Bernd Leitenbergers Blog

Die Falcon 9 – zum Nachrechnen

Nun, da man sehr bald meine Wette einlösen kann – der nächste Start wird der letzte der „v1.0“ Version sein. Diese war die, die aktuell war als ich die Wette vor vier Jahren startete.Ich will an der Stelle mal eigen, warum ich mir damals so sicher war, dass die Angaben falsch waren. Meine Werte kamen durch Simulation mit Nutzung der damals bekannten Angaben von SpaceX und Ergänzung durch Schätzung aufgrund bekannter Werte ähnlich aufgebauter Werte zustande, doch will Ich hier mal zeigen wie auch ein Laie mit einem Taschenrechner sehr einfach beweisen kann, dass SpaceX da einen Wurm drin hat, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Es geht im detail um die angaben für GTO und LEO. Basis ist dafür nicht die dauernd sich ändernden Angaben auf der Website, sondern der seit 2009 unveränderliche Users Guide, der sich an zahlende Kunden wendet. Man sollte diese Angaben also als Verbindlich anzusehen.

Auf S.19 des Users Guide wird eine Angabe für die LEO Nutzlast gemacht: 10.454 kg in einen 200 km hohen Orbit mit einer Inklination von 28,5 Grad. Die Nutzlast in Standard GTO (Apogäum 35786 km, 28,5 Grad Inklination) beträgt nach S.23 des Users Guide 4536 kg. Auf der Websitewird der spezifische Impuls zu der zweiten Stufe zu 342 s = 3354 m/s angegeben.

So nun der Ansatz wie man eine Schätzung der Prüfung der Werte machen kann. Eigentlich ist der Ansatz dazu gedacht, die Trockenmasse der zweiten Stufe abzuschätzen, doch wenn man ihn durchrechnet, so wird man sehen, dass da etwas nicht stimmt.

Die Überlegung ist folgende: Der geostationäre Orbit hat einen höheren Geschwindigkeitsbedarf als ein 200 km zirkularer Orbit. Er kann bei einem gemeinsamen Perigäum vojn 200 km und unveränderter Inklination leicht zu 2454,7 m/s berechnet werden. Aufgrund der höheren Geschwindigkeit muss die Nutzlast abnehmen. Die Zielgeschwindigkeit einer Stufe ist nach Ziolkowski leicht berechenbar nach v = spezifischer Impuls * ln (Startmasse / Brennschlussmasse)

Nun der Ansatz: die Falcon 9 ist eine zweistufige Rakete. Sie hat nach COTS Presskit eine Startmasse von 314 t. Da diese Mission in den LEO Orbit geht dürfte dies der Maximalnutzlast entsprechen. Was verändert sich, wenn nun ein GTO Start durchgeführt wird?

Nun für die erste Stufe wenig. Die Startmasse sinkt von 314 auf 308 t. Die Brennschlussmasse ist unbekannt, doch nimmt man eine Schätzung basierend auf Erfahrungswissen an, so dürfte die Erste Stufe rund 260 t wiegen und die zweite etwa unter 50 t. Die Brennschlussmasse liegt dann bei etwa 70 bis 75 t. Kurzum, das verändert den Teiler Startmasse / Brennschlussmasse bei der ersten Stufe kaum. Als Resultat müsste die Geschwindigkeit die die erste Stufe aufbringt bei beiden Fällen in etwa die gleiche sein.

Die zweite Stufe wird den Hauptteil der Geschwindigkeit aufbringen müssen. Für sie ändert sich vor allem die Brennschlussmasse. Die Startmasse wird nun bei 54 bzw. 60 t liegen. Die Brennschlussmasse dagegen bei 13 bzw. 7 t. Der Teiler beträgt dann einmal 7,7 und einmal 4,6 weshalb die kleinere Nutzlast mit einer höheren Geschwindigkeit korrespondiert.

So nun ein Ansatz mit dem ich normalerweise eine Abschätzung der Trockenmasse der zweiten Stufe mache. Der Ansatz ist folgender: Wir gehen davon aus, dass bei einer GTO Mission nicht die Nutzlast kleiner ist, sondern die Differenz an Nutzlast zum LEO Orbit in Form von Treibstoff transportiert wird. Sobald die Geschwindigkeit des LEO Orbits erreicht wird, besteht die „Nutzlast“ dann noch aus 4536 kg Satellit und 104354-4536 = 5918 kg Treibstoff. Das reduziert die Zahl der Unbekannten (Vollmasse / Leermasse beider stufen) von 4 auf 1. Die Frage ist nun, ob diese Vereinfachung zulässig ist. Nun man kann diese Methode ja bei anderen Raketen durchführen und wird feststellen, dass sie eher zu niedrige Werte für die zweite Stufe liefert, die jedoch nahe an den realen sind. Sie ist deswegen „optimistischer“, weil in der Natur natürlich die gesamte Masse nicht nur aus Treibstoff besteht, sondern auch aus Tanks.

