Eigentlich wollte ich heute etwas zum ATV schreiben, doch die Kommentare zum letzten Blog haben mich bewegt, mich nochmals dem SpaceX Thema zuzuwenden. Wenn ich die Kommentare so bisher ganz zusammenfasse, dann kann man folgendes (jenseits persönlicher Diffamierungen) ziehen. "Du magst ja mit den Fakten recht haben, aber Musk hat eine Vision und das wird schon werden, es ist ja erst der vierte Start". Eigentlich denke ich, sollte Schreibern schon bei den Zeilen klar sein, das mit Visionen sich nichts kaufen kann. Eine Vision ist etwas tolles, aber Firmen kaufen keine Visionen sondern Produkte.
Ich habe wirklich die Meinung dass bei SpaceX man etwas abgehoben ist oder es zumindest an technischem Sachverstand fehlt. Neben den Fehlern bei den vergangenen Fehlstarts, die so heute einfach nicht mehr passieren dürfen, weil wir heute die Möglichkeit haben, Systeme vorher zu testen und Qualitätskontrollen durchzuführen, sind es vor allem die Äußerungen Musks, die für einen mit der Materie vertrauten befremdlich wirken. Wenn jemand z.B. hinsichtlich der Ausfallsicherheit den Cluster von Google mit einer Rakete vergleicht, dann hat er keine Ahnung. Ein ausgefallenes Raketentriebwerk kann, anders als ein abgestürzter Computer, andere umliegende Triebwerke beschädigen, zu Schubasymmetrien führen und zu höheren Gravitationsverlusten und es ist zusätzlicher Ballast der mitgeführt werden muss. Dies und vor allem das ersetzen von technischen Angaben durch solche Äußerungen und Vergleiche auf der Website halte ich für einen schwer wiegenden Mangel.
Um mal von mir wegzukommen: Gibt es noch eine unabhängige Quelle die sich mit SpaceX auseinandersetzt? Ich kenne nur ihre Website selbst und einige Typenbeschreibungen, auf anderen Websites die ihre Daten nutzen. Schon alleine das, sollte jemanden zu denken geben. Wenn ich nur die Website von SpaceX als Quelle habe, dann sollte ich sehr vorsichtig sein. Jeder der sich nur ein bisschen journalistisch betätigt sucht nach zwei unabhängigen Quellen.- Und gerade das bin ich. Ich setze mich damit pointiert auseinander, genauso wie bei SpaceX der Jubel vorherrscht.
Aber zu den Tatsachen: Der Transport von Satelliten ist ein Markt, allerdings ein besonderer. Es zählt nicht nur der Startpreis, sondern auch andere Faktoren, die ich mal aufführen will:
Zuverlässigkeit: Ein Begriff, der von SpaceX gerne in Anspruch genommen wird, aber bei dem es gerade hapert. Zuverlässigkeit ist definiert als die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nutzlast den Orbit erreicht denn man mit dem Kunden ausgemacht hat. Da jeder Raketentyp (mit Ausnahme der Saturn) Fehlstarts hatte liegt diese immer unter 100 %. Etablierte Typen erreichen nach einigen Jahrzehnten 98 %, so Ariane 4, die Delta 2, Sojus oder die Atlas Familie. Bei "neuen Trägern" muss man mit weniger rechnen, das liegt in der Natur der Sache. Die Rakete als ganzes kann man am Boden nicht testen und z.B. den Betrieb unter Schwerelosigkeit kann man am Erdboden gar nicht testen. Fehler treten daher bei neuen Trägern anfangs häufiger auf. Das kann man auch sehen wenn man die ersten Starts von Ariane 1, Ariane 5, Zenit oder Atlas V ansieht. Es gibt Ausnahmen von der Regel, wie die Delta IV. Trotzdem sind 3 Fehlstarts in Folge einmalig. Bis die Falcon auch nur auf eine Zuverlässigkeit von 90 % kommen soll, müssten die nächsten 26 Starts in Folge alle klappen. Es gibt keinen neuen Träger in den letzten 20-30 Jahren der dermaßen schlecht abschneidet und das ist heute einfach vermeidbar. Wie bei SpaceX üblich wird aber gerade die Zuverlässigkeit besonders hervorgehoben, das ist besonders pikant: Hohe Zuverlässigkeit in Anspruch nehmen und keine haben.
