Bernd Leitenbergers Blog

Das Ende einer Ära

Nächste Woche wird eine Delta 2 den NASA Klimasatelliten NPP starten. Es wird der letzte geplante Start einer Delta 2 sein. Damit wird diese Rakete Geschichte sein (vielleicht auch nicht, dazu noch mehr). Zeit auf sie zurückzublicken. Die Thor war die dritte US-Trägerrakete nach der Redstone und Vanguard. Ihr erster Start war am 17.8.1958. Wie viele andere Träger dieser Tage war es eine Notlösung: die Thor war einfach verfügbar. Die Atlas noch in der Testphase. Die Redstone und Vanguard hatten eine zu kleine Nutzlast. Das die Thor das Rennen gegen die zweite Mittelstreckenrakete der USA, die Jupiter gewann hatte einen Grund: die Jupiter wurde von der Army entwickelt und inzwischen hatte die Air Force die Aufgabe übertragen bekommen alle Raketen mit einer Reichweite von mehr als 320 km zu entwickeln. Dort würde man also immer mehr Kompetenz durch neue Entwicklungen antreffen. Weiterhin hatte die Air Force auch mit den Spionagesatelliten des Keyhole Programmes schon eine wichtige Nutzlast gewonnen. Die Unmenge an Starts in den ersten Jahren entfiel auf diese Serie.

Es gab anfangs vier Oberstufen, die Able, die Ablestar, die Agena und Delta. Wobei, wenn man es technisch sieht es nur zwei Oberstufen, denn Ablestar und Delta entwickelten sich beide aus der Able. Die NASA benannte nach der ersten Serie ihre Thor-Delta in die Delta um. Damit sollte der zivile Charakter dieser Serie betont werden, obwohl natürlich nach wie vor die Thor Grundstufe identisch zur militärischen Version Thor Agena war. (Die NASA kaufte die Stufen sogar von der Air Force und lies sie zurück zu Douglas verschiffen um sie zu zivilen Trägern umzurüsten).

Die Delta beförderte mit ihren drei Stufen Forschungs- und Kommunikationssatelliten in Bahnen mit höherer Energie oder in geostationäre Übergangsbahnen. Die Thor Agena dagegen Satelliten in sonnensynchrone oder erdnahe Umlaufbahnen. Darunter auch zivile Nutzlasten. Darüber hinaus verschoss die USAF die ausgemusterten Mittelstreckenraketen mit festen Oberstufen um die ersten beiden Generationen eines militärischen Wettersatellitensystems aufzubauen.

Als das KH 1-4 Programm 1972 auslief, war das auch das Ende der Thor Agena, die bis zu diesem Zeitpunkt die meisten Starts der Serie absolvierte. Gleichzeitig bekam die Delta Serie eine neue Nummerierung, die nun aus einem 4-Zifferncode bestand, nachdem man vorher die Versionen mit Buchstaben kennzeichnete und in 12 Jahren schon beim Buchstaben „N“ angekommen war. In den siebziger Jahren profitierte die Delta von dem Aufkommen zahlreicher neuer Kommunikationssatelliten. Nachdem Intelsat schon einer der ersten Kunden war, kamen nun immer mehr Firmen und Länder auf den Dreh, eigene Kommunikationssatelliten zu starten. Auch die ersten vier europäischen Satelliten Symphonie 1+2 und OTS 1+2 wurden mit Deltas gestartet.

Die achtziger Jahre schienen zuerst das Ende der Delta zu bedeuten. Zum einen hatte die US-Regierung beschlossen, nachdem das Shuttle operationell wurde, die bisherigen Träger auslaufen zu lassen. Zum anderen wurden Kommunikationssatelliten schwerer und nun mehr und mehr von der Atlas und Ariane gestartet. Der Abfall auf den absoluten Tiefpunkt 1985 als kein Start stattfand ist deutlich sichtbar.

