Bernd Leitenbergers Blog

Ein „vernünftiges“ Mondprogramm Teil 3

So nun der dritte Blogeintrag von Thomas Jakaitis:

In den ersten beiden Blog-Einträgen zu diesem Thema bin ich auf die Grundüberlegungen und die Transport-Architektur für ein „vernünftiges“, bemanntes Mondprogramm eingegangen:
In diesem Blog-Eintrag will ich nun auf den Lunar Orbit Shelter (LOS) und die Mondbasis eingehen.
Der Lunar Orbit Shelter (LOS)

Der LOS ist eine modular aufgebaute Raumstation in der Mondumlaufbahn. Er erfüllt die folgenden Aufgaben:

Die maximale Größe (Masse) der Module ist abhängig von der Nutzlastkapazität der elektrischen Transferstufen, für welche in der Referenzarchitektur 12,5 t angenommen wird. Damit man sich das vorstellen kann: In dieser Größenordnung gab es bisher z.B. die Module Columbus (ISS) und Kvant (Mir). Aufblasbare Module mit dieser Masse könnten bedeutend größer sein.

Der Aufbau des LOS wird nach dem erfolgreichen Vorbild der Raumstation Mir durchgeführt: Unbemannte Transportraumschiffe (beim LOS die elektrischen Transferstufen) koppeln jeweils die neuen Module an die Raumstation an, wie das z.B. bei der Ankopplung des Kvant-Moduls an den Mir-Basisblock schon getan wurde. Kosmonauten unternehmen „nur“ die nötige „Feinarbeit“.

Der LOS kann z.B. aus den folgenden Modulen bestehen:

Der LOS ist somit aus ca. 8 Modulen zusammengesetzt. Wo dies sinnvoll und möglich ist, werden aufblasbare Module angewendet. Seine Masse beträgt mit angedockten Nachschubschiffen zusammen total 100 bis 150 t.

Seine Solarbatterien werden periodisch durch solche ausgedienter, elektrischer Transferstufen ersetzt.

Die Lageregelung des LOS wird so weit wie möglich von den angekommenen elektrischen Transferstufen unternommen, welche zu diesem Zweck allfällige Treibstoffreserven restlos verbrauchen.

Im normalen Betriebsmodus umkreist der LOS den Mond monatelang ohne eine Besatzung an Bord und wird von den Mondfliegern nur als Transitstation vorübergehend betreten und auch gewartet.

Er ist nur nach einem Missionsabort für längere Zeit bemannt: In diesem Fall beherbergt er eine Besatzung solange, bis ein neues Raumschiff angekommen ist, mit dem sie zur Erde zurückkehren kann (z.B. ein Jahr lang).

Das Strahlenbunker-Modul wird benötigt, damit eine anwesende Besatzung sich dort während solarer Eruptionen gegen die Strahlung schützen kann. Die Schlafgelegenheiten befinden sich im Strahlenbunker.

Mit der Trägerkapazität, welche im Teil 2 als ein zufälliges Fantasiebeispiel erfunden wurde, wäre der LOS nach 3 Jahren in der Mondumlaufbahn fertig erstellt. Dabei würden von den 4 genannten, großen Trägerraketen jährlich 1 bemannte Montagemission plus 3 unbemannte Modultransporte in die Mondumlaufbahn durchgeführt. Die im Strahlenbunker-Modul benötigten Wasservorräte und auch die von den Besatzungen benötigten sonstigen Vorräte könnten während der Bauphase z.B. von den kleineren Trägern (GSLV, Zenit und H2B) zum LOS transportiert werden.

Die Mondbasis

Die Standortwahl der Mondbasis ist ein Resultat aus dem unbemannten Mondprogramm.

Mit dem Aufbau der Mondbasis wird begonnen, nachdem der LOS in der Mondumlaufbahn fertiggestellt ist. Als Erstes muss der „Nucleus“ der Mondbasis erstellt werden, damit die Besatzungen während der Bauphase überhaupt eine Bleibe haben.

Die Mondbasis muss aufgrund der Nutzlastbeschränkungen der unbemannten Mondlander aus Modulen mit einer Masse von <= 4,5 t aufgebaut werden. Aus diesem Grund besteht sie aus aufblasbaren Modulen, welche in gefaltetem Zustand auf die Mondoberfläche transportiert werden.

