Heute jähren sich zwei historische Daten in der Raumfahrt: Vor dreißig Jahren startete die erste Raumfähre Columbia zu ihrem Jungfernflug mit Bob Crippen und John Young und vor fünfzig Jahren war es Gagarins erster Raumflug.
Ich will mich mit dem ersten beschäftigen und wenn die Shuttles ausgemustert sind auf diese zurückblicken.
Bis heute gibt es sehr wenig Material über den Flug von Gagarin. Das meiste wurde erst nach der Öffnung der Sowjetunion bekannt. Das wohl spektakulärste, neben einigen kleineren Vorkommnissen, wie dem Verlust des Bleistifts in der Schwerelosigkeit, war, dass sich die Landekapsel der Wostok beim Wiedereintritt nicht vollständig von der Serviceeinheit löste und noch mit einer Leine verbunden war und so am Anfang des Wiedereintritts um den gemeinsamen Schwerpunkt torkelte. Erst die Hitze durchtrennte die Verbindung. Gottseidank war die Landekapsel als Kugel mit einem die ganze Oberfläche bedeckenden Hitzeschutzschild ausgelegt, sodass sie keinen Schaden nahm.
Ich habe in der aktuellen Sterne und Weltraum einen Bericht über Gagarin und seinen Flug gelesen. Eines hat er aber verschwiegen, genauso wie die Sowjetunion damals: Gagarin hatte zwar den Rekord für den ersten Raumflug aufgestellt (wofür es reichte, eine Höhe von 100 km zu erreichen), aber die Sowjetunion weigerte sich den genauen Startort zu nennen (und gab später Tjuaratam an, das jedoch 270 km nördlicher lag) und schließlich fehlten die Details über die Landung: Aus gutem Grund, denn Gagarin war nicht in dem Fluggerät gelandet, wie es für die Anerkennung des Rekords vorgeschrieben war, sondern vorher mit dem Fallschirm ausgestiegen – das war bei Wostok so vorgesehen.
Noch weitgehend weniger bekannt ist, dass Gagarin keinen ganzen Orbit durchlaufen hat. Zwar ist der Landepunkt südlicher als der Startpunkt (45° zu 50°), aber von dieser Strecke geht die Aufstiegsbahn der Rakete ab und die Bremsung erfolgte auch schon einige Minuten vor der Landung, sodass die Orbithöhe verlassen wurde. Aber Gagarin hat immerhin die Orbitalhöhe und vor allem die Geschwindigkeit für einen Orbit erreicht.
Das taten die beiden ersten Raumfahrer der USA nicht und so wird auch John Glenn als erster Amerikaner nach seinem Raumflug frenetisch gefeiert, denn er erreichte einen Orbit. Die SuW hat da eine andere Sicht. Auf den Artikel folgt eine Übersicht der Raumflüge, wobei auch drei private Raumflüge enthalten sind. Sie kennen keine drei privaten Raumfahrer? Nun in der Zeitleiste wird deutlich, dass die Redaktion die Flüge von „Spaceship One“ als Raumflüge ansieht. Vielleicht weil es gerade en Vogue ist und es nur wenige sind. Ob sie auch noch dazu zählen wenn es einige Hundert sind? Das könnte in einigen Jahren so sein. Denn SpaceShip One erreicht gerade einmal etwas mehr als dreifache Schallgeschwindigkeit. Dazu benötigt das Raumfahrzeug wenig Treibstoff und es könnte sehr oft fliegen. Ich halte es für einen grundsätzlichen Fehler, zwei unterschiedliche Flüge zu vermischen, nämlich die welche einen Orbit erreichen (v=7.800 m/s) und denen welche die Grenze des Weltraums (100 km Höhe) ankratzen (v=1.100 m/s). Genauso gut könnte man Autos die 50 km/h erreichen und welche die 350 km/h erreichen, beide als „Rennwagen“ bezeichnen. Da würde jeder auch dies als Unsinn ansehen oder man müsste zu den Starts von Satelliten auch die von Höhenforschungsraketen hinzuzählen.
Interessant ist, dass bis heute es kaum technische Details zu dem Wostok-Raumschiff gibt und auch nicht so viele zur Sojus Trägerrakete trotz 50 Jahren die seitdem vergangen sind. Woran es liegt? Also Geheimhaltung kann es heute nicht mehr sein. Ich vermute das diese technikaffine Ader einfach in Russland nicht so verbreitet ist. Wer von russischen Autoren Bücher über die Raumfahrt liest findet auch viele Geschichten, aber kaum etwas über die Technik. Nicht umsonst hatten damals ja alle Produkte nur „Erzeugniscodes“ und keine echten Bezeichnungen. Wichtiger waren Personen und propagandistisch wichtige Leistungen, was ja bis heute so gilt. So ist die Erforschung mit Satelliten seit dem Zusammenbruch der GUS praktisch zum Erliegen gekommen. Nur noch die publizistisch wirksame bemannte Raumfahrt ist übriggeblieben. Vielleicht ist die Technikfixierung etwas typisch westliches (vielleicht noch japanisches). Trotzdem wäre es ganz nett wenn man nicht weitere 50 Jahre bis zu Details über die Wostok warten muss.