Bernd Leitenbergers Blog

Atom- und Wahlnachlese

Nun einige Wochen nach dem Super-Gau von Japan wird es an der Zeit für eine Nachlese und zwar eine etwas allgemeiner gehaltene. Ich möchte an dieser Stelle mal meine Einstellung zur Kernkraft in den letzten Jahrzehnten reflektieren. Ich war ursprünglich für Kernkraft. Wie viele andere, glaubte ich an umweltfreundliche Energie und für mich war zumindest in den frühen achtziger Jahren es kein Widerspruch das Klima zu schützen und Kernkraft einzusetzen um Kohlendioxid zu vermeiden.

Dann kam Tschernobyl. Bei mir hat es die Meinung geändert und ich bin (anders als die meisten) auch bei dieser über die letzten 25 Jahren geblieben. Vor allem ist es interessant wie man bestimmte Phrasen immer hört: Als es in Fukoshima ernster wurde, aber man noch nicht ganz genau wusste was passiert ist, gab es in den ersten Verlautbarungen ja auch die gleichen Sprüche: „deutsche Atomkraftwerke sind sicher“ und ein Unionspolitiker verwies dann auch darauf, was passiert wenn man in Deutschland aussteigt – was wird mit den unsicheren Atomkraftwerken in den Nachbarländern wie Frankreich Tschechien und Österreich… Die sind ja dann immer noch da und gefährlich (sie sind ja keine deutschen Atomkraftwerke).

Nun das zeigt schon wie es läuft. Abwiegeln, beschwichtigen, von den Problemen ablenken. Das zeigt sich schon am obigen Zitat: Österreich hat in der Tat ein Kernkraftwerk, nur ging es nie ans Netz. Es wurde vorher durch Volksentscheid stillgelegt und ist wohl das einzige sichere Kernkraftwerk der Welt. Aber es geht ja darum zu suggerieren, das Deutschland von Kernrkaftwerken umzingelt ist und eh nichts machen kann. Immerhin kann man für das Landesinnere die Situation verbessern und den Osten auch, weil die meisten an der Westgrenze liegen.

Dann das so ewig beschworene „deutsche Kraftwerke sind sicher“. Warum eigentlich? Nur weil sie in Deutschland hergestellt werden? Bei anderen Industrien hat doch Deutschland auch keine Führungsrolle, so bei der Elektronik. Das kommt alles aus Asien oder Amerika. Das Argument zog noch bei Tschernobyl – der Reaktortyp war ein anderer und man unterstellt den Russen ja, dass Ihnen Menschenleben nicht so wichtig ist, Hauptsache es gibt Strom. Nun eines ist sicher unstrittig: Durch den Moderator Graphit konnte der Tschernobylreaktor brennen und so großflächig die Landschaft verseuchen. Das ist bei einem Siedewasserreaktor nicht in dem Maße gegeben. Aber wie Fukoshima zeigt kann auch hier Radioaktivität austreten. Und was war 1979 mit Harrisburg? Da entging man ja auch gerade noch einer Kernschmelze und einer Wasserstoffexplosion. Sind amerikanische Kernkraftwerke vom netten großen Bruder denn auch so unsicher? Ich habe das Argument ja schon 1986 nicht mehr geglaubt, im Gegensatz zu den Politikern.

Es gibt natürlich einige Einwände gegen das „ist sicher“ Argument. Das eine ist, dass nur Fälle berücksichtigt werden, die man annimmt. Bei Fukoshima war ja nicht das Erdbeben oder der Tsunami schuld. Beides war am Ort des Reaktors schon soweit schwächer (das Epizentrum war deutlich nördlicher), dass der Reaktor es überstand. Er wurde ordnungsgemäß heruntergefahren, ganz nach Handbuch. Was ihm zum Verhängnis wurde, war der Ausfall des Stromnetzes als Folge der Ereignisse über einige Tage und dadurch Ausfall der Pumpen. Unwahrscheinlich? Hatten wir nicht vor ein paar Jahren in Norddeutschland mal einen Ausfall des Stromnetzes in einigen Regionen über Tage?

Das ist also1:1 auf Deutschland übertragbar. Das zweite was die eigentliche Explosion von Tschernobyl verursachte, waren Bedienungsfehler und die können immer vorkommen, nicht nur in Russland.

Das zweite warum ich mich gegen Kernkraft wendete, war einfach die Güterabwägung: Was hat man als Nutzen und was als Risiko. Das Risiko, das zeigte Tschernobyl, ist eine unbewohnbare Gegend in einem Umkreis von 60 km. Ziehen sie mal einen Kreis mit einem Radius von 60 km um jedes deutsche Kernkraftwerk und malen sich die Folgen aus – es müssten ganze Großstädte wie Stuttgart oder Hamburg aufgegeben werden. Das ist das Risiko. Was ist der Nutzen? Es sind höhere Gewinne der Stromkonzerne. Wohlgemerkt nicht billiger Strom wie er immer genannt wird. Denn er ist nicht billiger. Wir haben nun seit 10 Jahren eine Strommarktliberalisierung und ich habe letztes Jahr von EnBW auf einen anderen Anbieter gewechselt. Der EnBW Strom war zu 40% aus Kernenergie und er war teurer als der eines kleineren Stadtwerkes ohne Kernenergie. Es ist schlicht und einfach nicht so, dass Atomstrom billiger ist, zumal nur ein Drittel des Strompreises auf die Herstellung entfällt, der Rest auf die Gebühren für das Leitungsnetz und die Steuern und verordneten Abgaben.

