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Sind hochdosierte Biotinpräparate sinnvoll?

Biotin gehört zu den „In“-Vitaminen. Ja, Vitamine sind Moden unterworfen. Lange Zeit galt Vitamin C als das beliebteste Vitamin. Seit sich auch in der Allgemeinheit herumgesprochen hat, dass man mit Vitamin C weder eine Erkältung heilen kann, noch vor Krebs oder der Hautalterung schützt.

Daneben klingt „Biotin“ doch einfach toll, oder? Den Namen hat es von seiner Entdeckung. Es wurde nicht beim Menschen entdeckt, sondern als einer von zwei Wachstumsfaktoren (der andere war die Pantothensäure) für Mikroorganismen. Für diese ist Biotin auch viel wichtiger als für den Menschen. Da sie nur wuchsen, wenn das Substrat Biotin enthielt, bekam es seinen Namen. Es wird auch als Vitamin H bezeichnet, manche ordnen es auch in die B-Gruppe als Vitamin B7 ein.

Die Funktion

Biotin ist wie viele andere Vitamine Bestandteil von Enzymen als Coenzym. Es katalysiert eine bestimmte Reaktion, die Abspaltung oder Aufnahme von -COOH Gruppen (Carboxylgruppen). Es ist damit spezifischer als andere Vitamine und es sind nur vier Enzyme bekannt, die Biotin benötigen:

Der Bedarf

Seit Jahrzehnten liegt die DGE-Empfehlung für Aufnahmemenge an Biotin bei 30 bis 60 µg/Tag. Diese Empfehlung ist nun keine, die man durch genaue Analysen festgestellt hat, sondern der Tagesbedarf wurde daraus abgelehnt, das in der normalen Ernährung, die zwischen 50 und 200 µg Biotin pro Tag enthält, kein Mangel auftritt.

Biotin kommt relativ selten in hoher Menge vor, aber dafür in vielen Lebensmitteln. Durch die Speicherung von Biotin in der Leber ist diese reich an Biotin, wird aber selten verzehrt. Das in der Praxis wichtigste Lebensmittel für die Bedarfsdeckung ist die Milch und Milchprodukte. Daneben ist Vitamin H in Eigelb, Fleisch und Vollkornprodukten enthalten, aber auch in einigen Gemüsen wie Blumenkohl, Spinat, Tomaten und einigen Obstsorten (Äpfel, Bananen). Da es in tierischen und pflanzlichen Quellen vorkommt, haben auch Veganer keinen Mangel an Biotin.

Früher nahm man an, das die Darmflora viel Biotin synthetisiert. Es wurde spekuliert, ob Biotin dann überhaupt für den Menschen ein Vitamin ist oder nur bei bestimmten Umständen wie einer gestörten Darmflora. Das lag daran, dass man im Kot 30 bis 50 µg Biotin entdeckte, also in etwa so viel, wie man aufnehmen sollte. Die Aufklärung der Aufnahme von Biotin, ergab aber, dass freies Biotin, das die Bakterien im Dickdarm in die Umgebung abgeben, nur zu 10 Prozent aufgenommen wird. An Proteine gebundenes Biotin, also in seiner Funktion als Coenzym (das Enzym ist dann das Protein) wie es oft in der Nahrung der Fall ist, wird weitaus stärker resorbiert, nämlich zu 50 bis 100 Prozent. Die Darmbakterien scheinen daher keinen nennenswerten Anteil an der Bedarfsdeckung zu leisten.

Es gibt bei Vitamin H keine bekannte Hypervitaminose, also eine Krankheit durch zu viel Biotin. Die Größe der körpereigenen Vorräte ist unbekannt, wird wie bei den anderen wasserlöslichen Vitaminen aber so eingeschätzt, dass man einige Wochen ohne Zufuhr auskommt.

Gibt es einen Mangel an Vitamin H?

Eine gute Frage. Man kennt beim gesunden Erwachsenen keine Mangelerscheinung. Es gibt ihn nur, wenn man bestimmte genetisch bedingte Krankheiten hat, wie ein Mangel an Biotinidase oder Holocarboxylasesynthedase. Bei diesen Personen hat man folgende Symptome beobachtet:

Die meisten Symptome wurden bei Tieren wie Ratten oder Hunde beobachtet. Beim Menschen jedoch nicht. Für Tiere scheint das Vitamin essentieller, als für den Menschen zu sein.

