Bernd Leitenbergers Blog

Neue Atomkraftwerke?

In letzter Zeit kommt erneut die Diskussion auf nach längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken, ja mancher meint sogar, man müsse neue Atomkraftwerke bauen. Das würde nicht nur bei der Erreichung der Klimaziele helfen, sondern auch billigen Strom produzieren. Ist das wirklich die Lösung?

Ich habe mich mal mit dem Thema schon satirisch auseinander gesetzt. Aber nun mal ernst. Die Antwort ist wirklich nicht so leicht. Zum einen gibt es mit den Hochtemperaturreaktoren eine Technologie die relativ sicher ist, wenig Uran benötigt und auch Fernwärme produzieren kann. Interessanterweise wurde dies in der BRD entwickelt, aber nach Tschernobyl nicht mehr praktisch umgesetzt. „Sicher“ ist bei Reaktoren ein dehnbarer Begriff: Es kann bei diesem Typ nicht zu einer Kernschmelze oder Explosion wie bei Tschernobyl kommen. Wie bei jedem Kernkraftwerk, kann aber natürlich auch hier bei Unfällen radioaktives Material nach außen kommen. Insgesamt halte ich das Risiko aber für kleiner als bei den bestehenden Reaktoren.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Auch 40 Jahre nach dem Bau der ersten kommerziellen Kernreaktoren in der BRD, gibt es kein Entsorgungskonzept, oder anders ausgedrückt, man wüsste schon wo, nur überall wird dagegen protestiert. Da derzeit aus Bayern die stärksten Forderungen nach längeren Laufzeiten kommen und dort auch neue Reaktoren gefordert werden, und dort seit Jahrzehnten eine Partei absolutistisch regiert, wäre es doch kein Problem, dass man in Bayern eine Endlagerung betreibt, dann könnte man auch über Verlängerung der Laufzeiten sprechen.

Worüber es sehr widersprüchliche Aussagen gibt ist die Effizienz von Kernkraftwerken. Zum einen ist unbestritten, dass man pro Kilogramm Uran sehr viel Energie erzeugen kann. Doch das ist nur ein Teil der Ökobilanz. Das Uran muss aus Erz gewonnen werden, es muss angereichert werden und im Kernreaktor erzeugt es neben Energie jede Menge radioaktiver Isotope. Diese müssen aus den Brennstäben herausgelöst und sicher endgelagert werden, dazu werden sie z.B. mit Glas eingeschmolzen und in Bergwerken verfüllt. Schlussendlich muss das Kernkraftwerk demontiert, und der innere Reaktorkern als Sondermüll endgelagert werden. Das alles gehört auch in eine Ökobilanz hinzugenommen. Ich habe mal gesucht und auch etwas gefunden:

Nach einer Studie des Ökoinstituts Darmstadt Versursachen deutsche Kernkraftwerke im Mittel 33 g Kohlendioxid je erzeugte kWh Strom. Dieser Wert beinhaltet nicht den Abriss der Meiler und die Endlagerung

Philip Smith und Jan Willem Storm van Leeuwen haben einen Lebenszyklus eines Kernkraftwerks durchgerechnet. Inklusive des Abrisses der Meiler produziert ein Kernkraftwerk 84 bis 122 g Kohlendioxid pro erzeugter kWh. Deutsche Kernkraftwerke lägen günstiger als dieser Durchschnittswert, weil die Erzeugung aus Uranerz nicht so aufwendig ist wie der weltweite Durchschnittswert. Die Gewinnung von Uran und die Anreichung verschlingt am meisten Energie, durchschnittlich heute 56 g / erzeugte kWh. Der Energieaufwand steigt mit sinkendem Erzgehalt an: Unterhalb von 0.05 % Erzgehalt braucht man mehr Energie zur Uranaufarbeitung, als man später gewinnen kann. So gesehen nützen die großen Vorräte an niedrig konzentriertem Erz nichts und schon im Jahre 2050 soll bei einem gleichbleibenden Anteil an der Weltenergieerzeugung dieser Punkt kommen, an dem sich Kernkraftwerke wirtschaftlich nicht lohnen.

Zum Vergleich: Ein Kohlekraftwerk produziert Energie mit einem Aufwand von 800 g Kohlendioxid/kWh – So gesehen sind Kernkraftwerke immer noch um den Faktor 10 günstiger. Aber…. deswegen gibt es nicht den billigen Strom, wie uns die Regierung weismachen möchte. Tatsache ist: Während der letzten 10 Jahre sind die Strompreise um fast 100 % gestiegen, was früher Strom in Pfennigen/kWh kostet, das kostet er heute in Cent pro kWh. Dabei ist der Anteil der Kernenergie gleich groß geblieben, wie also sollte in Zukunft dann bei gleichem Anteil der Strom billiger werden? Wenn Kernenergiestrom so billig ist, warum wird er nicht auf unserem liberalisierten Strommarkt von Frankreich angeboten? Dort wird wesentlich mehr Strom mit Kernkraftwerken produziert als bei uns.

Der Strompreis ist so hoch weil ein Drittel auf die Steuer entfällt und ein weiteres Drittel für die „Durchleitungsentgelte“, an denen die Stromkonzerne gut verdienen und es nicht in die Erhaltung und den Ausbau des Netzes stecken. Nur ein Drittel entfällt auf die Erzeugung und ach ja, obendrauf zahlen wir noch Mehrwertsteuer. Aus der Wikipedia: Die so teuren und ökologisch schlecht verschrienen Kohlekraftwerke produzieren Strom zum Erstehungspreis (ohne Gewinn) von 4 ct/kWh. Wenn Kernkraftwerke dann davon noch 9/10 einsparen können, dann sinkt der Gesamtpreis um 3 ct/KWh. Mir wäre lieber die Steuern und Wegegebühren würden wegfallen. Mein E-Mail kontakt in den USA zahlt für Kohlestrom 10 US-ct/KWh. Das sind 6 Euro-Ct.

Das Reden der Politiker von billigem Strom aus Kernenergie, von Sozialtarifen und ähnliches zeigt vielmehr den Zustand der Koalition, als das sie Sachverstand aufzeigt. Solange der Staat über Stromsteuer, Ökosteuer und Mehrwertsteuer kräftig an den Stromerhöhungen mit verdient und solange er selbst über die Durchleitungsgebühren, die pauschal ohne Investitionsnachweis gewährt werden, befindet, solange ist das ganze Gerede derzeit nur Heiße Luft.

Natürlich sind Kohlekraftwerke ökologisch das schlimmste was es gibt. Sie produzieren den höchsten Kohlendioxidausstoß pro erzeugter kWh, sie haben einen im Vergleich zu Gaskraftwerken niedrigen Wirkungsgrad. Doch anstatt dies zu bejammern sollte man den Stromverbrauch senken. Warum gibt es eigentlich keine Vorschrift über einen niedrigen Stand-By Verbrauch? Elektronische Geräte konsumieren immer mehr im Stand-By, teilweise bis zu 20 Watt und es werden immer mehr. Außerdem kann man auch dafür sorgen, dass die mit erzeugte Abwärme besser genutzt wird und so der Wirkungsgrad steigt. Aber damit kann man ja keine Schlagzeilen machen…

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