die Story auch von Gary Kildall hören könnte, und es gibt auch eine Chance dazu. Gary Kildall schrieb kurz vor seinem Tod eine Autobiographie "Computer Connections: People, Places, and Events in the Evolution of the Personal Computer Industry". Vorabexemplare verschenkte an seine Familie. Bis heute ist der ganze Text unveröffentlicht. Seine Familie hat die ersten sieben Kapitel, die aber vor dem DOS-Deal enden veröffentlicht. Warum sie den Rest nicht herausgeben ist nicht bekannt. Gerüchte, das bis heute Bill Gates bzw. seine Anwälte dies verhindern gibt es, vielleicht wird aber dann auch der Ton einfach ein anderer, schlussendlich wurde Kildall zeit seines restlichen Lebens auf die Geschichte angesprochen und das verbittert. Das vollständige Buch wurde aber Harold Evans, Autor des Buches "They Made America" über Erfinder, Entdecker und Innovatoren genutzt, in dem es ein umfangreiches Kapitel über Gary Kildall gibt.

Links:

Die Geschichte von Gary Kildall, Bill Gates, die Entstehung des IBM PC und der MS-DOS Deal findet man in kürzerer Form als Bestandteil mehrere Geschichten mehrfach auf meine Webseite, die angegebenen Artikel behandeln aber auch andere Themen über den Tellerrand dieser Geschichte hinaus.

Eine weniger ausführlichere, dafür weiter gehende Geschichte des MS-DOS/PC-DOS Deals.

Die Geschichte von CP/M.

Kurze Biographie von Gary Kildall.

Kurze Biographie der frühen Jahre von Bill Gates

Eine Beschreibung des Altairs 8800.

Kurze Biographie von Philip Estridge, dem IBM Manager der die PC-Entwicklung leitete.

Die Konzeption des IBM PC.

Die Versionsgeschichte von MS-DOS.

Artikel erstellt am 8.3.2022

Zum Thema Computer ist auch von mir ein Buch erschienen. "Computergeschichte(n)" beinhaltet, das was der Titel aussagt: einzelne Episoden aus der Frühzeit des PC. Es sind Episoden aus den Lebensläufen von Ed Roberts, Bill Gates, Steve Jobs, Stephen Wozniak, Gary Kildall, Adam Osborne, Jack Tramiel und Chuck Peddle und wie sie den PC schufen.

Das Buch wird abgerundet durch eine kurze Erklärung der Computertechnik vor dem PC, sowie einer Zusammenfassung was danach geschah, als die Claims abgesteckt waren. Ich habe versucht ein Buch zu schreiben, dass sie dahingehend von anderen Büchern abhebt, dass es nicht nur Geschichte erzählt sondern auch erklärt warum bestimmte Produkte erfolgreich waren, also auf die Technik eingeht.

Die 2014 erschienene zweite Auflage wurde aktualisiert und leicht erweitert. Die umfangreichste Änderung ist ein 60 Seiten starkes Kapitel über Seymour Cray und die von ihm entworfenen Supercomputer. Bedingt durch Preissenkungen bei Neuauflagen ist es mit 19,90 Euro trotz gestiegenem Umfang um 5 Euro billiger als die erste Auflage. Es ist auch als e-Book für 10,99 Euro erschienen.

Mehr über das Buch auf dieser eigenen Seite.

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© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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