Bernd Leitenbergers Blog

Galileo: Musste es die Sojus sein?

Nun war der Jungfernflug der Sojus 2K (K für Kourou) vom CSG aus. Und in allen Nachrichten wurde das gefeiert. Thomas Reiter antwortete in einem Interview, dass die Ariane nicht zum Einsatz gekommen ist, weil dort vier der Satelliten auf einmal gestartet würden, was zu viele auf einmal wären. Eine Argumentation die ich nicht nachvollziehen kann, schließlich liegt man im Zeitplan zurück und die Chinesen bauen auch ihr System auf – es gibt ein Wettrennen, da beide Systeme dasselbe Frequenzband nutzen und bei Störungen wohl der nachgeben muss der noch kein operationelles System hat.

Die Gründe sind anderer Natur. Da ist zum einen mal die Bahn und der Aufbau der Galileosatelliten. Die Bahn ist eine 23.000 km hohe mit einer Neigung von 57 Grad. In eine solche kommt ein Satellit nur mit einem Zwei-Impuls Transfer, so wie in die GTO Bahn. Die Galileosatelliten haben wie ihre Pendants auf US-Seite aber keinen integrierten Antrieb. Das bedeutet dass man bei der ECA Oberstufe eine Lösung finden muss, um den Satelliten von der Übergangsbahn in die Endbahn zu bringen. Denn diese ist nur einmal zündbar.

Das zweite ist das es große Unsicherheiten bei der Startmasse gab und so die Anzahl der Satelliten die mit einer Ariane von 6 auf 4 sank. (Es war mal die Rede, davon dass die ursprünglich 680 kg schweren Satelliten bis zu 840 kg wiegen könnten). Bei vier Satelliten pro Flug ist schon ohne den Aufwand für den zusätzlichen Antrieb die Ariane 5 teurer als die Sojus (70 zu 160 Millionen Euro pro Start). Für Galileo hätte es (anders als dies in den Medien berichtet wurde) auch kein Start vom CSG aus sein müssen. Da die Bahnneigung höher als die von Baikonur ist, ist der einzige Vorteil vom CSG, dass die Aufstiegsbahn dort kein bewohntes Gebiet passiert und etwas günstiger ist.

Aber fangen wir mal an zu rechnen. Die Aufstiegsbahn hat folgende Parameter:

Die Geschwindigkeit in dieser Bahn beträgt 9915 m/s. Dazu kommen noch 209 m/s für die Inklination von 55 Grad,, da die Erdrotation hier nur teilweise genutzt werden kann. Das ist dann eine Endgeschwindigkeit von 10224 m/s, also etwa soviel wie bei einem GTO-Orbit von 10228 m/s. Im Apogäum muss dann der nächste Antrieb zünden und weitere 1451 m/s aufbringen. Insgesamt ist also der Geschwindigkeitsbedarf mit dem GSO vergleichbar. In diesen dürfte Ariane 5 EC etwa noch 6 t abliefern. Das sollte doch auch ausreichen für die Galileo Satelliten, die 700 kg pro Stück wiegen.

Gehen wir erst mal zur Lösung mit integriertem Antrieb. Basierend auf einer GTO Nutzlast von 10.000 kg würde die Ariane 5 ECA noch 10.100 kg in diesen Orbit abliefern. Bei einem spezifischen Impuls von 3188 m/s (EAM-500 Motor) sinkt die Bruttomasse in den Orbit nach Zirkularisierung auf 6400 kg. Davon muss man dann noch das Gewicht der Triebwerke, Tanks etc. abziehen, Das möge (nach dem Beispiel der EPS-Oberstufe) weitere 430 kg wiegen. Das lässt noch 5970 kg für die Satelliten übrig. Das sind bei 700 kg pro Stück über 8. Es bleiben dann noch 370 kg für den Dispenser, dass ist ein Zentralmast an dem die beim Start nur 1,6 m breiten Satelliten angebracht sind. Bedingt durch diese Anordnung macht auch nur der Transport in mehrfachen eines Paars (2,4,6,8 …) einen Sinn.