So nun der Ansatz. Wir können folgende Gleichung aufsetzen:

2454,7 m/s = 3354 m/s * ln ((10454 kg + x) /( 4536 kg + x))

(nach Ziolkowski unter Benutzung oben angegebener Werte)

x ist die Trockenmasse der zweiten Stufe. Wir formen nun um:

0.7318 = ln ( (10454 + x) / (4536 + x ))

2.079 = (10454 + x) / (4536 + x)

9200,4 + 2.079 x = 10454 + x

1.079 x = 1253,6 kg

x = 1162 kg

Nach dieser Rechnung sollte die zweite Stufe leer nur 1161 kg wiegen. Doch dies kann nicht sein. Andere Angaben von SpaceX über Schub und Brennzeit der zweiten Stufe sprechen lassen die Treibstoffzuladung auf 47 t berechnen. Ein Merlin 1C wiegt 640 kg, das würde heißen, wenn man Schubgerüst, Lenkung etc. noch vollständig ignoriert, dürften die Tanbks nur 500 kg wiegen, und das ist unrealistisch. Andere Dokumente die inzwischen vorliegen, sprechen von einer Leermasse von 2957 kg, ich hatte damals 3000 kg angesetzt. Die Folge ist natürlich, dass bei 3000 kg Leermasse die Nutzlast (wenn die für den LEO korrekt ist) nur noch 2698 kg beträgt.

Doch es kommt noch schlimmer. Wenn man versucht mit realistischen Werte zu arbeiten die man von anderen Raketen kennt, dann kommt man auch nicht auf die 10,5 t LEO Nutzlast, sondern nur etwas über 8,2 t. Ich glaube auch, dass diese Nutzlast beim letzten Flug nicht überschritten wird, denn nach SpaceX Angaben hat die Dragon (mit 20% Sicherheitsreserve) eine Startmasse von 4,9 t trocken und fasst 1,29 t Treibstoff. Die letzte Nutzlast war mit Verpackung knapp unter 1 t schwer. Das sind zusammen dann 7,19 t. Wenn also SpaceX nicht beim letzten Flug nochmals 3 t mehr transportiert habe ich meine Wette gewonnen.

Man kann das aber auch an der nun angekündigten „v1.1“ Version sehen. Ihre Startmasse ist um 52% höher. Die LEO-Nutzlast aber nur um 26 %, die GTO Nutzlast steigt aber nur um 6,9%. Tja, da sieht man dann dass man doch nicht einfach die Physik mit Planvorgaben umgehen kann. Daher zum Abschluss mal noch eine kleine Tabelle, welche die sich laufend ändernden Nutzlastangaben von SpaceX veranschaulicht:

 

September 2005 März 2006 Juni 2006 August 2007 Juni 2008 Juli 2008 Januar 2009 März 2010 / Users Guide Juli 2010 Dezember 2010 Mai 2011 (für Starts ab 2013) Mai 2012
Nutzlast
LEO (kg)
8.700 9.300 10.320 10.400 12.500 9.900 10.450 10.454 11.500 9.800 16.000 (v1.1)
10.450 (v 1.0)
13.230 kg
Nutzlast
GTO (kg)
3.400 3.400 4.536 5.070 4.640 3.600-4.680* 4.536 5.000 (v1.1)
3.000 (v1.0)
4.850 kg
Nutzlast
SSO (kg)
8.560
Startkosten
(Millionen Dollar):
27 35 57,75 46,8 36,75-57,75 49,9-56,6 54-59 54
Bemerkung: neue Version „v1.1“ neue Version „v1.1“

 

Offensichtlich sind die Falcon 9 Raketen die andauernd ihre Leistungsdaten verändern …. Zwischen höchster Angabe und niedrigster liegt fast der Faktor 2.

Ach ja und hier die Nachlese zum angeblichen Superstart im Oktober, wenigstens von der NASA erfährt man einiges was schiefgegangen ist. So verwendet das „für bemannte Einsätze“ vorgesehene Dragon Raumschiff Computer ohne strahlengehärtete Elektronik, die dann auch schon einen Tag nach dem Start ausfällt….

http://www.spaceflightnow.com/falcon9/004/121114anomalies/#.UKSekYeqkmw

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