Bernd Leitenbergers Blog

Deutsche Gerichte und das Internet

Vor ein paar Wochen habe ich in der ct‘ einen Artikel über das Internet und wie es Gerichte beschäftigt gelesen. Da das Thema ja von Alexander aufgegriffen wurde ist es mal Zeit meinen Senf dazu zu geben. Es gibt erst mal aus technischen Gründen zwei grundsätzliche Dinge zu unterscheiden:

Fangen wir mit dem ersten an. Hier ist keine besondere Sachkenntnis nötig. Der Richter benötigt natürlich Internetkenntnisse, muss das Medium also kennen und benutzen. Das ist z.B. gegeben bei den Abmahnfallen, also irgendwelchen Seiten auf denen man irgendetwas runterladen kann das eigentlich umsonst ist. Das hier Betrug vorliegt ist inzwischen auch unstrittig. Bislang wurden alle Fälle in denen ein Betrag eingeklagt wurde zu Ungunsten der Kläger entschieden. Meistens sogar mit dem Hinweis bei der Urteilsbegründung dass dies an Betrug grenzt. Die Betreiber von diesen Seiten versuchen daher auch eher durch eine Drohkulisse wie angeblichen negativen Schufaeinträgen oder Drohbriefe die als Abmahnungen oder Inkassobriefe ins Haus kommen an ihr Geld zu kommen.

Um so erstaunlicher ist aber, dass der zweite Instanzweg völlig anders läuft. Obwohl kein Zivilgericht jemals einem Anspruch eines Abofallenbetreibers nachkam und einige Urteile das sogar als Betrug bezeichneten, blieben die Handlanger und die Verursacher bisher straffrei. Sowohl die Betreiber gegen die es zum Teil Hunderte von Strafanzeigen gab wie auch deren Anwälte, die sie bei den Massenverfahren vertraten und damit Beihilfe zu Betrug leisteten gingen bisher straffrei aus. Das ist sehr bedauerlich, weil solange die Personen die solche Geschäften nachgehen und ihre Handlanger (anders kann man es nicht bezeichnen wenn man eine Forderung eintreiben will, bei der schon ein einfacher Blick auf die Webseite zeigt dass sie unberechtigt ist, man spätestens aber bei den Massen der Anschreiben und der Widersprüche stutzig werden sollte) straffrei ausgehen solange blüht auch dieses „Geschäft“. Solche Anwälte sollten aus der Anwaltskammer ausgeschlossen werden.

Das zweite Feld ist das wo technische Erfahrung nötig ist. Der normale Internetnutzer kauft nun mal eben einen WLAN-Router und kümmert sich nicht um Verschlüsslung. WEP. WPA, welcher Laie kennt die Unterschiede, genauso bei den Verschlüsselungsverfahren. Wenn ja, wie bitte kann man die WLAN abhören? Wenn er über ein fremdes Netzwerk reinkommt kann er ja auch nicht mit Bordmitteln die Mails des Eigentümers des Netzes lesen. Ja, aber eben nur mit Bordmitteln. Wer so was wie Wireshark installiert kann jeden Rahmen mitlesen der durchs Netzwerk geht. Okay nicht sehr selektiv, aber man kann ja filtern und z.B. nur Rahmen mitschneiden die vom Mail Protokoll stammen.

Noch schwieriger wird die Sache bei den Bittorrent-Netzwerken. Das läuft dahingehend dass jemand mit einem Client sich in ein solches Netzwerk eingewählt und mit einem speziellen Modul nach Rechnern sucht auf denen eine urheberrechtsgeschützte Datei des Klienten von jemanden gehostet wird. Es würde mich mal interessieren ob überhaupt geprüft wird, ob diese komplett vorliegt, oder nicht.