Beim Menschen und beim Tier kann man Mangelsymptome hervorrufen, wenn man mit der Nahrung rohes Eiweiß zu sich nimmt. Eiweiß enthält ein Protein, das Avidin, das die siebenfache Menge seines Gewichts an Biotin binden kann. Erhitzte Eier sind jedoch ungefährlich, genauso wie das Eigelb, das sogar eine wichtige Biotinquelle ist. Im Ei ist das Avidin ein Abwehrstoff gegen Mikroorganismen, die leicht durch die Schale eindringen können. Mikroorganismen sind viel stärker auf Biotin angewiesen als Menschen oder Tiere und so schützt sich das Ei vor Verderb.

Die Mangelsymptome sind unspezifisch, wie bei den meisten B-Vitaminen die ebenfalls Coenzyme sind. Wenn Enzyme im Stoffwechsel ausfallen, weil das Coenzym fehlt, dann sind als Erstes die Organe betroffen, die sich laufend erneuern, wie die Haut oder Organe, bei denen schon eine geringe Störung dramatische Folgen hat wie das Gehirn.

Rissige Nägel, dagegen wird heute Biotin empfohlen, wurden beim Menschen aber noch nie bei Biotinmangel beobachtet, noch das es bei aus anderen Gründen vorhandenen Nagelstörungen diese bessert. Ebenso wenig wie der Haarausfall beim Menschen beobachtet wurde.

Das „In“-Vitamin

Aufgrund dessen, das der Tagesbedarf sehr gering ist, man auch sehr große Mengen an Vitamin H aufnehmen kann und es keine Probleme gibt, wenn man zu viel aufnimmt und den Bezug zu Haut und Haaren ist Biotin heute ein „In“-Vitamin. Es wird empfohlen um die Struktur von Haut, Nageln und Haaren zu verbessern. Während es bei der Haut wenigstens noch Mangelsymptome gibt (wie schon geschrieben aber nur bei genetischer Disposition oder extrem einseitiger Ernährung, die man nach der Strukturaufklärung von Biotin in den 1940-er Jahren durchführte, um einen Biotinmangel zu erreichen) gibt es für keinen Beweis eines Zusammenhangs mit den Haaren beim Menschen (nur im Tierversuch aufgetreten) und gar keinen Beweis das Biotin irgendetwas mit den Nägeln zu tun hat.

Biotin Impuls

Da es aber keine gesetzliche Vorschrift für Höchstmengen gibt, werben viele Hersteller mit Megadosen Ich habe mir mal ein besonders teures Präparat herausgesucht „Biotin Impuls“ enthält 5 mg Biotin pro Tablette. Das ist die 100-fache Empfehlung der DGE für den Tagesbedarf. Eine Tablette alle paar Monate sollte also theoretisch reichen. Dies ist nur ein Anbieter von vielen, aber er klärt anders als viele andere auch noch etwas auf.

Der Hersteller ist zwar ehrlich und nennt Folgendes:

„Anwendungsgebiete:

Aber die Empfehlung für die Dosis von Biotin Impuls ist dann doch eine bis zwei Tabletten pro Tag. Das ist unsinnig. Selbst wenn jemand einen Biotinmangel hat, (wie selbst vom Hersteller zugegeben, ist das sehr, sehr selten) sollte nach Aufnahme einer Tablette aufgrund der hohen Dosis der körpereigene Vorrat für Wochen aufgefüllt sein. Die höhere Dosis des Tagesbedarfs: (0,2 mg, DGE: 0,03 bis 0,06 mg) vom Hersteller dürfte daran liegen, weil wie schon geschrieben, vom synthetischem Biotin nur 10 % aufgenommen wird.

Wirkt es trotzdem?