Die aufblasbaren Module müssen von der Landestufe herunter genommen und an ihren Bestimmungsort gebracht werden, wo sie mit den dort schon vorhandenen Modulen verbunden, aufgeblasen und zum Schutz der Besatzung vor Strahlung mit „Erde“ (= Regolith) überschüttet werden.

Aufgaben wie diese werden von Rovers durchgeführt, welche von der Erde aus ferngesteuert werden. Der „Bautrupp“ wird bereits vor der ersten bemannten Mondlandung auf die Mondoberfläche gebracht und besteht aus den folgenden Typen von ferngesteuerten Rovers:

Im weiteren werden bereits vor der ersten bemannten Mondlandung die Solarbatterien einer elektrischen Transferstufe und RTGs (nukleare Batterien) auf die Mondoberfläche gebracht, damit die erste Crew dort über eine Energieversorgung verfügt.

Auch die Vorräte für die erste Crew werden bereits im voraus auf den Mond transportiert.

Die erste Mondlandecrew findet somit nach ihrer Landung auf dem Mond die folgende Infrastruktur vor:

Die Aufgabenstellung des ersten Mondtags lautet, alle Arbeiten durchzuführen, welche allenfalls noch notwendig sind, damit die erste Mondnacht überstanden werden kann. Die 70-Stundenwoche ist in der Mondbasis eine Selbstverständlichkeit !

Später – im Routinebetrieb – bleiben der Besatzung diejenigen Arbeiten vorbehalten, welche nicht von ferngesteuerten Robotern erledigt werden können, wie z.B.:

Als nächste Ausbauschritte des Nucleus folgen im Laufe der Zeit die folgenden Anbauten:

Im Laufe weniger Jahre des Mondbasis-Betriebs wird sich herausstellen, was für Einflüsse die geringe Mondschwerkraft von 0,16 g bei sehr langen Aufenthalten auf den menschlichen Körper ausübt.

Wahrscheinlich wird die Besatzung der Mondbasis mit Ballast-Kleidung unterwegs sein, um Muskelschwund zu verhindern. Ob dies aber ausreicht, eine Degeneration des Herz-/Kreislaufsystems und des Knochenbaus zu verhindern, muss leider bezweifelt werden.

Die in der Mondbasis erarbeiteten biologischen / medizinischen Resultate haben somit das Potenzial, die langfristigen Zielsetzungen der bemannten Raumfahrt maßgeblich zu beeinflussen.

Die Nutzung der lunaren Ressourcen für den Eigenbedarf findet aus finanziellen Gründen so früh wie möglich statt. Deshalb wird der Nucleus möglichst früh auch um erste Produktions- und Tank-/Lager-Anlagen für die folgenden Ressourcen erweitert:

Zur oben erwähnten Sonnenzellenproduktion:

Lunarer Ilmenit (FeTiO3) unterscheidet sich von terrestrischem Ilmenit dadurch, dass sein Eisen sich im 2+-Valenzzustand befindet, was bei terrestrischem Ilmenit nur teilweise der Fall ist; Der lunare Ilmenit hat also in der äussersten Schale des Eisenatoms zwei „Elektronenlöcher“. Dies hat zur Folge, dass lunarer Ilmenit – anders als der terrestrische – ein geeigneter Halbleiter ist. Lunarer Ilmenit ist bereits ohne „Doping“ ein geeigneter „p-type semiconductor“.

Zur oben erwähnten Sauerstoffproduktion:

Nur schon im Buch „The Moon“ von David Schrunk und diversen Co-Autoren sind bereits 20 verschiedene Methoden für die Sauerstoff-Extraktion aus Mondgestein beschrieben ! Die meisten der beschriebenen Prozesse extrahieren dabei noch weitere, wichtige Produkte aus dem Mondgestein (Metalle, Silizium, Volatile).

Zu den oben erwähnten Raketentreibstoffen:

In der Literatur können die folgenden Kandidaten gefunden werden:

Ausblick

Wenn der Nucleus der Mondbasis erstellt ist und einen genügend hohen Grad an Selbstversorgung aufweist (nach wenigen Jahrzehnten also), kann die nächste Etappe angegangen werden:

Unter „Fremdbedarf“ wird hier Folgendes verstanden:

Es gibt sogar Pläne, den gesamten Strombedarf der Menschheit mit auf dem Mond erzeugtem Solarstrom abzudecken ! (Ich selbst glaube nicht daran.) Google-Suchbegriff: „David R. Criswell“.

