Bernd Leitenbergers Blog

Skylon

Ich wurde gefragt was ich von diesem Konzept hatte, und muss sagen, ich hatte bisher nichts davon gehört. Wenn das verwundert, ich verfolge nicht jedes Konzept das es irgendwie schafft genügend Kapital für Entwicklungen zu bekommen, denn ich habe schon zu viele scheitern gesehen (Kistler, Kelly Aerospace, Rocketplane …) und die wo es schaffen präsentieren dauernd irgendwelche neuen Entwicklungen ohne viel über die Technik zu verlieren, machen es also Berichterstattern unnötig schwer (SpaceX, Scaled Composites, Bigelow).

Also habe ich mir zuerst einmal angesehen, was die Wikipedia und der Hersteller drüber schreibt. So wie es dort steht haben wir ein Flugzeug, dass ab Mach 5,4 auf einen Raketenantrieb umschaltet. Sofort fallen mir einige Wenn’s auf:

Ich kenne kein Triebwerk, das gleichzeitig wie ein Raketentriebwerk arbeitet oder wie ein Düsentriebwerk. Scramjets oder Staustrahltriebwerke kommen zwar ohne die Turbinen aus, die Luft komprimieren und die man bei Düsentriebwerken braucht und ähneln so schon mehr einem Raketentriebwerk als einem Düsentriebwerk, aber sie benötigen dafür einen großen Luftstrom, arbeiten also erst bei hohen Machzahlen. Derzeit erproben DoD und NASA solche Konzepte und hier beschleunigt eine Pegasus-Erststufe den Scramjet auf die erforderliche Geschwindigkeit. So war dies auch bei den Konzepten vorgesehen, als man in den fünfziger Jahren an Scramjets dachte um Atomwaffen nach Russland zu befördern. Diese Konzepte wurden dann zugunsten der Interkontinentalrakete aufgegeben.

Das Sabre Triebwerk scheint irgendetwas dazwischen zu sein. Vorne hat es eine normale Turbine, dann folgt ein Raketentriebwerk. Nun sind aber die Turbinen sehr hohen Temperaturbelastungen bei hohen Geschwindigkeiten ausgesetzt, denn ihre Rotorblätter erzeugen viel Widerstand.

Die NASA arbeitete in den Achtzigern an der Erforschung eines Systems das den Shuttle ersetzen könnte. Es bestand aus einer Grundstufe mit Staustrahltriebwerken, die eine herkömmliche Raketenoberstufe startet. Sie stellten es ein, weil sie massive Probleme bekamen. Nicht mit den Triebwerken, sondern der Reibung bei Mach 6. Die Oberfläche erhitzte sich soweit, dass auch hochtemperaturfeste Werkstoffe an Stabilität verloren. Schon das schnellste Flugzeug das gebaut wurde, die SR-71 erreichte an den Triebwerkseinlässen 480 – 585 °C. Das nimmt mit höherer Geschwindigkeit stark zu, auch ein Grund, warum Jagdflugzeuge sich auf Mach 2 beschränken. Ein weiterer Grund ist der hohe Treibstoffverbrauch. Bei der SR-71 betrug der Treibstoffanteil 47% bei 4.800 km Reichweite. Beim A-380 sind es bei 47% bei 14.200 km Reichweite. Der Treibstoffverbauch ist also dreimal so hoch. Der Effekt ist auch bei der Concorde zu sehen, die mit 51% Treibstoffanteil nur 6660 km weit kam.

Ich kann nicht beurteilen ob dieses Triebwerk technisch möglich ist, aber es wird dieselben Temperaturprobleme haben wie die NASA Entwicklungen die schließlich, weil sie nicht lösbar waren aufgegeben wurden und es wird Treibstoff benötigt um Mach 5,4 zu erreichen und nach der Rückkehr wieder zu landen. Nehmen wir an, dies wäre doppelt so viel wie die SR-71 benötigt und wir reden von einer Gesamtstrecke für den angetriebenen Flug in der Atmosphäre so sind dies schon 19% der Startmasse bei Kerosin, entsprechend rund 6,3% bei Wasserstoff.