Hochdosierte Vitamine sind beliebte Nahrungsergänzungsmittel, vor allem für Haut, Haare und Nägel. Bei praktisch jedem Vitamin wird ein Bezug zu diesen drei Gebieten angegeben. Teilweise zu recht, viele Vitaminmangelkrankheiten äußern sich wirklich in Hautkrankheiten, vor allem aber, weil viele etwas gutes für ihre Haut tun wollen. Und ich denke, es wird auch bei vielen Personen wirken, die diese Vitamine entweder einzeln oder als Kombinationspräparat schlucken. Sie wirken durch den Placeboeffekt. Kurz gesagt: die Verwender glauben an die Wirkung und es gibt deswegen auch eine Wirkung. Gerade bei Haut, Haaren und Nägeln, die Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, aber auch auf Stress reagieren, kann der Abbau von Stress, die Entspannung und das Gefühl etwas Gutes zu tun dann auch eine tatsächliche Wirkung auslösen.

Billigere Alternativen

Wie schon gesagt, ich glaube nicht, das man Biotin zuführen muss. Doch wer dran glaubt und bei dem es wirkt, für den gibt es auch billigere Alternativen. Im Allgemeinen ist es so, das Vitaminpräparate von Pharmaherstellerin viel teurer sind als wie von Herstellern für Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmittel. Krassestes Beispiel ist Vitasprint des Pharmakonzerns Pfizer

Der Preis von Biotin Impuls ist zumindest bei Amazon sehr komisch. Dort kosten Packungen mit 10, 20 und 40 Tabletten fast das gleiche (rund 10 Euro), 100 Tabletten dann 22 Euro, 2 x 100 Tabletten aber 54 Euro. Im Allgemeinen sind bei Vitaminpräparaten auch im freien Verkauf die kleinen Packungen viel teurer, rechnet man den Verkaufspreis auf die Tablettenzahl um als größere Packungen. Das gilt auch für Medikamente, doch da ist das Gefälle nicht so groß. Wer wirklich die Tabletten täglich schlucken will, dem ist in jedem Falle zu einer Großpackung zu raten.

Es gibt den Wirkstoff Biotin, aka Vitamin H aka Vitamin B7 aber auch deutlich billiger. Bei Gehe kosten 60 Tabletten mit ebenfalls je 5 mg Biotin nur 3,73 Euro. Schaebens hat alle B-Vitamine in einem Pack, zwar nicht in Megadosen, sondern der üblichen Tagesdosis, aber wenn man die Tabletten sowieso täglich schluckt – bei 5 mg/Tablette würde es selbst bei geringer Resorption ausreichen, alle drei Wochen eine Tablette zu schlucken – ist das sinnvoller.

Die billigste Alternative ist aber gar keine Tablette zu nehmen, denn wie schon gesagt, wenn man nicht exzessiv rohes Eiklar ist oder eine der seltenen genetischen Krankheiten hat, gibt es keinen Biotinmangel. Es ist beim Menschen durch Fehlernährung, anders als bei anderen Vitaminen, wie Vitamin C, B1, B6 oder A kein Mangel an Biotin durch die Ernährung bekannt, selbst wenn man nur Junk-Food ist (in Fleisch, das ja Bestandteil von Junk-Food ist, ist sogar viel Biotin enthalten, und dieses Vitamin H ist gebunden an Protein, also in gut aufnehmbarer Form).

Artikel erstellt am 31.3.2019

Bücher vom Autor

Zum Thema Ernährung, Lebensmittel und Lebensmittelchemie/recht sind bisher vier Bücher von mir erschienen:

Das Buch „Was ist drin?“ wendet sich an diejenigen, die unabhängige Informationen über Zusatzstoffe und Lebensmittelkennzeichnung suchen. Das Buch zerfällt in vier Teilen. Es beginnt mit einer kompakten Einführung in die Grundlagen der Ernährung. Der zweite Teil hat zum Inhalt eine kurze Einführung in die Lebensmittelkennzeichnung - wie liest man ein Zutatenverzeichnis. Welche Informationen enthält es? Ergänzt wird dies durch einige weitere Regelungen für weitergehende Angaben (EU Auslobung von geografischen Angaben, Bio/Ökosiegel etc.).

