Bernd Leitenbergers Blog

Raumfahrt Entwicklungsland USA?

Ich lese gerade „Space Shuttle Challenger“ von Ben Evans. Es ist primär ein Buch über die Astronauten und die 10 Missionen der Challenger, aber es enthält auch einige technische Angaben, die ich ganz interessant finde. Beim lesen bin ich über folgende Sätze von Henry Pohl, ehemaliger Director of engineering and Development gestolpert:

„I would say, that we came out with that at the only time when we would have been successful. If we waited another two years before starting development on the shuttle we probably would not been able to do it, because the people who designed the Shuttle main engine were the same who designed previous rocket engines. That group had designed and build seven different rocket engines before they started the Shuttle Development. A lot of them retire and if we waited another two years, those people would have all been gone and we would have had to learn all over again on the engine development.“

Nun ist das SMME sicher ein Meisterstück der Technik und vor allem noch verbessert worden, was sich vor allem in der drastischen Reduktion der Probleme niederschlug wie der in der Frühphase des Space Shuttles so häufigen Startverschiebungen und Abbrüche in letzter Sekunde. Aber es war auch für lange Zeit das letzte in den USA entwickelte Triebwerk. Danach kam erst ab 1995 die Entwicklung des RS-68, das zwar schubkräftiger ist aber in allen Performancewerten (Schub/Gewichtsverhältnis, Brennkammerdruck, spezifischer Impuls etc.) deutlich schlechter da steht, ja nicht mal den Wert des vierzig Jahre alten J-2 erreicht.

Als zweite Neuentwicklung gibt es dann noch die Merlintriebwerke die bei insgesamt 45 Einsätzen nun schon drei Triebwerksausfälle hatten, also rund einen pro 15 Exemplare. Selbst ein kleineres Oberstufentriebwerk scheint eine große Herausforderung zu sein. Vor mehr als 10 Jahren wollte man zusammen mit der ESA das RL-60 mit 180-300 kN Schub entwickeln, als Nachfolger des RL-10, das bei den inzwischen viel größeren Oberstufen doch  zu klein ist und seit ebenso langer Zeit steht ein solches Triebwerk im Anforderungskatalog der Air Force für zu entwickelnde Komponenten. Passiert ist nichts. Nun erprobt man sogar das das alte RL-10 für Landungen (Mond etc.) auf Methan umzurüsten und den Throttle Bereich zu erhöhen – anstatt dass man was neues entwickelt.

Die SLS wird gebaut mit SRB Booster (Entwicklungsbeginn: 1973), RS-25 (Entwicklungsbeginn: 1972) und J-2X (Entwicklungsbeginn 1965), eventuell noch mit F-1A ergänzt (Entwicklungsbeginn: 1968). Kürzlich holte man eine alte Turbopumpe aus dem Museum um sie erneut zu testen, und wenn die NASA sucht, findet sie sicher auch noch die 33 Produktionsexemplare des F-1 die nicht geflogen sind.

Das schlimme ist: dort merkt man das gar nicht. Im Gegenteil. Beim J-2X, wie das J-2S heute heißt, ist man stolz darauf die bisher kürzeste Zeit zwischen Entwicklungsbeginn und erstem Test und erstem Test vorweisen zu können. Was die NASA aber nicht sagt ist, das 1969 die Entwicklung nach über 30000 s Testzeit abgeschlossen wurde, es fehlte nur noch die Zertifizierung, die für bemannte Einsätze noch sich anschließt. Für unbemannte Träger wäre das J-2S schon freigegeben. Das J-2X sieht auf dem Datenblatt zwar etwas leistungsfähiger aus und soll eine neue Turbopumpe vom X-33 Demonstrator haben, nur wer wie ich nachschaut stellt fest, das schon das Design eine Schuberhöht auf 1334 kN zuließ, von der die NASA Nun Gebrauch macht und die ursprüngliche Turbopumpe des X-33 die des J-2S ist, die dann weiterentwickelt wurde. Dass einzig neue ist eine ungekühlte Verlängerung der Expansionsdüse, im Prinzip ein dort angeschweißtes Metallstück.