Referenzangaben zum Mondbasis-Nucleus

Einschlägige kg-Angaben:

Quellen:

Willy Z. Sadeh und Marvin E. Criswell: „Inflatable Structures For A Lunar Base“, Journal of The British Interplanetary Society, 1995/1

Sanders D. Rosenberg: „Lunar Resource Utilisation“, Journal of The British Interplanetary Society, 1997/9

Objekt

Gewicht in kg

aufblasbares Habitat-Module 6.1 x 6.1 x 2.44 m aus Kevlar 49 (ohne Inneneinrichtung und ohne Sicherheitsfaktoren)

195

Sauerstoff-Fabrik mit einem Leistungsbedarf von 41 kW und einer Produktion von 5 t pro Jahr auf Basis von Carbothermal Reduction

780

Sauerstoff-Fabrik mit einem Leistungsbedarf von 93 kW und einer Produktion von 32.7 t pro Jahr auf Basis von Carbothermal Reduction

3500

Sauerstoff-Fabrik mit einem Leistungsbedarf von 178 kW und einer Produktion von 65.3 t pro Jahr auf Basis von Carbothermal Reduction

6800

Sauerstoff-Fabrik mit einem Leistungsbedarf von 339 kW und einer Produktion von .130 t pro Jahr auf Basis von Carbothermal Reduction

12000

Der Regolith der Mondoberfläche ist folgendermaßen zusammengesetzt:

Quelle: The Moon, Schrunk et alii

Hauptelemente im lunaren Regolith (% Atome):

Element

Mare

Hochland

Durchschnitt

Sauerstoff

60,3 +- 0,4

61,1 +- 0,9

60,9

Silizium

16,9 +- 1,0

16,3 +- 1,0

16,4

Aluminium

6,5 +- 0,6

10,1 +- 0,9

9,4

Kalzium

4,7 +- 0,4

6,1 +- 0,6

5,8

Magnesium

5,1 +- 1,1

4,0 +- 0,8

4,2

Eisen

4,4 +- 0,7

1,8 +- 0,3

2,3

Natrium

0,4 +- 0,1

0,4 +- 0,1

0,4

Titanium

1,1 +- 0,6

0,15 +- 0,08

0,3

Spurenelemente im lunaren Regolith (Gramm pro m3 Regolith):

Element

Gramm pro m3

Schwefel

1800

Phosphor

1000

Kohlenstoff

200

Wasserstoff

100

Stickstoff

100

Helium

20

Neon

20

Argon

1

Krypton

1

Xenon

1

Der sandige, mineralische Regolith der Mondoberfläche kann voraussichtlich durch Kompostbeigabe fruchtbar gemacht werden. Die „Produktion“ eines Astronauten beträgt ca. 25 kg pro Jahr (365 x 70 g Feststoff).

Quelle: Komposttoiletten, Claudia Lorenz-Ladener

Kot

Urin

Menge pro Person und Tag

240 g

1,5 l

Trockensubstanz (TS)

60 g = 25 %

60 g = 5 %

organischer Anteil der TS

90 %

75 %

mineralischer Anteil der TS

10 %

25 %

N Stickstoff

5 – 7 % = 3 – 4 g

15 – 19 % = 3,6 – 4,5 g

P2O5 Phosphat

3 – 5 %

2,5 – 5 %

K2O Kaliumoxid

1 – 2,5 % = 0,6 – 1,5 g

3 – 4,5 % = 1,8 = 2,7 g

C Kohlenstoff

40 – 55 %

11 – 17 %

mineralische Spurenelemente, Zellulosen, Ballaststoffe

30 – 50 %

11 – 17 %

C-/N-Verhältnis

7:1

1:1

gasförmiger Stickstoffverlust

60 – 80 %

P2O3 Phosphor

1,8 – 3 g

1,5 – 3 g

gasförmiger Kohlenstoffverlust

40 %

Feststoff insgesamt

ca. 60 g

ca. 10 g

gasförmige Verluste (Verdunstung)

ca. 170 g

ca. 1,49 l

Die mobile Version verlassen