Bernd Leitenbergers Blog

Die „Bibel“

Nein, es geht heute nicht um einen religiösen Blog, sondern etwas worüber ich beim Stöbern bei Amazon gestolpert bin. Es ging um das Buch Ernährung des Menschen von Ibrahim Elmadfa, das gemischte Kritiken bekam. Die größere Zahl verriss es und die anderen lobten es. Dabei fiel mehrmals der obige Ausdruck, den ich noch aus meiner Studienzeit kenne.

Unter Studenten ist eine „Bibel“ ein Fachbuch in dem alles drin steht, was man für ein Fach benötigt, vorzugsweise um die Prüfungen zu bestehen. Meistens geschieht dies aus persönlicher Sicht, weil der Dozent sich nach dem Buch orientiert oder noch schlimmer der Autor dessen ist. Doch eine echte Bibel ist über eine Uni heraus bekannt und akzeptiert und auch von der Fachwelt als „Bibel“ anerkannt. Nun was sind die Eigenschaften solcher Bücher? Meiner Ansicht nach folgende:

Es gibt daraus einige Folgerungen. Es wird schwer für ein Buch eine Bibel zu werden, wenn es ein einführendes Buch ist, oder das Fachgebiet sehr weitgefasst. So gibt es prominente Lehrbücher für anorganische Chemie und organische Chemie, wie z.B. den Hollemann-Wiberg, Dickerson-Gray oder Morrison-Boyd (oftmals werden die Bücher von mehreren Autoren geschrieben). Aber weil sie sich an Studenten wenden, die noch in den ersten Semestern stecken, sind sie mehr belehrend, als Fachbücher. Eine typische Bibel ist mehr ein Nachschlagewerk als ein Lehrbuch.

Die Chancen stehen viel besser, wenn es erst von einem höheren Semester gelesen werden können oder sich gleich an Fachleute wenden. Charakteristisch ist auch, dass sie viel Zahlenmaterial enthalten mit dem Studenten erst mal nichts anfangen können, weil es zu sehr ins Detail gehen würde, aber das für Profis wichtig zum Nachschlagen ist.

Bei Fachleuten kann ein Zitat aus der Bibel sehr schnell eine Diskussion beenden nach dem Motto „In XYZ auf Seite 123 steht aber da etwas anderes“. Wie schon gesagt gibt es nur wenige echte Bibeln. Für Studenten einer Uni, in der ein Lehrbuch in den Vorlesungen verwendet wird, mögen dieses als die Bibel schlechthin ansehen, doch wenn man im fortgeschrittenen Semester ist oder das Studium beendet hat, sind sie weitgehend nutzlos. Ein Kriterium ist daher, dass es auch nach dem Studium nützlich ist. Also von den Büchern die ich habe würde man wohl nur zwei als „Bibeln“ bezeichnen. Das eine ist „Strasburger, Lehrbuch der Botanik“ und das andere ist „Belitz, Grosch, Lehrbuch der Lebensmittelchemie“. Beide sind gepackt mit Informationen, in der Fachwelt akzeptiert und für Außenstehende nahezu unlesbar. Selbst ich lese den Belitz-Grosch nicht einfach so, sondern schlage konzentriert nach.

Zurück zum Einstieg: Ist Elmadfas Buch eine Bibel? Meiner Ansicht nach nicht. Es ist zwar nicht so geschrieben, dass man es als Unbedarfter lesen kann, aber für mich als chemisch vorgebildeten eigentlich nicht unverständlich. Gegenüber dem Belitz Grosch sogar richtig flüssig lesbar. Ich konnte allerding nicht erkennen, dass es außerhalb des Wirkungskreises von Elmadfa bekannt und akzeptiert ist. Im Gegenteil, viele andere verweisen auf andere brauchbare Bücher. Vor allem aber ist es nicht vollständig. Es behandelt nur ein Teilgebiet der Ernährungslehre, es fehlt die komplette Lebensmittellehre. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich es damals kaufte, denn der ist ja Bestandteil auch meiner Ausbildung und so weitgehend überflüssig.

Ich habe inzwischen bei Amazon nachgeschaut und siehe da – in meinem Bücherschrank finden sich noch einige weitere Bücher die als „Bibeln“ bezeichnet werden:

Hollemann Wiberg (Anorganische und allgemeine Chemie)

Strassburger (Botanik)

Beyer / Walter (organische Chemie)

So richtig einverstanden bin ich beim H/M nicht. Es ist zwar ziemlich ausführlich und eher ein Nachschlagewerk als ein Lehrbuch, doch es erklärt auch viel und man kann es auch als Erstsemester verstehen. Das ist bei den anderen beiden nicht gegeben und der Beyer/Walter ist eigentlich gar kein Lehrbuch, sondern ein Nachschlagewerk, auch wenn es sich als solches schimpft (dafür aber auch noch nützlich wenn man die Reaktionsmechanismen schon verstanden hat).


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