Bernd Leitenbergers Blog

Ein Nachruf auf Phobos-Grunt

Am Montag schloss sich das Startfenster für Phobos Grunt. Inzwischen gibt es auch inoffizielle Verlautbarungen, dass die Mission gescheitert sei. Ich habe mich mit der Kommentierung zurückgehalten, weil ich das noch abwarten wollte, schließlich war lange Zeit nichts genaues zu erfahren, was allerdings meist ein schlechtes Zeichen ist. Wenige Tage nach dem Start verlautbarte nur, dass die Raumsonde im Erdorbit aktiv sei und funktionsfähig, nur eben nicht die Triebwerke zünden könnte. alle Kontaktversuche scheiterten bisher.

Das ganze hat zwei Dimensionen. das eine ist das mit Phobos-Grunt wieder einmal eine Raumsonde zum Mars scheitert (fast genau 15 Jahre nach Mars 96 auf fast dieselbe Weise). Und zum anderen die Öffentlichkeitsarbeit. Kommen wir mal zum letzteren. Also dass man 14 Tage lang praktisch nichts erfährt ist ein Armutszeugnis und zeigt, dass Russland eben noch nicht sehr weit ist, hinsichtlich Öffentlichkeit und Information dieser. Daher sollte man auch die Erwartungen tief hängen für weitere Missionen oder was an Informationen geflossen wäre, wenn Phobos Grunt gestartet wäre – wahrscheinlich auch nicht viel. Ich tat mich schon sehr schwer, Informationen von der Sonde zusammenzutragen. Es ist sogar schlimmer als bei Mars-96 wo es eine englischsprachige Seite des IKI gab. Nun muss man sich auf Sekundärquellen verlassen.

Das zweite ist dass es offensichtlich nicht gelang, die Sonde zu kontaktieren und man fragt sich wieso. Sicher ist sie für den Betrieb im interplanetaren Raum ausgerichtet, doch es muss doch eine Möglichkeit geben, sie jederzeit zu kontaktieren. Zumindest bei europäischen und US-Raumsonden ist so was vorgesehen und dort gibt es auch Life-Telemetrie während des Starts. Noch wichtiger wäre es bei einer Raumsonde, die erst zwei Erdumkreisungen mit Zündungen des eigenen Antriebs macht, während dieser Zeit sie zu verfolgen und gegebenenfalls einzugreifen wenn etwas schief geht. Wer sich mit der Marsforschung auskennt, wird an Phobos 1+2 erinnert, die beide verloren gingen weil es keine Sicherheitsprogramme gab die verhinderten dass die Sonde in eine Lage gerät in der ihre Solarpanels nicht mehr beschienen sind. Die Frage ist: wo ist heute die technische Kompetenz Russlands. Zumindest was Elektronik und Messinstrumente angeht. Ich befürchte da gibt es nicht viel. Das Russland von seiner Kompetenz im mechanischen (sprich Triebwerke, Kapseln, Raketen) lebt ist unbestritten, doch da ist auch nicht viel neues in den letzten Jahren gekommen. Die letzten neue Triebwerke waren das RD-170 und RD-0120 für die Energija. Die Oberstufe mit kryogenen Antrieb für die Proton lässt auf sich warten. Neuentwicklungen gibt es nur noch bei Auftragsentwicklungen für Indien, Südkorea und die USA.

Russland hat erst vor zwei Jahren den Argon-16 Bordcomputer der Sojus durch einen neuen ersetzt. Vorher wurde er über 30 Jahre lang unverändert eingesetzt. Er basiert auf einem Chip, denn die ESA seit 1998 einsetzt und inzwischen auch schon ausgemustert hat. Das zeigt symptomatisch wo Russland steht wenn es um Elektronik geht. Fortschritte scheint es nur zu geben, wenn man Geld verdienen kann. So macht der neue Bordcomputer es möglich dass die Sojus von einem Kosmonauten gesteuert wird – Damit kann man zwei Sitzplätze verkaufen anstatt nur einem.  Ansonsten tritt die Weltraumindustrie auf der Stelle. Alle Projekte die in den letzten 20 Jahren angekündigt wurden wurden eingestellt oder haben dramatische Verzögerungen (auch Phobos Grunt startete zwei Jahre später als geplant und die Angara ist seit Jahren von der Einsatzreife entfernt, dabei ist an ihr so nichts wirklich neu). Andere Projekte wie Kliper, Baikal oder Rus-M wurden eingestellt. Wissenschaftliche Satelliten gibt es keine. Russische Module zur ISS auch nicht.

Der Grund ist relativ einfach: Es fehlt an Geld. Phobos-Grunt kostete 5 Milliarden Rubel. Das sind 120 Millionen Euro. Würde man die Mission im Westen durchführen, so müsste man wahrscheinlich da eine „0“ dranhängen. Alleine die Zenit Trägerrakete kostet ja für westliche Kunden fast diesen Preis. Auch wenn es ein Preisgefälle zum Westen gibt (weshalb es z.B. illusorisch ist zu versuchen mit Ariane 5 die Proton oder Zenit preislich zu unterbieten) so kann man doch konstatieren, dass dies selbst für russische Verhältnisse ein sehr kleines Budget war. Mars 96 kostete noch 300 Millionen Dollar (nur russischer Anteil) und als im August eine Progress verloren ging wurde der Schaden mit 100 Millionen Dollar angegeben. Phobos Grunt soll nur wenig teurer als ein in Serie gebauter Raumfrachter sein? Da merkt man dass da doch massiv gespart sein musste. Wie es scheint am falschen Ende.

Das ganze ist symptomatisch für den Zustand der russischen Raumfahrt: Großmachtgehabe, aber kein Geld. Prestigeprogramme laufen weiter mit kaum modernisierter Hardware aus den Sechzigern und Siebzigern. Doch selbst da hakt es, doch dazu in einem späteren Blog mehr. Was bleibt, ist das Phobos Grunt sich in die lange Reihe der russischen Raumsonden zum Mars einreiht, die allesamt scheiterten. Genauer gesagt es ist die 19-te Russlands. Lediglich Mars 5 kann als ein Teilerfolg betrachtet werden. Die NASA wird’s freuen, schließlich bemüht sie die Statistik immer bei ihren eigenen Raumsonden, bei denen die „nur-USA“ Statistik erheblich besser aussieht.

Für mich persönlich ist der Verlust auch schlecht, da Phobos-Grunt eines der Hauptthemen meines Buches über die beiden nächsten Marsmissionen war. Nun wird es wohl um einiges kürzer werden.

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