Bernd Leitenbergers Blog

Polonium 210

Durch die Morde an unliebsamen ehemaligen Geheimagenten ist Polonium 210 in die Schlagzeilen gekommen, als ein Gift mit dem man sehr schnell und sehr grausam jemanden um die Ecke bringen kann. Polonium ist ein radioaktives Element, alle seine Isotope zerfallen mit Halbwertszeiten von 0.3 µs bis zu 2.9 Jahren, das häufigste Isotop Polonium 210 ist ein Zerfallsprodukt von Thorium und Uran-238. Polonium 210 zerfällt mit 138 Tagen Halbwertszeit unter Aussendung von Alpha Strahlung in das ungefährliche Blei 206. Alphastrahlung, das sind Helium 4 Kerne ist sehr Energiereich und zerstört Zellstrukturen und schädigt die DNA, so dass auch die Reparatur von beschädigten Zellen schwer möglich ist. Im Prinzip werden durch die intensive Alphastrahlung (intensiv, weil die Halbwertszeit so kurz ist) also Zellen geschädigt und sterben ab, betroffen sind zuerst die Teile des Verdauungsapparates wenn man mit Polonium oral vergiftet wurde (Diarrhoe, Zerstörung des Darmepithels), dann gelangt das Gift durch den Blutstrom in den ganzen Körper und hier ist der Schaden um so größer je aktiver die Zellen sind, d.h. je öfter sie sich teilen. Dies sind Knochenmarkszellen, rote und weiße Blutkörperchen, so kommt es zu Anämie, Blutungen in Nase, Mund und Darm und Haarausfall. Überlebt man die akute Vergiftung (Polonium wird innerhalb von 50 Tagen ausgeschieden), so hat man durch die Strahlenschäden ein sehr stark erhöhtes Krebsrisiko. Es sind Fälle bekannt wo man geringere Dosen eingesetzt hat und die Personen dann innerhalb von kurzer Zeit an Krebs verstarben.

Nun warum erzähle ich das. Es geht mir weniger um diesen Anschlag auf  Alexander Walterowitsch Litwinenko. Es geht vielmehr dadurch das man Polonium 210 als Bestandteil der Zerfallsreihe von Uran 238 auch anderswo ausgesetzt werden kann. Uran-238 zerfällt über zahlreiche Zwischenstufen in Blei 206. Der erste Schritt dieser Reihe braucht sehr lange, der Zerfall von Uran 238 in Thorium 234, das dauert annähert 4.5 Milliarden Jahre. Die anderen Zerfallsschritte gehen recht schnell, der zweitlangsamste noch 245.500 Jahre. Die meiste Strahlung die freigesetzt wird ist Alphastrahlung und Betastrahlung, sie wird von einigen Metern Luft, Bekleidung und den äußeren Hautschichten absorbiert, weil sie so energiereich ist. So gesehen sollte Uran 238 harmlos sein, es sollte keine signifikante Gefahr von ihm ausgehen, außer man schluckt es.

Doch das ganze hat einen Haken. Ein Zerfallsprodukt ist Radon 222, es zerfällt mit einer Halbwertszeit von 3.8 Tagen in Polonium 218. Die Besonderheit: Radon ist ein Gas. Die 3.8 Tage reichen aus, dass nennenswerte Mengen dieses Gases sich von dem entstehungsort entfernen wenn sie dies können, z.B. an der Oberfläche gebildet werden. Dies ist der Grund warum in Uranerzhaltigen Gegenden wie sie es auch bei uns gibt es mehr Krebs gibt als in anderen Gegenden. Als man dies noch nicht wusste warben einige Kurgemeinden sogar mit der gesunden radonhaltigen Luft. Dabei ist der Einfluss aber noch gering: Das Erz ist gering konzentriert und nur wenig ist an der Oberfläche. Bei den Arbeitern die es Abbauten war die Krebshäufigkeit schon deutlich erhöht. Vor allem gefährlich ist, dass man das Radon als Gas einatmet, das Zerfallsprodukt Polonium aber nicht mehr ausatmet, so dass es im inneren des Körpers Strahlenschäden vor allem an Lunge verursachen kann. (Ein Grund für das erhöhte Lungenkrebsrisiko von Rauchern ist auch eingeatmetes Polonium, welches die Tabakpflanzen durch den Phosphatdünger in sich haben. Neben dem Gas werden auch die kurzlebigen Zerfallsprodukte eingeatmet die genauso wirken.

Nun solange man nicht in uranerzhaltigen Gegenden wohnt könnte das einem egal sein, gäbe es da nicht im US Waffenarsenal panzerbrechende Munition mit Urankernen. Um Panzerungen zu durchschlagen gibt es verschiedene Methoden. Eine ist, um einen Metallkern mit hoher Dichte einen Stahlmantel zu legen. der Stahlmantel dient dazu, dass man die Patrone / Granate abfeuern kann ohne sich um die Sprödigkeit des Kerns Sorgen zu machen. durch die hohe Dichte hat eine solche Granate bei gleichem Kaliber eine höhere Durchschlagskraft, da die kinetische Energie berechnet wird nach 0.5 * Masse * Geschwindigkeit². Man kann also stärkere Panzerungen durchschlagen oder die Kanone kleiner bauen, die A-10, ein Flugzeug zur Bekämpfung von Panzern hat z. B. nur eine 20 mm Kanone.