Der größte der vier Teile entfällt auf eine Beschreibung der technologischen Wirkung, des Einsatzzweckes und der Vorteile - wie auch bekannter Risiken - von Zusatzstoffen. Der letzte Teil zeigt beispielhaft an 13 Lebensmitteln, wie man ein Zutatenverzeichnis sowie andere Angaben liest, was man schon vor dem Kauf für Informationen aus diesem ableiten kann, die einem helfen, Fehlkäufe zu vermeiden und welche Tricks Hersteller einsetzen, um Zusatzstoffe zu verschleiern oder ein Produkt besser aussehen zu lassen, als es ist. 2012 erschien eine Neuauflage, erweitert um 40 Seiten. Sie trägt zum einen den geänderten Gesetzen Rechnung (neue Zusatzstoffe wurden aufgenommen, Regelungen über Lightprodukte beschrieben) und zum anderen ein Stichwortregister enthält, das sich viele Leser zum schnelleren Nachschlagen gewünscht haben.

Wie sich zeigte, haben die meisten Leser das Buch wegen des zentralen Teils, der die Zusatzstoffe beinhaltet, gekauft. Ich bekam auch die Rückmeldung, dass hier eine Referenztabelle sehr nützlich wäre. Ich habe daher 2012 diesen Teil und den Bereich über Lebensmittelrecht nochmals durchgesehen, um die neu zugelassenen Zusatzstoffe ergänzt und auch um neue Regelungen, wie bei der Werbung mit nährwertbezogenen Angaben. Ergänzt um eine Referenztabelle gibt es nun die zwei mittleren Teile als eigenes Buch unter dem Titel "Zusatzstoffe und E-Nummern" zu kaufen.

Nachdem ich selbst über 30 kg abgenommen habe, aber auch feststellen musste wie wenig viele Leute von Ernährung oder der Nahrung wissen, habe ich mich daran gemacht einen Diätratgeber "der anderen Art" zu schreiben. Er enthält nicht ein Patentrezept (wenn auch viele nützliche Tipps), sondern verfolgt den Ansatz, dass jemand mit einer Diät erfolgreicher ist, der genauer über die Grundlagen der Ernährung, was beim Abnehmen passiert und wo Gefahren lauern, Bescheid weiß. Daher habe ich auch das Buch bewusst "Das ist kein Diätratgeber: ... aber eine Hilfe fürs Abnehmen" genannt. Es ist mehr ein Buch über die Grundlagen der Ernährung, wie eine gesunde Ernährung aussieht und wie man dieses Wissen konkret bei einer Diät umsetzt. Es ist daher auch Personen interessant die sich nur über gesunde Ernährung informieren wollen und nach Tipps suchen ihr Gewicht zu halten.

Das Buch "Was Sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten" wendet sich an alle, die zum einen die eine oder andere Frage zu Lebensmitteln und Ernährung haben, wie auch die sich für die Thematik interessieren und auf der Suche nach weitergehenden Informationen sind. Während andere Autoren zwar auch populäre Fragen aufgreifen und diese oft in einigen Sätzen beantworten und zur nächsten Frage wechseln, habe ich mich auf 220 Fragen beschränkt, die ich mehr als Aufhänger für ein Thema sehe, so hat das Buch auch 392 Seiten Umfang. Jede Frage nimmt also 1-2 Seiten ein. Sie sind nach ähnlichen Fragestellungen/Lebensmitteln gruppiert und diese wieder in vier Sektionen: zwei Großen über Lebensmittel und Ernährung und zwei kleinen für Zusatzstoffe und Lebensmittelrecht/Werbung. Man kann das buch daher von vorne bis hinten durchlesen und so seinen Horizont erweitern, aber auch schnell mal nach einer Antwort suchen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, vor allem weil der Stil nicht reißerisch ist und ein Dogma verbreiten will, sondern aufklärend ist.

Sie erhalten alle meine Bücher über den Buchhandel (allerdings nur auf Bestellung), aber auch auf Buchshops wie Amazon, Libri, Buecher.de und ITunes. Sie können die Bücher aber auch direkt bei BOD bestellen.

Mehr über diese Bücher und weitere des Autors zum Themenkreis Raumfahrt, finden sie auf der Website Raumfahrtbucher.de.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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