Die Zuverlässigkeit ist deswegen wichtig, weil darin das Vertrauen in einen Träger steckt. Was nützt es mir, wenn die Falcon billig ist, wenn ich riskieren muss meinen Satelliten zu verlieren? Selbst ein kleiner wissenschaftlicher Satellit kostet mit mindestens 50 Millionen Dollar weitaus mehr als ein Start. Selbst wenn der Start versichert ist (dann muss man bei der Falcon derzeit mit sehr hohen Prämien rechnen), so habe ich doch einen Verlust an Zeit: Der Satellit muss erst nachgebaut werden.
Nur ein Beispiel: Wie wichtig Zuverlässigkeit ist: Als 2007 eine Zenit auf der Startrampe explodierte, war dies der dritte bei 23 Starts der Zenit, und Kunden sprangen ab und buchten um auf die Ariane 5. Als die Proton M dann ebenfalls zwei Fehlstarts in zwei Jahren hatte und auf 85 % Zuverlässigkeit rutschte, verlor ILS ebenfalls Kunden. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um etablierte Träger mit viel mehr Starts als die Falcon. Man möge sich einmal das Backlog der Falcon anschauen und dort nach Nutzlasten von bekannten Firmen oder Satellitenherstellern suchen wie Loral, Hughes oder Aerospatiale. Die Falcon ist derzeit noch nicht von dem Markt akzeptiert.
Technische Kompetenz: Gerade das ist etwas was ich versuche in meinem Blog herauszustreichen: Sie fehlt bei SpaceX. Das ist durchaus keine Nörgelei, sondern es sind einfach Tatsachen, die ich versuche durch Vergleiche klar zu machen. Einige Tatsachen: Retroraketen sind seit 40 Jahren Stand der Technik. Das ist kein Luxus, den man sich leistet, sondern eine Sicherheitsmaßnahme um Stufenkollisionen zu verhindern. Prallbleche braucht man um Treibstoffschwappen zu verhindern. Diese mussten schon in die A-4 eingebaut werden, als diese durch Schwappen unkontrollierbar wurde. Das "weiß" man einfach. Wenn ich, der ich nur interessierter Laie bin, dies weiß und SpaceX nicht. Was würden sie draus schließen?
Das gleiche gilt auch für den jüngsten Start. Das der Orbit nicht der geplante ist, ist durchaus keine Lappalie. Geplant waren 330 x 650 km., Erreicht wurden 328 x 600 km. Diese Daten sind schlechter als die von SpaceX selbst in ihrem Payload Users Guide angegebenen, bei dem als maximale Abweichung 15 km im Apogäum vorgesehen sind. Dieser Wert ist übrigens recht hoch. Eine Rockot erreicht eine Genauigkeit von 9 km und eine Ariane eine von 2.5 km. Mittlerweile hat auch SpaceX die erste Angabe des endgültigen Orbits (nach einer zweiten Zündung) von 600 km kreisförmig auf 500 x 700 km revidiert. Verlässliche Zahlen wird man wohl erst bekommen, wenn die Bahn von den US Frühwarnstationen vermessen ist. Sollte dieser Orbit stimmen, so ist er mit Sicherheit unplanmäßig. Für einen Erdbeobachtungssatelliten wäre er aufgrund des stark wechselnden Erdabstandes (um 40 %) und entsprechend variierenden Geschwindigkeiten unbrauchbar.
Anderes Beispiel: SpaceX betont immer, die Preise wären deswegen so niedrig, weil man die erste Stufe bergen und wiederverwenden will. (Bei Falcon 9 Starts will man auch die zweite Stufe bergen, und wo dies nicht möglich ist, ist ein Start um 10 Millionen Dollar teurer sein). Dies ist bislang nicht gelungen. Auch bei diesem Start nicht. Es wurde nun verlautbart, man hätte nicht die Zeit gehabt eine thermische Isolierung anzubringen. Nun ja,. Andererseits sollen ja bald sehr viele Falcon 1 fliegen, da bleibt bei jedem Start nicht mehr Zeit als jetzt. Andererseits: Wenn ich die erste Stufe wiederverwende und dies wichtig für meinen Business Plan ist, dann bedeutet ein Verlust der Stufe für mich einen großen finanziellen Verlust. Da warte ich eben noch 1,2 Wochen bis die Thermalverkleidung an der Rakete ist.