Uran ist ein sehr dichtes Metall, seine dichte liegt bei 19.16 g/cm³. Es gibt andere dichte Materialen wie Wolfram (Dichte 19.25) oder Tantal (16.62 g/cm³). Diese werden in anderen Ländern für derartige Munition verwendet. Die USA setzen dazu abgereichertes Uran ein. Abgereichertes Uran ist Uran welches weniger Uran-235 enthält, welches man für den Betrieb von Kernreaktoren anreichern muss, es ist praktisch der Anteil e Urans denn man nicht brauchen kann. Anstatt dieses als Atommüll einzulagern macht man Kerne für panzerbrechende Geschosse daraus und hat so eine nützliche „Verwendung“ dafür gefunden.

In der Patrone ist das Uran harmlos, es zerfällt zwar, aber es ist ein massiver Kern aus dem wenig Radon nach außen dringt und dann ist dieser Kern ja auch noch von dem Stahlmantel umschlossen. Das ändert sich wenn die Patrone verschossen wird. Beim Durchschlagender Panzerung wird der Kern gequetscht, massivem Druck ausgesetzt und hoch erhitzt. Nach passieren der Panzerung zerstäubt er, entzündet sich durch die Hitze und tötet so die Besatzung. (Ein für die Waffentechnik wertvoller Nebeneffekt des chemisch unedlen Urans, die Reaktion mit Sauerstoff geht schon bei niedrigen Temperaturn sehr schnell und ex „rostet“ sehr schnell zu Urandioxid).

Dabei wird das Uran großflächig verteilt. Das Panzerwrack ist verstrahlt aber auch die gesamte Gegend mit feinstem Uranstaub übersät. Dieser kann nun weiter verweht werden, eingeatmet werden oder das Radon und die entstehenden Zerfallsprodukte die noch besser schweben können, weil es einzelne Moleküle sind können eingeatmet werden. So stieg nach dem Golfkrieg von 1991 die Krebsrate im Irak in den Gegenden wo die Amerikaner Panzer zusammenschossen drastisch an. Betroffen waren auch Amerikaner die sich später den Wracks näherten um Erinnerungsfotos zu schießen.

Es ist interessant: Die USA können heute eine ganze Gegend verstrahlen und unbewohnbar machen, ohne eine Atombombe einzusetzen. Ich frage mich: War das beabsichtigt oder hat man nur nicht daran gedacht? Ich denke das erstere ist gegeben, denn andere Länder, selbst welche die auch Uran anreichern nutzen vorwiegend Wolfram als Kerne für panzerbrechende Geschosse, wahrscheinlich weil sie anders als die USA damit rechnen dass diese auch im eigenen Land eingesetzt werden oder wenn man ein anderes Land überfällt es wohl danach einverleiben möchte. Die USA dagegen führen zwar überall krieg, doch besetzen sie das Land in der Regel nicht (Irak mal als Ausnahme). Es wäre mal an der Zeit diese Munition auszumustern.

Edit: Am 6.11.2013 wurde bekannt das angeblich Jassir Arafat auch durch Polonium 210 vergiftet worden sein soll. Von der Verteilung her soll es eine größere, kurzfristig wirkende Dosis, also keine schleichende Vergiftung gewesen sein.  Die Mengen sollen 18-mal so hoch wie natürlich sein. Da Arafat am 11.11.2004 starb sind seitdem fast 24 Halbwertszeiten (genau 23,80) vergangen. Das bedeutet die nachweisbare Dosis hat auf rund ein 1/14 Millionstel abgenommen. Nun kommt Polonium zwar nicht natürlicherweise im Körper vor, aber ob man noch so kleine Mengen sicher nachweisen kann? Ich habe da meine Zweifel.

Gemäß folgenden Dokument beträgt die LD50 Dosis 4,5 Gray, also 4,5 J/kg. Das entspricht bei einem 80 kg schweren Menschen rund 360 J. (Wahrscheinlich weniger da es ja nur regional wirkt). Nun emittiert 1 f Polonium-210 pro Sekunde 140 Joule. Es wird in 50 Tagen ausgeschieden und die Strahlung nimmt durch die Zerfallszeit ab. Nimmt man also an, dass es maximal 20 Tage wirken kann, so würden schon 360 j / 140 J/s / 86400 * 20 s = 1,5 Mikrogramm ausreichen. Bei Arafat traten die ersten Symptome am 28.10.20014 also 14 Tage vor seinem Tod auf. Bei Litwinenko waren es 23 Tage. Selbst wenn die Dosis erheblich höher war -selbst von 10 Mikrogramm Polonium (die sich ja auch noch verteilen würden) wären heute weniger als 1 Pikogramm übrig. Das strahlt mit 166 Bequerel. Diese Strahlung dürfte völlig in der Hintergrundstrahlung untergehen, so strahlt das Kalium im Körper z.B. mit 5000 Bq. Mittels moderner Analysetechnik (ICP-MS) kann man rund 1 ng eines Elementes pro Liter nachweisen. Das ist wenig, aber ein Pikogramm ist noch tausendmal weniger). Solange man nicht weis wann und wie die Untersuchungen gemacht wurden habe ich daher an den Ergebnissen zu Arafats Tod Zweifel. Man kann sicher Polonium noch einige Zeit nach dem Tod nachweisen, doch sicher nicht 8 Jahre. Wenn aber die Untersuchungen früher gemacht wurden (ich denke die Meßgrenze wurde vor etwa 4 Jahren unterschritten), warum wurde erst jetzt der Bericht veröffentlicht?

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