Ich habe keine Ahnung was ein Apogäumsantrieb in größeren Stückzahlen (wir brauchten ja etwa 30 davon) kostet, aber ich denke es sind nicht so viel, als dass man die Einsparung damit zunichte machen können. Denn für den Transport von 8 Satelliten sieht es nun so aus:

Eine zweite Alternative ist es eine Stufe einzusetzen, welche die Satelliten direkt in den Orbit befördert. Die Auswahl ist recht klein, wenn man nichts neues konstruieren will, gibt es nur noch die EPS Oberstufe, die man dann auf die ESC-A setzen müsste, was aber wegen der Düse zumindest einen Stufenadapter notwendig macht und auch eine schwere VEB.  Rechnet man 400 kg für den Stufenadapter und die VEB mit ein, so beträgt die Nutzlast 11050 kg in den Übergangsorbit (mit VEB) und bei einer EPS von 850 kg Gewicht, mit nur je einem Tank für NTO und MMH und einer 1.250 kg schweren VEB beträgt dann die Nettomasse ohne Stufe und VEB nur noch 4900 kg im Zielorbit, was nur noch für 6 Satelliten inklusive 700 kg für den Smart-Dispenser übrig lässt.

Neben der geringeren Performance ist die Lösung auch zu teuer: bei 170 Millionen Euro pro Start kostet ein Satellitentransport mit 28,33 Millionen Euro nur etwas weniger als ein Sojusstart und eventuell gibt es weitere Kosten für den Stufenadapter).

Nur zur Vollständigkeit halber: Die ESC-B wie die Fregat die Nutzlast direkt in den Orbit bringen können. Mit den wenigen vorliegenden Daten errechne ich eine Nutzlast von 5550 kg in den Endorbit. Das entspricht 7 Satelliten und 650 kg für den Smartdispenser. Sie ist wegen der recht hohen Trockenmasse der ESC-B geringer als bei dem eigenen Antrieb. Das ganze ist allerdings recht fehlerbehaftet, da nur die Startmasse der ESC-B bekannt ist und nicht die Masse nach der Zündung (die bei der ESC-A z.B. um 1,2 t geringer ist, wegen dem Stufenadapter und Vorbeschleunigungsraketen). Die Zielgeschwindigkeit ist nahe der für eine Marsbahn und für diese wird auch eine Nutzlast von 7 t genannt, das würde dann für mindestens 8 Satelliten (5600 kg ohne Smart-Dispenser) reichen. Wenn ich 1,25 t von der Trockenmasse abziehe und der EPC zuschlage, dann beträgt die Nutzlast für den Galileo Orbit 5938 kg, was ausreichen sollte für acht Satelliten.

Die Lösung die EPS Oberstufe, also die Ariane 5 ES, einzusetzen gibt es auch noch. Sie ist allerdings auch nicht der Sojus überlegen und würde nur 4080  kg in den Orbit befördern (entsprechend 4 Satelliten).

Nur mal, weil es mich immer ärgert: Die Ariane 5 ECB sollte ja nicht teurer als die Ariane 5 ECA sein. Dann würde das operationelle System aus 30 Satelliten zu starten kostet basierend auf den bekannten Zahlen mit der Sojus 993 Millionen Euro und mit der Ariane 5 ECB wenn es sie den gäbe 640 Millionen Euro – dabei könnte man sogar 32 Satelliten in den Orbit bringen und hätte 353 Millionen Euro gespart. Dazu kommen noch die 223 Millionen Euro (es wurde erheblich teurer, ob die Zusatzkosten nur auf die CNES zukamen oder die ESA, weiss der Autor nicht) für das Launchpad der Sojus. Zusammen also mindestens 576 Millionen Euro Einsparungen – schon ein Drittel der Investitionskosten der ESC-B (wenn man die ursprünglichen Kosten von 2002 nimmt wäre sie sogar fast bezahlt gewesen, da sprach man noch von 700 Millionen Euro).

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