Bernd Leitenbergers Blog

Nur eine Verteilungsfrage?

Immer wieder wenn es um Hungerkatastrophen geht egal ob verursacht durch die Natur (Dürre, Missernten) oder den Menschen (Krieg) kommt irgendwann das Argument: „Der Hunger wäre auf der Erde lösbar, wenn nur die Agrarüberschüsse einfach gerecht verteilt werden würden“. Ich habe da meine Zweifel, auch wenn ich zugeben muss, dass ich da in früheren Jahren gedacht habe, das wäre eine Lösung.

Insbesondere für Europa: Die EU garantierte ja lange die Agrarpreise und kaufte Überschüsse auf um sie zu vernichten oder einzulagern. Wer in meinem Alter (also den besten Jahren ist), der kann sich noch erinnern wie zu Weihnachten immer die Butter billiger wurde, weil die EU Butter billig auf den Markt warf um ihre Überschüsse abzubauen. Doch dem ist schon lange nicht mehr so. Man mag ja gerne auf die EU schimpfen und ich tue das auch gerne, weil die EU Verordnungen unser Lebensmittelrecht wirklich kaputt gemacht haben. Aber in der Agrarpolitik hat die EU es fertig gebracht die Überschüsse rapide zu reduzieren, auch weil nun es anders läuft: Wer zu viel produziert bekommt einen geringeren Preis und da in ganz Europa teurer als im Durchschnitt der Welt produziert wird bekommt man die Überschüsse auch nicht auf dem Weltmarkt los.

Heute gibt es kaum noch Überschüsse, aber selbst die wenigen richten noch Schaden an.

Sie werden nach Nordafrika verkauft und führen dazu dass dort bestimmte Bereiche der Landwirtschaft unwirtschaftlich werden. In einigen Staaten lohnt sich Hühnchenzucht und Milchwirtschaft nicht mehr. Anstatt lebendiger Hühner gibt es auf dem Markt Hühner in Kleinportionen zu kaufen und noch perverser anstatt frischer Milch Milchtrockenpulver. Das übrigens Hühner als Überschuss produziert werden, daran trägt der Verbraucher mit Schuld: Der kauft nur noch selten ganz Hühner oder Hähnchen sondern möchte nur noch Schlegel oder Flügel – der Rest wandert nach Afrika.

Für die EU ist es die billigste Möglichkeit ihre Überschüsse loszuwerden, da selbst wenn sie sie verschenkt sie noch Geld spart – Lagerung kostet auch Geld. Man kann nur froh sein, dass es nur noch geringe Überschüsse sind. Trotzdem scheinen die Folgen gravierend zu sein und zur Verelendung in den Ländern beizutragen.

Es kann noch schlimmer kommen. So fischen Fischer vor dem Senegal Fisch für die EU oder verkaufen ihre Fischrechte an EU-Schiffe die dann dort den Fisch holen, denn es in Nordsee und Mittelmeer nicht mehr gibt. Fisch ist seit jeder Fernsehkoch von der Wirkung von Omega 3 Fettsäuren schwärmt ja so beliebt. Ist ja auch echt gesund. (Dass der meiste verkaufte Fisch Magerfisch ist und somit kaum fett und kaum Omega-3 Fettsäuren entgeht den Fernsehköchen wohl). Bald wird wohl dann noch in Afrika Palm- und Palmkernöl angebaut, damit bei uns die Autos angeblich ökologisch fahren können. Deswegen wird ja schon in Indonesien und Brasilien der Urwald gerodet. Der Export von Überschüssen in Ländern in denen es regelmäßig Hungersnöte gibt würde auf Dauer nur eine totale Abhängigkeit von diesen Überschüssen schaffen. Manche Länder kommen seit Jahrzehnten immer wieder in die Schlagzeilen wie Äthiopien, da vermute ich eher, dass es zu viele Menschen oder zu wenig landwirtschaftlich nutzbare Fläche gibt.

Welche Lösung gibt es?

Ich glaube keine, zumindest nicht eine mit der alle zufrieden sind. Man könnte nun einfach sagen: Die EU zahlt nichts mehr für Überschüsse – Europa soll die auf dem Weltmarkt verkaufen. Wobei ich mit „Europa“ die Landwirte meine, nicht die EU. Sicher ist es sinnvoll nicht mehr zu produzieren als man verbraucht, doch bei Landwirtschaft ist das nicht so leicht möglich. Man möge sich nur mal an den Sommer 2003 mit Hitzewellen zurückerinnern oder an das letzte Frühjahr, das dazu führte dass wir z.B. von unseren vier Apfelbäumen nur gerade mal die Hälfte vom Vorjahr geerntet haben. Wenn Überschüsse nicht mehr verkaufbar sind oder nur zu einem geringen Preis, dann führt es dazu dass langfristig eher weniger produziert wird als Europa für die Selbstversorgung benötigt. Das scheint ja schon heute weitgehend der Fall zu sein wie ich diesem Spiegel Bericht entnehme.

Man darf sich auch nicht damit trösten, dass die EU hier noch ein kleines Licht ist und die USA mit ihrer industriell betriebenen Landwirtschaft und billigen Lebensmitteln wahrscheinlich viel größeren Schaden anrichtet. Zumindest könnte die EU anfangen das Zeug so zu verkaufen, dass es in Afrika nicht billiger als einheimische Erzeugnisse ist, auch wenn sie nicht alles losbekommt. Der Rest kann dann für Wohltätigkeitsaktionen in Europa (siehe Spiegel Bericht) oder bei akuten Hungersnöten verschenkt werden, aber eben nur der Rest und nicht als Dauerversorgung.

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