Der Verlust der Challenger führte dazu dass alle Produktionslinien der alten Träger neu angefahren wurden. Da die Delta aber nach wie vor zu klein war, gab man eine neue Version in den Auftrag, die Delta II. Sie wurde von dem DoD zum Start der GPS Navigationssatelliten bestimmt. Dieses System erforderte zahlreiche Starts. 47 sollten in den nächsten zwei Jahrzehnten folgen. Die NASA setzte die Delta nun auch als Standardträger für ihre wissenschaftlichen Satelliten ein (wie bisher auch) und für Raumsonden (das war neu). Kommerzielle Start gab es nun kaum noch. Trotzdem absolvierte die Delta 2 die meisten Starts innerhalb der Delta Serie und hat mit einer Einsatzdauer von 20 Jahren auch die längste Einsatzzeit aller Versionen.

Ein Versuch von Boeing mit einem weiterentwickelten Modell, der Delta 3 wieder mehr kommerzielle Aufträge zu akquirieren, scheiterte. Es gab nur drei Starts und nur im letzten erreichte die Nutzlast einen zu niedrigen Orbit.

Die Bindung an das Navstar System wurde der Delta auch zum Verhängnis: Die nächste Generation dieser Satelliten ist zu schwer für die Delta und so markierte der letzte Start eines GPS IIR Satelliten 2009 auch den Ausstieg der USAF aus dem Programm. Eine der beiden Startrampen der Delta in Cape Canaveral wurde danach sofort geschlossen. Alle folgenden fanden seitdem von Vandenberg aus in polare Umlaufbahnen statt. Die NASA schloss sich dem Schritt an, weil die Delta das gleiche Problem wie alle alten Raketen hat – die gesamte Infrastruktur und die Produktion ist auf eine bestimmte Stückzahl ausgelegt. Gibt es die nicht mehr, so steigen die Fixkosten rapide an.

Nun soll der letzte Delta 2 Start erfolgen. Sie ist zu diesem Zeitpunkt ein Unikum: Das Haupttriebwerk wurde nur zweimal ausgetauscht und ist in der Technologie immer noch Stand der frühen sechziger Jahre. Die Oberstufe ist durch mehrere Verlängerungen des Erststufentanks zu klein, auch weil sie noch weniger modernisiert wurde. Mehr Änderungen gab es bei den Kickstufen und den Boostern. Doch gerade deswegen ist die Delta auch die zuverlässigste US-Rakete. Ihre Zuverlässigkeit beträgt 98%.

Als 2009 das Ende bekannt wurde, gab Boeing bekannt, man hätte noch genügend Bauteile um fünf weitere Träger fertigen zu können und suchte nach Aufträgen, z.B. für polare Erdbeobachtungssatelliten, von denen die Delta 2 schon einige in den letzten Jahren gestartet hatte. Die NASA kündigte an, man würde vielleicht eine oder mehrere dieser Raketen kaufen, auch um die Lücke zu füllen, bis die Taurus II und Falcon 9 verfügbar sind. Die wissenschaftlichen Satelliten der NASA fallen alle in die höchste Category 3, für die eine Rakete bislang etwa 10 Einsatzjahre brauchte um diese Kategorie mit derselben Zuverlässigkeit wie die Delta zu füllen. Nun wurden die Bedingungen gelockert, aber selbst dann wird die Verifikation mindestens drei Jahre dauern, auch weil entsprechend viele Flüge vorliegen müssen und bei der verkürzten Frist der NASA umfassende Dokumente zur Analyse vorliegen müssen, die auch Zeit braucht. Die Falcon 9 wird als erste der beiden Typen frühestens Anfang 2014 die Certfikation 3 erreichen, Verspätungen wie sie bereits jetzt auftreten, könnten das Datum weiter nach hinten schieben. Die NASA wollte die Delta 4 und Atlas V als Alternative nutzen, doch deren Startpreise steigen stetig an und so ist nun (auch wenn die Neuaufnahme der Produktion nicht billig wird) im Gespräch die fünf Delta 2 noch zu bestellen. Sie sind derzeit auch Bestandteil der laufenden EELKV Ausschreibung – die Falcon 9 und Taurus II sind es nicht.

So stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Delta noch länger in Dienst bleibt. Ihre beiden Schwestern aus der Anfangszeit der US-Raumfahrt die Titan II (Jungfernflug 1965, letzter Start 2005) und Atlas (in der Konfiguration mit US-Triebwerken, Jungfernflug 1958, letzter Start 2004) hat sie schon längst hinter sich gelassen. Wie heißt es so schön, die ersten werden die letzten sein ….

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