Bernd Leitenbergers Blog

Ein Interview

Es ist selten, dass man von führenden Chefs von Industrieunternehmen im Bereich Raumfahrt vernünftige Interviews  bekommt. Also welche bei denen man konkret was neues erfährt. Bei den meisten gibt es Allgemeinphrasen, bei manchen wird einem auch was vom Mond (oder besser dem Mars) erzählt. Ich lese immer aufmerksam durch, wenn LeGall was zu sagen hat, denn er hebt sich wenigstens ein bisschen von diesem Klischee ab.

So lass ich auch dieses Interview. Es ist recht interessant. Es zeigt für mich auch, dass wir in Europa unabhängig bleiben müssen. So nennt LeGall einen Anstieg der Proton-Startpreise von 65 auf 110 Millionen Dollar, entsprechendes sieht man ja auch bei der Sojus und den neuen russischen Trägern, weshalb sich ja nun auch das DLR mehr für die Vega interessiert. Interessant ist auch, das Arianespace nicht mehr als 3-4 Sojus Starts jährlich vom CSG aus durchführen kann. Dafür diese enormen Investitionen die fast die für das Ariane 5 Groundsegment erreichen?

Er geht auch auf SpaceX, Angara und andere neue Konkurrenten ein. Interessant ist die Einlassung zur Situation der Ariane 5 und 6. Demnach stagnieren nun die Massen der Satelliten bei 6 t. Der Grund ist, dass die Kunden verständlicherweise sich die Option frei halten wollen, zu wechseln. Was passiert, wenn Arianespace nicht starten kann? Wenn es aus irgendwelchen Gründen Verzögerungen gibt? Derzeit ist die leistungsstärkste Konkurrenz die Proton mit 6,2 t Maximalnutzlast. Die Zenit liegt bei 3,6 t, die Falcon je nach Version bei 3 bis 4,5 t. So kann man derzeit auch noch gut „paaren“ einen 6 t Satelliten mit einem 3 t Satelliten.

Die Ariane 6 soll dann in der 6 t Klasse für Einzelstarts liegen. Soweit das Interview. Nun mal meine Überlegungen.

Das ist die Situation heute. Wie sieht es in 10 Jahren aus? Also die Langer Marsch 5 Serie wird entwickelt. Maximale Nutzlast 10 t in GTO. Dann gibt es die Angara 5+7 mit 7,3 und 12,5 t GTO Nutzlast. Vielleicht ja sogar die Falcon Heavy mit wahrscheinlich über 15 t GTO Nutzlast. Schon heute existieren Atlas 5 und Delta 4. Sie werden nicht angeboten, doch wenn die Startpreise weiter steigen, da die russische Konkurrenz ja ihre Niedrigpreispolitik aufgibt, kann sich das ändern. Die Delta 4 erreicht 7,4 t, die Delta 4 Heavy sogar 13,4 t und die Atlas V bis zu 8,3 t GTO Nutzlast. Vielleicht wird auch die H-2B mal erfolgreich. Sie hat auch 8 t GTO Nutzlast.

Es könnte also, wenn alle diese Träger auf den Markt drängen, es sechs Träger in neun Subversionen mit mehr als 7 t Nutzlast und sogar drei mit einer Nutzlast über 10 t. Nun kommt dann die Ariane 6 mit 6 t Nutzlast. Was wird passieren. Mit mehr Trägern in dieser Klasse werden die Satelliten wieder schwerer werden und dann hat Europa eine neue Rakete, die diese nicht mehr transportieren kann und mustert die Rakete aus, die es kann. Dafür hat man dann 3-5 Milliarden Euro ausgegeben.

Mein Vorschlag: Ein richtiger Ausbau der Ariane 5. Richtig heißt nicht so teuer wie bisher und sinnvoll. Sinnvoll heißt, dass man z.b. bei der ESC-B State of Art einsetzt. Diese hat eine extrem hohe Trockenmasse. Astrium setzt aber praktisch keine heute verfügbaren Technologien ein, um diese zu verringern. So ist die Stufe weder innensdruckstabilisiert wie die EPC, noch wird die Legierung 2195 eingesetzt, die bei gleichen Belastungen rund 26% bis 40% der Masse gegenüber der 2219 einspart, die noch bei Astrium verwendet wird. Würde man dies tun, käme man auf ein Trockengewicht, das auch andere Oberstufen aufweisen und damit auf rund 1.100 kg mehr Nutzlast – 12,6 anstatt 11,5 t. Damit sind schon fast zwei 6 T Satelliten transportierbar.

Es gab ja auch weitere Optionen für den Ausbau der Ariane 5. So Booster aus dem CFK-Material der Vega. Sie wären bedeutend leichter und würden bei höherem Brennkammerdruck arbeiten können. So würde die Nutzlast um 1- 1,5 t steigern. Ein neues Haupttriebwerk wurde auch untersucht. Je nach Option bringt es 700 bis 1.900 kg mehr Nutzlast. Da für die Ariane 6 sowieso ein neues Triebwerk entwickelt werden muss, wäre auch diese Entwicklung nicht umsonst. Es könnte dann in einer Ariane 6 eingesetzt werden, eventuell wäre dann dieser zwei-Trägerbetrieb sogar sinnvoll (wenn die Oberstufe z.B. auch das Vinci einsetzt).

Ich habe die bekannten und veröffentlichten Pläne in meinem Buch ausgeführt und eine Kurzversion findet man auch hier. Eine Reihe von Optionen sind besser als andere und andere führen wieder zu Nachteilen, trotzdem sah man noch 2002 so die Möglichkeit die Ariane 5 auf 14 – 15 t Nutzlast zu steigern. Dann wäre eine Ariane 6 natürlich überflüssig, denn diese kann dann zwei 6 t Satelliten gleichzeitig transportieren und wäre äquivalent zu zwei Einzelträgern der Ariane 6 Klasse.

Die Frage ist ja vielmehr eine andere – wird es in Zukunft genügend Doppelstarts geben. Das scheint ja auch die Antriebsfeder bei der ESA zu sein. Die Befürchtung, man würde nicht mehr genügend Nutzlasten für Doppelstarts bekommen und das hängt nicht nur an dem Gewicht, sondern auch der Anzahl. Ariane 4 flog noch 12-mal im Jahr. Bei Ariane 5 sind es noch sechs Starts. Die Zahl der Nutzlasten ist deutlich zurückgegangen und erreicht dann bald einen Schwellenwert, bei dem die Produktionskosten stark ansteigen. Wir kennen das von einigen US-Trägern die extrem teuer wurden und auch die Vega wird aus demselben Grund nicht besonders preiswert sein.

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