Kurzum: mit der Triebwerksentwicklung sieht es mau aus. Natürlich ist das kein Selbstzweck. Triebwerke sollte man nur entwickeln, wenn man einen Bedarf hat. Doch den sehe ich gegeben. Atlas V und Antares haben beide rund 3200-3800 kN Schub beim, Start. Ein US-Triebwerk für beide würde die Abhängigkeit von zwei russischen Triebwerken beseitigen und man käme dann auch auf Stückzahlen die in der Produktion lukrativ sind. Dasselbe Triebwerk könnte jeweils viermal in Boostern der SLS eingesetzt werden. (oder man nimmt vier kleinere anstatt zwei größere Booster). Für die SLS, für die es keinen Bedarf gibt und bei der man noch nicht weis ob sie jemals kommt sieht es anders aus, da kann man ruhig die schon vorhandenen SSME und J-2S nehmen, zumal beide ja auch keine schlechten Triebwerke sind. Nur braucht man für Antares und Atlas eher ein LOX/Kerosin Triebwerk.

Alle Oberstufen haben kräftig an Gewicht zugelegt und für größere Stufen, aber auch größere LEO-Nutzlasten braucht man etwas schubstärkeres als das RL-10. Hier wäre ein Triebwerk mit 250-300 kN Schub sinnvoll, was dann bis zu 50 t schwere Stufen antrieben könnte. Mit Delta IV und Atlas V die derzeit noch zwei unterschiedliche RL-10 Varianten einsetzen gäbe es auch hier genügend Einsatzmöglichkeiten. Dass würde auch eine schöne Oberstufe für das SLS für Hochenergiemissionen abgeben.

Als Obama Constellation einstellte versprach er als „Trostpflaster“ die Aufnahme von Triebwerksentwicklungen für Schwerlastraketen. Ich habe das damals kritisiert, weil es unnötig ist (wenn ich eine Schwerlastrakete baue, dann brauche ich Triebwerke und wenn nicht, dann sind sie überflüssig). Das wurde ja zugunsten von „Constellation 2.0“ also Resteverwertung eingestellt. Er hätte eine neue Initiative für Triebwerke für die Raketen die man heute hat starten sollen, das wäre sinnvoller gewesen.

Die Anregung zu dem Thema habe ich von der Arbeit am US-Trägerlexikon, die ich jetzt, zumindest vom Sammeln der Fakten her fast abgeschlossen habe. Das Space Shuttle fehlt noch, aber da finde ich nichts oder zu viel. Konkret: ich finde tausende Dokumente zu kleinen Spezialthemen, aber keine aktuelle Übersicht des Gesamten vor allem mit vielen Zahlen, sondern wie heute nur üblich „Fun facts“. Aber das ich ja ein Raketenlexikon und kein Lexikon über bemannte Räumschiffe schreibe, Das war auch der Grund warum ich in letzter Zeit keine Blogs mehr geschrieben habe, denn das will ich bis zum Wochenende abschließen. Dann gehe ich noch einmal durch und dann wird veröffentlicht. Mit Korrekturlesen wäre zwar besser, aber ich bin inzwischen bei 1,363 Millionen Zeichen, 140% mehr als bei der ersten Ausgabe und da ich Erfahrungswerte von den letzten Büchern habe, kann ich dann mit Korrekturzeiten von eineinhalb Jahren pro Korrektor rechnen. die dann noch enthaltenen Rechtschreibfehler haben auch den Vorteil, dass man sofort erkennen kann, wenn einer vom Buch abschreibt. Das US-Trägerraketenlexikon wird dann das letzte Raumfahrtbuch sein, zumindest für dieses Jahr, falls sich die Verkäufe bessern fange ich vielleicht noch mal was an, ansonsten wars das.

Danach wäre das Buch über Ernährungsfragen dran, dass ich mal angefangen aber dann wegen der Fertigstellung der anderen Bücher gestoppt habe, falls ihr also noch Fragen habt, nichts wir her damit. Erfreulich läuft derzeit eigentlich nur ein Buch, das ist die aktualisierte und verkürzte Ausgabe von Was ist drin, nur beschränkt auf Zusatzstoffe. der Diätratgeber läuft eher schleppend, aber vielleicht startetver ja noch durch, auch die Zusatzstoffe haben einen guten Monat gebraucht bis es los ging.

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