Ich finde es auch interessant wie z.B. das Entsorgungsproblem von den Politikern völlig ignoriert wurde. Seit 30 Jahren sucht man nun schon ein Endlager. Bzw. man streitet über das beste. Ich frage mich: Gehört das nicht mit zur Konzeption? Müsste ein solches Lager nicht schon bereit stehen, bevor überhaupt der erste Reaktor in Betrieb geht? Wie kann man es verantworten, diese Frage nicht zu lösen und trotzdem die Reaktoren weiter zu betreiben und mehr und mehr Atommüll zu produzieren?

Ich frage mich, wie nun Politiker ernsthaft für die Atomkraftwerke sein können, denn sie nutzen ja nur den Interessen von vier großen Konzernen und bürden die Kosten für die Entsorgung der Allgemeinheit auf. Man kann sich nicht des Eindrucks entziehen, dass die Politiker, die sie trotzdem noch vertreten, entweder strunzdoof oder gekauft sind. Diesen Eindruck kann man sich auch nicht erwehren, wenn sie (was immer wieder der Fall ist), davon sprechen, dass ohne Atomstrom es nicht geht. Das Fernsehen hat nach der Wahl in BW nochmals an Whyl erinnert. Da hat unser ehemaliger MP Filbiner 1975 prognostiziert, dass ohne das AKW Whyl in BW „Ende des Jahrzehnts die ersten Lichter ausgehen“. Und nichts ist passiert. Innerhalb von zehn Jahren ist der Anteil regenerativer Energien auf 17,5% gestiegen. Wir haben eine Überkapazität aufgebaut und nur deswegen war es möglich von Heute auf Morgen einfach sieben Reaktoren vom Netz zu nehmen, also ein Drittel aller AKW. Wenn das so weiter geht, brauchen wir in weiteren zehn Jahren keine AKW mehr.

Auch hier muss man den Sachverstand von Politikern anzweifeln. Kennen sie nicht die Überkapazität? Aber das muss man nicht, denn das Moratorium zeigt ja, dass sie genau wissen, dass man vin wenigen Tagen sieben Reaktoren abschalten kann ohne die Versorgung zu gefährden, während sie vor wenigen Monaten noch sagten ohne sie bricht alles zusammen und man muss die Laufzeiten verlängern. Nur wird dann eben nicht das Gesetz mal schnell geändert (ging vor vier Monaten ja auch) sondern wahlkampfwirksam ein „Moratorium“ verkündigt. Das Ziel war es wohl nach drei Monaten das wieder aufzuheben, wenn der Staub sich gelegt hat. Scheint so als ginge diese Rechnung nicht auf.

Meine Meinung: Man braucht keine Gesetze über Laufzeiten sondern nur Marktwirtschaft. Das klingt verrückt? Nein ist es nicht. Die Konzerne sollen ihre AKW betreiben können auch neue bauen können, wenn sie wirtschaftlich sind, Nur eben mit allen Kosten auch denen die heute der Allgemeinheit aufgebürdeten. Dazu gehören:

Ich wette, wenn man so die Kosten der Atomenergie den echten Kosten anpasst, sind die Reaktoren schneller vom Netz als es sich selbst grüne Politiker vorstellen können.

Man kann die letzten Wahlen ja auch anders interpretieren. Nicht als Folge von Fukoshima, denn es hat die Regierung ja sofort gehandelt. (Andere Länder wie die USA ja gar nicht, dort werden sogar neue AKW gebaut). Sondern als Ausdruck der Glaubwürdigkeit der Parteien. Die liegt nach Ansicht des ZDF Politbarometers derzeit so:

„Noch schlechter steht es um die Glaubwürdigkeit seiner Partei: 79 Prozent halten die FDP für unglaubwürdig. Am besten schneiden auch bei der Glaubwürdigkeit die Grünen mit 62 Prozent ab. Bei allen anderen Parteien ist das Verhältnis von Glaubwürdigkeit zu Unglaubwürdigkeit deutlich schlechter: SPD 45 zu 49 Prozent, CSU 37 zu 54, CDU 35 zu 60, Linke 22 zu 71 Prozent.“.

Die Mehrheit der Bürger hält also die Regierung für unglaubwürdig. Die Verluste der FDP sind am höchsten und ihre Glaubwürdigkeit am geringsten. Die Gewinne der Grünen am höchsten und ihre Glaubwürdigkeit die höchste. Es wurden die Partien abgestraft denen man ihre dauernden Wechsel nach dem Wind nicht mehr abnimmt. So dumm ist der Wähler dann doch nicht,

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