Interessant ist aber nun aber wie die juristischen Instanzen mit den Anzeigen umgehen. Die werden nämlich einfach durchgewunken. Lustig wird es dann vor Gericht. Dort werden die Ausdrucke dieser Programme als Rechtsbeweis anerkannt, die Logdateien der Router die Angeklagten aber nicht. Das ist deswegen seltsam, weil es zum einen schon Verwechslungen gab (bei der Auskunft der Provider gab es Zahlendreher) wie auch diese Software nachgewiesenermaßen falsche Zeitstempel hatten, teilweise sogar zwei verschiedene auf der Seite. Da IP-Adressen dynamisch vergeben werden, wurden so die falschen erwischt.

Vor allem ist das aber eine Ausgabe einer Software, die vom Kläger im Auftrag programmiert wurde. Diese Ausgabe soll also fälschungssicher sein, die Logdateien  des Routers aber nicht? Ist für mich technisch nicht nachvollziehbar. Weder bei der Ausgabe die ja auch verfälscht sein kann, noch bei der Erstellung selbst, denn diese wurde ja nicht vom Gericht überprüft. Man glaubt hier dem Kläger der selbst die Software erstellen lies – das ist ja wie die Lizenz zum Gelddrucken.

Da gäbe es ja noch den Provider: Doch nun wird es bizarr, man glaubt es kaum. Also im Allgemeinen werden alle IP-Adressen nach 7 Tagen gelöscht. Wenn nun ein Urheberrechtsverstoß angezeigt wird, so gibt es einen Quck-Freeze der das aufhält. Soweit so gut. Doch nun kommt es: Nach der Auskunft werden die Daten gelöscht! Der Betroffene hat so keine Möglichkeit seine Unschuld zu beweisen! (Wer’s nicht glaubte: Da nachzulesen)

Neben der Umkehr der Beweislast vermisse ich hier rechtsstaatliche Grundsätze, z.b. der Nachweis seitens des Klägers, dass seine Daten auch korrekt sind, z.b. durch ein unabhängiges Gutachten. Das nächste sind dann die angeführten angeblichen Schäden. Diese werden enorm hoch beziffert. Würde man dieser Argumentation folgen, so wären ganze Branchen vor dem Bankrott. Tatsächlich wird aber immer mehr Musik, Filme und Spiele verkauft. Wenn tatsächlich auf jede entdeckte Kopie 10 bis 100 illegale, nicht entdeckte Kopien kommen würden, dann würde sich das auch in den Umsätzen bemerkbar machen. Das ist aber nicht der Fall. Trotzdem zweifeln auch an dieser Tatsache niemals Gerichte. Das ist wie wenn sie bei Glatteis hinfallen würden, sich den Arm brechen und dann den Hauseigentümer auf 5 Millionen Euro verklagen – schließlich waren sie gerade daran sich für für die Olympiaqualifikation zu bewerben und da würden sie die Goldmedaille in der Gymnastik machen und enorm viel Geld durch Werbung verdienen – verrückt ja aber genauso argumentieren die Rechteinhaber.

Das ist nur ein Beispiel wie es bei uns in der Justiz anders läuft. Etwas anderes sieht man derzeit bei Stuttgart 21. Da hat ja Mappus den Polizeieinsatz gegen die Demonstranten mit dem Schutz von Bauvorhaben begründet. Das geschah im Vorauseillenden Gehorsam, denn im Schlossgarten waren die Fällaktionen am 1.10. geplant und am 29.9 wurde er geräumt. Es wurde also nicht gewartet bis der Bauträger DB eine Anziege stellte sondern vorbeugend geräumt. Lieber MP Mappus: Mein Bruder hat einen Mieter der seit Monaten keine Miete zahlt, ihm wurde gekündigt und er zieht nicht aus. Auch er hält nun Eigentum wiederrechtlich besetzt. Wann kommt denn da mal die Polizei vorbei und setzt die Interessen meines Bruders durch? Ach gar nicht? Da darf man über Räumungsklage, Gerichtsvollzieher über die Instanzen gehen und muss Jahre warten bis man sein Recht bekommt? Ja wenn das nun eine Wohnung der DB wäre, dann liefe das sicher anders…..

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