Bernd Leitenbergers Blog

Die optimierte Einstufenrakete – Teil 1

Ich möchte mich heute mal wieder einem theoretischen Thema zuwenden: Kann man mit nur einer Stufe eine nennenswerte Nutzlast in den Orbit befördern und wie optimiere ich diese?

Fangen wir mal an mit den einfachsten Grundlagen:

Die Endgeschwindigkeit einer Rakete berechnet sich nach

v = Ausströmungsgeschwindigkeit der Gase nach Verlassen der Düse * ln (Startmasse / Masse ohne Treibstoff)

ln() ist der natürliche Logarithmus zur Basis e (2.71….)

Hat man die Ausströmungsgeschwindigkeit der Gase (in metrischen Einheiten meist als spezifischer Impuls bezeichnet) so kann man die Gleichung leicht umformen und das Massenverhältnis von Startmasse/Brennschlussmasse berechnen. Dann weiß man wie viel davon noch Nutzlast ist, wenn man bei einer Rakete die Startmasse und Brennschlussmasse ohne Nutzlast gegeben hat.

Realistisch muss man mindestens 9300 m/s aufwenden um einen Orbit zu erreichen, je nach genauer technischer Auslegung auch mehr. Bei einem LOX/Kerosinantrieb muss dann die das Voll/Leermasseverhältnis sehr groß sein. Typisch ist da eine Ausströmungsgeschwindigkeit von 3200 m/s, was zu einem Voll/Leermasseverhältnis von >18 führt, das zwar Raketen leer erreichen, nur bleibt dann eben nichts mehr für die Nutzlast übrig. Bei Wasserstoff/Sauerstoff ist es beim SSME als leistungsfähigstem Triebwerk das auch am Boden gezündet werden kann mit einer Ausströmungsgeschwindigkeit ein Verhältnis von 8, was wesentlich günstiger ist und auch bei modernen Stufen noch Nutzlast übrig lässt.

Das Space Shuttle System soll auch die Vorlage für unsere Betrachtungen sein. Das ist folgendes Konstrukt:

Wir montieren je zwei Schubrahmen des Orbiters mit je drei Triebwerken an den normalen externen Tank. Jedes hat einen Schub von 1859 kN, das ergibt einen Startschub von 11.154 kN oder 1137 t. Nehmen wir je 16 t für die beiden Triebwerksblocke an (zu den je 3,3 t schweren Triebwerken kommt noch ein Schubrahmen), dann gibt es noch den SWLT-Externen Tank, der 754 t voll und 26,76 t leer wiegt.

Mit etwas knobeln kommt man auf eine Nutzlast von 45.500 kg. Das ergibt eine Startmasse von 831,5 t und eine Startbeschleunigung von 1,37 g. Immerhin ist dies mehr als das Space Shuttle selbst transportieren könnte, was daran liegt dass der Orbiter wegfällt.

Dies würde passieren, wenn man praktisch aus der Restmasse des Space Shuttle Programms die Hardware verwenden würde. Diese ist aus zweierlei Weise aber noch optimierbar.

Fangen wir an mit dem externen Tank. Er wurde für das Shuttle entworfen. Er nimmt auch die Lasten durch die SRB auf und muss den Orbiter tragen. Dazu hat er getrennte Tanks für Sauerstoff und Wasserstoff mit einer strukturell verstärkten Zwischentanksektion. Des weiteren hat man den Wasserstofftank der das meiste Leergewicht aufweist auf die leichtere Legierung 2195 umgestellt, nicht jedoch den LOX-Tank. Entfällt der Zwischentankbereich, so wird er um 5400 kg leichter. Weitere 900 kg kommen durch die Verwendung der leichteren Legierung für den LOX-Tank zustande. Das sind dann 6.300 kg mehr Nutzlast oder 13,8% der Nutzlast.

Das weitere wäre auch neue Technologien beim SSME anzuwenden. Was den Brennkammerdruck und die Ausströmungsgeschwindigkeit angeht gab es keine Fortschritte in den letzten 30 Jahren. Die einzigen Triebwerke, welche das SSME in diesem Parameter übertreffen, sind Triebwerke von Oberstufen, die nicht am Erdboden gezündet werden. Sie beziehen dies durch viel größere Düsen mit einem Expansionsverhältnis das beim Erdboden nicht geht.

