So, nach dem Ausflug in die Wertigkeiten der Elemente, widmen wir uns heute einem anderen Problem. Gibt es in der Venusatmosphäre Leben? Auf der Oberfläche bei rund 480 Grad Temperatur wohl sicher nicht. Aber in der Venusatmosphäre gibt es eine Zone, in der Temperaturen herrschen, wie auf der Erde, übrigens gerade auch im 1 Bar Niveau. Mancher sieht hier die Chance von Lebewesen die dauerhaft dort leben. Nun hat noch keiner welche beobachtet, also muss die Veränderung der Umwelt als Indikator herhalten. Sven Piper zitiert in seinem Buch Dirk Schulze-Makuch der Lebeformen anhand des Vorkommens von Schwefelwasserstoff, Schwefeldioxid und Carbonylsulfid prognostiziert.
Zitat „da das Gas auf anorganische Weise dermaßen schwer herzustellen ist, dass es oft als sicheres Zeichen für biologische Aktivität gilt“. Äh nein. Ein kleiner Blick in den Hollemann-Wiberg, ein Standardlehrbuch der anorganischen Chemie zeigt, dass es überhaupt nicht schwierig auf anorganischem Weg herzustellen ist. Nur entsteht es bei uns wenn es in der Atmosphäre vorkommt, auf biologischem Wege. Eine einfache Internet-Recherche zeigt dass es mehrere Arbeiten gibt, die sich mit dem Redoxverhalten der Venusatmosphäre beschäftigen und die die Konzentrationen zwanglos erklären können. So kann COS durch photochemische Reaktion von Kohlendioxid und Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid mit Schwefeldioxid entstehen.
Das grundsätzliche Problem ist, dass man von der Erde auf die Venus überträgt. Auf der Erde gibt es massig Sauerstoff in der Atmosphäre der oxidiert in der Tat Spurenbestandteile recht schnell. Methan hat in der Erdatmosphäre nur eine geringe Konzentration, obwohl es laufend emittiert wird. Es wird rasch oxidiert. Weiterhin gibt es Wasserdampf, der an der Reaktion teilnimmt. Dagegen gibt es kaum Reaktionen durch Kohlendioxid. Es ist zu inreaktiv und die Konzentration zu gering. Eine Rolle spielen in der Stratosphäre dagegen die reaktiven Moleküle Ozon und Stickoxide.
Bei der Venus sieht es anders aus. Die Atmosphäre besteht zu 96% aus Kohlendioxid. Es gibt nur wenig freien Sauerstoff, keine Ozonschicht. Damit ändert sich einiges. So sind Methan und Schwefeldioxid stabil. Warum auch nicht? Denn anders als Sven Piper behauptet, kommen die auch auf der Erde gemeinsam vor – Vulkane spucken beide Gase aus. Schwefelwasserstoff und Methan reagieren als Gase kaum miteinander. Das ändert sich, wenn Sauerstoff hinzukommt, der beide oxidiert und vor allem Wasser als Lösungsmittel, wie es in der Atmosphäre immer vorkommt. Auf der Venus dürften Aerosole aus Schwefelsäure dieses katalytische Medium darstellen. Ohne Ozonsicht finden aber auch andere Reaktionen statt. UV-Strahlen brechen Moleküle auf und so entsteht z.B. aus Wasser und Schwefeldioxid Schwefelwasserstoff und Sauerstoff – Der Sauerstoff findet in der Venusatmosphäre genügend Reaktionspartner. Schlussendlich oxidiert er Schwefeldioxid zu Schwefeldioxid, das mit dem wenigen vorhandenen Wasser zu Schwefelsäure reagiert: Diese ist auch bei hohen Temperaturen flüssig und bildet Aerosoltropfen. Das die Venusatmosphäre eine grundsätzlich andere Chemie hat und vor allem eine Photochemie herrscht zeigt sich auch daran, dass sich in der Venusatmosphäre größere Mengen an atomaren Sauerstoff finden – er ist auf der Erde absolut instabil und ein Produkt der photochemischen Aufspaltung von Kohlendioxid und photochemischen Reaktionen.
Das grundsätzliche Problem ist es irdische Mechanismen auf die Venus zu übertragen. Also auf der Erde: Carbonylsulfid = biologischer Ursprung, Methan = vorwiegend biologischer Ursprung und Methan und COS = instabil. In der Venusatmosphäre sind beide Moleküle stabil. Sie entstehen photochemisch in einer anderen Atmosphäre durch UV-Strahlung. Auch wenn man kein Chemiker ist, sollte einem das klar werden, denn die Moleküle wurden nun nicht nur in der 1 Bar Zone gefunden, sondern noch weiter unten bis sie schließlich durch die hohen Temperaturen dissoziieren. Die Frage ist natürlich warum, wenn sie doch so instabil sind? Auch ohne Chemie zu studieren, sollte der Blick auf andere Spurenbestandteile der Venusatmosphäre zeigen, dass dort die Chemie anders als auf der Erde ist. So findet man auch noch Chlorwasserstoff und Flusssäure – ebenfalls in der irdischen Atmosphäre instabil und äußerst reaktiv.
Es empfiehlt sich auch bei seinem Fachgebiet zu bleiben. Ich habe mir die Mühe gemacht, zu forschen was Dirk Schulze-Makuch studiert hat: er ist Geologe und hat auch Geologie studiert und nicht Chemie. Nachdem was ich von dem Studiengang Geologie weiß wird, dort auch nicht gerade viel Chemie gelehrt. Auch gehört bei seiner jetzigen Tätigkeit (hydrogeologie) nicht gerade Chemie zu seinem benötigten Fachwissen. Das erklärt solche Theorien recht belanglos. Wie heißt es so schön: Schuster bleib bei deinen Leisten.
Was bei dieser Diskussion vergessen wird ist, wie das Leben in der Atmosphäre entstanden sein soll. Schon auf der Erde ist die Frage, wie aus einfachen Molekülen, die in der Uratmosphäre spontan entstehen, Leben entstehen kann. Das Problem ist, das die einfachen Moleküle zu größeren wachsen müssen. Dau muss es eine lokale Konzentration geben und sie müssen geschützt vor weiterer Zerstörung (unter anderem durch die UV-Strahlung) sein. Schon auf der Erde ist das in einem Ozean schwierig, aber in einer Atmosphäre? In unserer Atmosphäre finden maximal Reaktionen zwischen drei Molekülen statt. Es ist in der Gasphase schwer vorstellbar, wie komplexe Moleküle entstehen könnten. Hilfreich sind natürlich Aerosole oder aufgewirbelter Staub (letzterer gelangt allerdings nicht bis in 55 km Höhe) als katalytisches Medium und „mini-Umgebung“. Nur sobald diese eine kritische Masse erreichen sinken sie ab und zack ist man in einer Schicht die absolut lebensunfreundlich ist. Angesichts dessen, das Piper in seinem Buch die Rolle von flüssigem Wasser für das Leben hervorhebt, sollte er daher diese Hypothese des Lebens in der Gasphase hinterfragen. Er erwähnt zwar dass selbst Schulze-Makuch einräumt, dass diese von anderen Kollegen nicht geteilt wird, doch in diesem Teil schwächelt das Buch etwas. Ich bin es gewöhnt das Hypothesen diskutiert werden, man also neben dem Pro auch das Contra hervorhebt. Bei Piper findet man nur das Pro, das Contra fehlt.