Das leitet mich zum nächsten Punkt über. Ich halte die angegebene Nutzlast für unmöglich. Für den mit Raketenantrieb zurückgelegten Teil kann man mit bekannten Gleichungen rechnen. Nehmen wir an, das Triebwerk erreicht die Leistung des SSME (Ausströmgeschwindigkeit 4460 m/s) und eine Gesamtgeschwindigkeit von 9.100 m/s (1.300 m/s Gravitationsverluste und Höhenarbeit) so muss bei einem Start mit Mach 5,4 (1837 m/s) noch 7263 m/s aufgebracht werden. Nach der Ziolkowski Gleichung muss dann das Start/Endlmasseverhältnis 5,096 betragen. Bei 56 t im Orbit also rund 285,38 t beim Start. Nun beträgt die Startmasse aber nur 275 t und dies ist die mit dem Wasserstoff den man auch in der Atmosphäre braucht. Bei einer Landung von 66 t Wasserstoff und 150 t Sauerstoff (nach Hersteller( beträgt das Verhältnis 2,27:1. Raketentriebwerke arbeiten mit 6:1, also rund 41 t Wasserstoff wurden verbraucht um die Geschwindigkeit Mach 5,4 zu erreichen. Das passt auch zu den 250 t Sauerstoff aus der Luft die bis dahin aufgenommen wurden (6,09 zu 1).

Nur beträgt dann die Startmasse beim Start mit Mach 5,4 nur noch 234 t und im Orbit sollten dann noch 46 t ankommen – 5 t anstatt 12 t Nutzlast.

Das nächste ist die Frage wo der Treibstoff denn hinkommen soll. Das Skylon hat eine maximalen Durchmesser von 6,25 m und eine Länge von 82 m. Da es pfeilförmig geformt ist, nehme ich mal als Volumen die Hälfte eines Zylinders dieser Größe an. Davon gehen noch 12,3 m für die Nutzlastbucht ab. Das wäre ein Volumen von 920 m³. 66 t LH2 haben ein Volumen von 956 m³, 150 t LOX 132 m³. Das sind also schon mal mehr, als das Innenvolumen beträgt,

Das nächste ist dann die Rechnung ob es sich finanziell lohnt. Wie beim Space Shuttle wird eine Reduktion der Kosten in den Orbit versprochen. Sie sollen nur noch 800 Euro/kg betragen. Doch dafür müsste man 12 Milliarden Dollar investieren. Erstmals: Gerade das Shuttle lehrte, dass es nicht so einfach ist. Es flog weniger oft, die Wartung war teuer und lang andauernd. Das könnte auch beim Skylon so sein. Selbst wenn: Es gehört sich für eine Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht nur den Treibstoff und den Flugkörper zu berechnen sondern auch die Entwicklungskosten. 12 Milliarden für 12 t Nutzlast sind viel. Bei Ariane 6 rechnet man mit mehr Nutzlast mit nur 4 Milliarden. Also diese 8 Milliarden mehr, müsste man auf die Flüge umrechnen.

Vor allem gibt es aber nicht die Nutzlasten. 12 t gelangen nur in einen 300 km Equatorialorbit. Schon zur ISS, werden es weniger sein, wenn ich obige Zahlen nehme, wahrscheinlich nur noch 9-10 t. Der lukrative Transport in den GTO geht gar nicht. Damit wird es sicher nicht viele Flüge geben, denn wir reden ja von einem europäischen System. Aufträge seitens der US-Regierung gibt es dann nicht und in Europa allerhöchstens die wenigen Flüge der Vega oder Sojus in erdnahe Orbits. Wenn man eine zusätzliche Stufe mitführt unter günstigen Umständen vielleicht noch 6 t. Diese ist natürlich nicht wiederverwendbar und erhöht dann den Startpreis dramatisch. Doch dies nur wenn es wirklich 12 t sind. Wie oben errechnet sind es eher 5 t. Bei 12 t Nutzlast dürfte das Gefährt nach Verbrauch der 41 t LH2 entweder nur noch eine Endgeschwindigkeit von 8460 m/s (mit Verlusten) erreichen oder es müsste eine Ausströmgeschwindigkeit von 4890 m/s aufweisen, was technisch unmöglich ist, vor allem wenn man die kurzen Entspannungsdüsen sieht. Wie alle Einstufenkonzepte ist Skylon sehr anfällig gegenüber dem Ansteigen der Leermasse. Hier sind es 43 t Leermasse und nur 12 t Nutzlast. Steigt sie nur um 10%, so kostet das ein Drittel der Nutzlast. Dabei ist diese schon sehr günstig gerechnet. Nur als Vergleich, der Space Shuttle Tank, der nicht einen Wiedereintritt übersteht wiegt 27,2 t bei 8,38 m Durchmesser und 47 m Höhe Skylon ist schlanker (6,25 m Durchmesser) aber fast doppelt so lang (82 m).

Also ich sehe viele Wenn’s und Aber’s. Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren, nur bezweifle ich dass ein privater Unternehmer die 12 Milliarden Entwicklungkosten zusammenbekommt und wenn, dann ist der Markt relativ klein.

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