Setzt man die Technologie von im Flug ausfahren Düsen, die es bei Oberstufentriebwerken gibt (RL-10B und Vinci) auf das SSME um und konstruiert eine Expansionsdüse mit einem Verhältnis von 240 die über die bisherige mit einem Verhältnis von 77,5 gezogen wird, sobald der Umgebungsdruck hinreichend klein ist, so kann man die Ausströmungsgeschwindigkeit in der Höhe steigern. Nach Simulationen mit dem NASA Programm FCEA sind es je nach Bedingungen (eingefrorenes Gleichgewicht oder nicht) 129 bis 151 m/s mehr. Davon ist ein Teil nur nutzbar, da die Düsenverlängerung nur in der Höhe eingesetzt werden kann. Nimmt man konservative 100 m/s mehr (Ausströmungsgeschwindigkeit nun 4.580 m/s) an, so erhöht dies die Nutzlast um 5.500 kg.

Zusammen mit dem leichtgewichtigeren Tank sind es dann schon 11.800 kg oder 26% der Ausgangsnutzlast. Wie kann man noch mehr herausholen? Nun es gelangen insgesamt 109.760 kg in den Orbit. Davon entfallen:

20.460 kg auf den Tank

32.000 kg auf die Triebwerke und

57.300 kg auf die Nutzlast

Das erste was auffällig ist, ist dass wir anfangs 6 Triebwerke brauchen um die Nutzlast vom Erdboden weg zu bekommen. In den Orbit gelangen aber nur 110 t. Das entspricht also dann einer Spitzenbeschleunigung von über 10 g, wenn alle sechs Triebwerke mit voller Leistung arbeiten. Wir brauchen dann eigentlich keine sechs Triebwerke mehr (aus demselben Grund werden die Triebwerke auch im Schub beim Shuttle gedrosselt, wenn der Orbit fast erreicht ist). Wenn wir nun den Schritt gehen zu folgender Taktik:

Wir trennen zweimal je zwei Triebwerke ab, wenn wir eine so hohe Beschleunigung haben, dass nach der Abtrennung noch eine Beschleunigung von 1,3 g resultiert. Je zwei aus Symmetriegründen. Das erste Paar würde abgetrennt werden wenn das Gefährt 718,26 t mit vier Triebwerken wiegt und das zweite Paar bei 359,1 t. Diese Berechnung beruht auf dem Vakuumschub von 2290 kN, der etwas höher als der Bodenschub ist.

Das vorzeitige Abtrennen der Triebwerke steigert die Nutzlast auf rund 60.000 kg. Das sind 14.500 kg mehr als beim Ausgangsmodell.

Das letzte leitet nun schon fast über, zur Paralellstufenrakete. Es gilt nun nicht nur die Triebwerke rechtzeitig abzuwerfen, sondern auch die Treibstoffbehälter. In unserem Beispiel hätten wir nicht mehr einen Tank, sondern 6 kleinere. An jedem sitzt dann ein Triebwerk. Sobald je zwei Tanks leer sind, werden sie mit den Triebwerken abgeworfen.

Die Herausforderung dabei ist, dass anders als bei derzeit eingesetzten Boostern gewährleistet sein muss, dass zuerst der Treibstoff aus diesen Tanks verbraucht werden muss, Sie füttern also alle Triebwerke während die anderen Tankbehälter nicht genutzt werden. Nehmen wir an es klappt und das gleiche günstige Stufenverhältnis bleibt erhalten, so haben wir eigentlich eine dreistufige Rakete – jede mit 242,4 Treibstoff und 12,20 t Trockenmasse.

Die Nutzlast wurde nun wegen der gravierenden Reduktion der Trockenmasse der letzten Stufe auf 94,4 t steigen. Das sind nochmals über 50% mehr als beim letzten Modell, da nun auch der Treibstofftank sich auf ein Drittel der Masse reduziert und der schwere Triebwerksrahmen nur für zwei anstatt sechs Triebwerke aufnehmen muss. Das kompensiert einige negative Folgen. So sind natürlich sechs kleinere Treibstofftanks schwerer als ein Großer, aber da nur ein Drittel den Orbit erreicht ist das zu verschmerzen. Bei dieser Rakete bringt übrigens die erste Stufe nur 1520 m/s auf, die zweite 2322 m/s und die letzte 5431 m/s. Daher schlagen Gewichtsreduktionen so stark bei der letzten Stufe durch.

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