Das ist mit einer der Punkte die so widersprüchlich sind und die in mir den Eindruck erwecken, dass mich jemand an der Nase herumführen will. Da sind wir bei dem dritten Punkt:
Vertrauen. Kennzeichnend bei SpaceX ist, dass immer alles rosig dargestellt wird und oftmals neuere Statements nicht zu alten passen. Ich habe schon den Orbit erwähnt: Die Einschussgenauigkeit ist eine zugesicherte Eigenschaft, die schriftlich in ihrem Payload Users Guide angeführt ist. Wenn diese nun nicht erreicht wird, wie im aktuellen Fall, dann heißt es nach dem Start eben anders. Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an? Mir muss man nicht glauben. Ich kann anders als SpaceX auch Zahlen nennen. So die merkwürdige Abnahme der Nutzlast der Falcon 1: Von 670 auf 420 kg. Der Preis steig dabei von 5.9 auf 7.9 Millionen Dollar. Oder man möge doch einmal die Nutzlast der Falcon 9 mit Trägerraketen derselben Technologie vergleichen, wie der Zenit oder Proton. Mir muss man nicht glauben. Ich kann meine Behauptungen mit Daten und Fakten beweisen.
Das ist das wichtigste: Wäre bei SpaceX alles Friede, Freude, Eierkuchen, dann wäre es wirklich nur Nörgelei. Doch dem ist nicht der Fall. Das eine Rakete keinen Orbit erreicht wie bei Flug 2, wird als "95 % Erfolg gefeiert". Sorry, aber das ist Leute-Verdummen. Ich habe nichts gegen neue Visionen und Konzepte. Ich glaube auch, dass man mit vernünftiger Auswahl der derzeit verfügbaren Technologie eine preiswertere Trägerrakete bauen kann, als sie derzeit im Westen auf dem Markt ist. Eine neue Firma hat auch den Vorteil nicht den Wasserkopf an Bürokratie zu haben wie etablierte Firmen und kann dann leicht billiger sein. Aber in realistischen Maßen. Vielleicht 25-30 %. Bei mehr muss man wirklich Abstriche machen und wohin dies führen kann sieht man ja. Ich habe nicht nur an SpaceX was zu kritisieren. ich kritisiere auch die derzeitige ISS Politik, die praktisch ein Alptraum ist oder die fehlende Entschlusskraft für eine neue Oberstufe bei Europa, und ich habe mir auch vorgenommen was zu Orion/Ares I zu schreiben. Visionen sind etwas für Politiker, die sich nicht um deren Umsetzung kümmern müssen. Unter Technikern und Wissenschaftlern spricht man eher von Tatsachen und Fakten. Nach zusammengenommen sicherlich 40-50 Stunden Beschäftigung mit SpaceX Website, dem Vergleich mehrerer Kopien von mehreren Jahren und dem Lesen diverser Interviews und Artikel von und mit Elon Musk habe ich das Gefühl das es an letztem fehlt. Ich bin auch der Meinung, dass wenn man sich in dem Maße wie ich es getan habe, mit SpaceX beschäftigt auch andere auf diese offensichtlichen Widersprüche und Fehler stoßen müssen.
Aber wenn der Blog über SpaceX nur ein paar Leute zum Nachdenken gebracht hat, so war er schon nützlich. SpaceX hat wenig mit Visionen zu tun. Sie ist eine Firma die Leistungen verkauft und das Verkaufen tut sie öffentlichkeitswirksam. Gerade deswegen denke ich müssen Leute die etwas von Raumfahrt verstehen, die Leistung ins rechte Licht rücken. So was nennt man in unserer Gesellschaft Meinungsfreiheit…. Sorry, wenn ich bei meinen Bloglesern Gehirn und Verstand voraussetze, Aber wem das zu schwierig ist, der kann ja andere Quellen nutzen. Warum Politiker für Visionen zuständig sind? Weil sie für alles sonst zu blöd sind. Aktuelles Beispiel: Eine Partei möchte "50 % + X " erreichen und ist enttäuscht… Dabei lernt man schon in der Hauptschule, dass für X=-7 die Gleichung aufgeht. Und so was will regieren….