Bernd Leitenbergers Blog

Kampf der Entropie

So, nun bin ich zurück vom Arbeitsurlaub aus unserem Ferienhaus. Das ist die beste Umschreibung von dem was ich dort mache. Primär geht es darum ein bis zweimal pro Jahr nach dem rechten zu sehen, Großputz zu machen, das Unkraut aus den Terrassen- und Gehwegfugen zu entfernen und selbiges mit dem Hochdruckreiniger zu putzen und die Sträucher wieder zurechtzustutzen. Aber es bleibt auch immer etwas Zeit für mich, wobei im Allgäu ohne Auto die Möglichkeiten etwas zu unternehmen natürlich begrenzt sind. Dazu kommen immer ein paar Instandhaltungsarbeiten, diesmal waren einige Möbel und die Türen neu zu lackieren.

Interessant ist für mich eines: ich putze dort so viel, wie niemals daheim, mit einer Intensität die ich auch zuhause nie machen würden, wie z.B. alle Möbel die beweglich sind, wegrücken um an die Fugen und versteckten Stellen zu kommen. Dabei ist es dort in der Regel schon recht sauber (diesmal nicht, weil die Gäste die vor mir drin waren, einen Hund hatten). Vielleicht weil ich ein enges Zeitfenster habe, wahrscheinlich aber auch, weil ich bei den Gästen vorher die Endreinigung abbestelle und das Geld dafür bekomme, sofern die nachfolgenden Gäste zufrieden sind.

Privat halte ich es mit dem Motto zu putzen, wenn mich der Dreck stört, nicht aber regelmäßig. Das ist ein Riesenunterschied zu meiner Mutter, die das anders sieht und meint bestimmte Tätigkeiten müssten regelmäßig durchgeführt werden und vor allem viel weniger Schmutz toleriert. Da sie nun aber 86 ist, muss ich das Haus nun für sie mit putzen. Ich habe wie viele Männer eine Vorliebe für technische Geräte. Früher habe ich sogar die Treppen mit dem Staubsauger geputzt. Derzeit ist mein Lieblingsgerät der Hochdruckreiniger, weil die Erfolgsergebnisse doch recht deutlich sind, auch wenn ich gehört habe, dass es den Stein aufraut, sodass er schneller neu verschmutzt. Aber im Ferienhaus hat sich auch ein Dampfreiniger bewährt, weil wir dort sehr empfindliche Platten haben. Vielleicht lege ich mir auch so einen für daheim zu.

Ich finde es erstaunlich, für wie viele Leute Sauberkeit wichtig ist. Bei uns im Sachwabenland denkt man da ja sofort an die Kehrwoche als nationale Institution. Jeden Samstag sieht man die Leute draußen fegen, sogar den Bürgersteig. Ich denke mir: Warum? Unsere Stadt fegt ja auch nicht ihre Straßen und räumt sie auch im Winter nicht, mit Ausnahmen einiger Hauptstraßen. Earum soll ich also den Bürgersteig fegen? Besonders interessant ist, wie manche Leute annehmen ihre Vorstellungen von Sauberkeit wären normal. Oder sagen wir es besser: eigentlich jeder denkt seine Vorstellung von Sauberkeit ist normal oder anders gesagt: allgemeingültig. Es gibt sicher Fälle, die sind unstrittig wie die Messy-Wohnung oder auch zahlreiche Zimmer weiblicher Teenager (bzw. seit ich GTNM schaue weiß ich, das gilt auch für junge Frauen). Aber es ist auch erstaunlich wie manche nur auf bestimmte Dinge achten. Meine Mutter zum Beispiel hat es mit Spinnweben, selbst wenn die in nur mit Hilfsmittel erreichbaren Ecken sind und man sie nur sieht wenn man zur Decke schaut. Auf die Idee, auch mal die Schränke oben abzuwischen, kommt sie aber nie. Oder: bei der Küche muss die Front sauber sein, nicht aber das Innere wo die Lebensmittel sind.

Mein erschreckendstes Erlebnis waren die Mitarbeitertreffen bei meinem letzten Arbeitgeber. Regelmäßig beschwerten sich die beiden Sekretärinnen über die Sauberkeit der Küche. Als das zum ersten Mal aufkam, war für mich klar: ich benutze die Küche nicht, stattdessen habe ich mein Geschirr lieber auf dem Klo gespült. Das war ein Dauerthema bei den Sitzungen obwohl allen Beteiligten klar war, dass die Küche auch von den Mitarbeitern des Rechenzentrums genutzt wurden (deren Arbeitszimmer schon aussahen als wäre ein Tornado durchgegangen und vor allem von den Professoren die ja nicht zu den Mitarbeitern zählen. Einmal gab es sogar den Vorschlag dort eine Webcam aufzustellen um den bösen Mitarbeiter (oder Professor) zu finden, der die Küche „versaut“. Immerhin bekommt man da tiefe Einsichten in die menschliche Psyche. Was ich vorher nicht wusste. Es gibt Leute, die halten eine saubere Spüle in der es aber Wassertropfen gibt (wie denn auch in einer Spüle mit einem Wasserhahn) für dreckig und bestehen darauf diese nach jeder Benutzung trocken zu wischen! Das war die Sauberkeitsvorstellung der Sekretärinnen, die sie bei jedem Treffen allen Mitarbeitern als Norm präsentierten.

Solche Leute haben mir auch jahrelang Probleme gemacht. Obwohl ich mir einbilde, das Haus wirklich sauber zu hinterlassen, schließlich habe ich einige Tage da nur rumgeputzt kam es immer wieder vor, dass ich beider nächsten Abrechnung eine Putzaktion nach der Eigenbelegung vorfand, kurzum: der Mieter war nicht zufrieden und empfand es als „dreckig“. Eine Nachfrage letztes Jahr bei der Verwaltung ergab, dass es offensichtlich Leute gibt, die sich über Wassertropfen aufregen. Es muss wasserfrei sauber sein, zumindest die Amateuren, das Glas und die Ceramfelder. Ich habe dafür von der Verwaltung extra einen teuren Reiniger namens „T464“ bekommen, der eigentlich nur eine Amidosulfonsäurelösung ist, also chemisch ein Entkalkungsmittel. Man muss dazu wissen, das in Nesselwang das Wasser 22 dH hat, also sehr hart ist und Wasser wenn es verdampft. Kalkflecken hinterlässt oder eben Schlieren. Beim Test dieses Jahr erwies er sich aber als wirkungslos. Selbst pur konnte man keine Kalkseife entfernen und bei Glas hinterließ er Schlieren. Ich bin dann auf meine chemischen Kenntnisse zurückgekommen und habe nach dem Putzen alles mit Glasreiniger abgewischt – der besteht aus destilliertem Wasser und Alkohol. Das erste verdampft rückstandslos und das zweite sorgt für ein schnelles Verdampfen. Damit wurde alles streifenfrei sauber. Aber ob es von Erfolg gekrönt ist werde ich wohl erst bei der nächsten Abrechnung erfahren…

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