Bernd Leitenbergers Blog

Die letzte Sternstunde der NASA

… zumindest, was den bemannten Teil angeht, jährt sich in diesen Tagen zum vierzigsten Mal.

Am 14.5.1973 startete Skylab mit einer zweistufigen Saturn V. Was man vom Boden aus wegen einer dicken Wolkendecke nicht beobachten konnte: Nach 60 s entrollte sich der Mikrometeoritenschutzschild und nahm dabei auch den darüberliegenden Solarzellenflügel des OWS mit. Es konnte Luft am unteren Ende eindringen, sie expandierte beim Aufstieg und führte zum Entrollen, das übrige taten die aerodynamischen Kräfte bei MAX-Q. Als dann die Stufentrennung anstand, durchtrennten die Raketen die Verbindung und ein Solarzellenflügel ging verloren, der Zweite (das sollte sich erst später zeigen, war eingeklemmt.

Im Orbit angekommen führte die IU der Saturn V die Inbetriebnahme durch, entfaltete alle Systeme, richtete die Station auf die Sonne aus und trennte die Nutzlastverkleidung ab. Danach übergab sie die Kontrolle an den Bordcomputer von Skylab. Dann bemerkt man die Probleme. Die Temperatur stieg im Inneren auf 48 bis 54 Grad an, es gab nur 40% der elektrischen Leistung, die Panels am OWS nur 25 anstatt 12.400 Watt.

Kurzum, irgendetwas musste passiert sein. Auch wenn man die Details noch nicht kannte, war eines klar – der Mikrometeoritenschutzschild musste weg sein, er war eine Metallhülle über der Station, die durch ihre reflektierende Schicht auch das Labor vor einer zu starken Aufheizung durch die Sonne schützte und das Solarpanel musste irgendwie am Entfalten gehindert sein. Es lieferte aber etwas Strom, musste also noch da sein.

Die Missionskontrolle brachte nun zuerst Skylab in eine Position, in der es minimal von der Sonne aufgeheizt wurde. Das führte aber zu einem Problem: Skylab war ausgelegt worden etwa 6 Monate betrieben zu werden, die einzelnen Besatzungen sollten sich in kurzer Zeit abwechseln. Es hatte daher kaum Lagereglungstreibstoff. Dafür gab es nur Druckgas, das in der Gesamtheit nicht mal ausreichte, die Station um 4 m/s zu beschleunigen. Bei der nominellen Mission war dies kein Problem. Skylab hatte als normale Ausrichtung eine von der Schwerkraft stabilisierte. Ohne äußeres Zutun würde die Station sich mit der Längsachse parallel zur erde und die Solarzellen auf die Sonne ausrichten. Nur für Erdbeobachtungen oder das Andicken musste man diese Ausrichtung aufgeben. Für die nominelle Mission war das ein Supersystem, doch es warf es nur n ein Problem auf. Drehte man die Station um 90 Grad, wie dies nun erfolgte, so musste man die automatische Rückkehr in diese Lage verhindert werden. Die Missionskontrolle rechnete vor, das, wenn man so weiter machen würde, das Druckgas nach 20 bis 30 Tagen erschöpft wäre. Ohne diese Lage befürchtete man aber Schäden an den Filmen und vor allem das Freisetzen giftiger Gasen durch die Polyurethanisolierung befürchtete. Trotzdem ersetzte man die Luft vor der Ankunft der Besatzung mehrere Male. Nach Verbrauch des Lagereglungstreibstoffs wäre die Station nutzlos. Einige plädierten schon dafür, Skylab B zu starten. Es gab noch ein Ersatzexemplar, genauso wie eine Saturn V dafür. (Die NASA leistet sich ja den Luxus eine komplette Raumstation samt zweier Versorgungsraumschiffe und Trägerraketen heute in Museen verrotten zu lassen, die Agentur hat einfach zu viel Geld….)

Also es gab nicht viel Zeit. Ursprünglich sollte die erste Besatzung einen Tag später starten, nun wurde das verschoben, man suchte im Wettlauf gegen die Zeit nach zwei Lösungen: Wie bekomme ich den Solarzellenflügel frei und wie schütze ich die Station vor der Sonne? Für das Letzte entwickelte man sehr rasch drei mögliche Lösungen. Eine erwies sich bei genauerer Betrachtung als zu riskant. Die beiden anderen wurden umgesetzt. Das war der Parasol, eine Art Regenschirm aus reflektierender Folie auf vier Teleskopstangen. Er wurde als Provisorium angesehen, er konnte aber durch die Luftschleuse entfaltet werden. Das Zweite war ein „Segel“, das man aber bei einer Au0enmision aufziehen musste. Da man diese erst trainieren musste, beschloss man vor dem Start beide Vorrichtungen mitzuführen, aber das Segel erst bei der zweiten Besatzung auszuziehen.

Für die Befreiung hatte man erst gar keinen Plan. Das Manko was auch das Segel auf die zweite Mission schon, war das es außerhalb von Skylab keine Möglichkeiten gab Halt zu finden, mit Ausnahme eines Wegs von der Luftschleuse zum ATM, wo die Besatzung regelmäßig Filmkassetten auswechseln musste. Doch entlang des OWS, der im wesentlichen ein glatter Zylinder war, gab es nichts, wo man sich festhalten konnte. Wie sollte man also die über 6 m von der Luftschleuse entfernten Solarpaneele erreichen?

Man suchte nach geeigneten Werkzeugen, die es schon gab. Für den Parasol setzte man z.B. Stangen auf Basis von Angelruten ein, das Segel bestand aus dem Stoff der Astronautenanzüge, bezogen mit Mylarfolie, sehr bald fand man auch Werkzeuge, die aus der Ferne bedient wurden – für die Arbeiten an Strommasten und Telefonmasten. Die NASA entwickelte zum letzten Mal in eine Krise ein enormes Arbeitstempo an die Tage und unkonventionelle Vorgehensweisen. Als man den Chef von McDonnell-Douglas bat mit seinen Ingenieuren zu kommen, die mit Details des OWS vertraut warn sollte er noch einen Abstecher auf einen Lokalflughafen machen und dort noch einen Vertreter einer Firma mit Sägewerkzeugen an Bord nehmen. Als ein Flugzeug erst lange nach Dienstschluss ankam, schnappte sich ein Angestellter den Privatwagen seines Vorgesetzten, um die angekommenen vom Flugplatz nach zum MSFC zu fahren.

Der Rest ist Geschichte. Zehn Tage nach Skylab 1 startete die erste Besatzung. Sie stellte man Anflug fest, was passiert war, aber auch das ein Panel noch vorhanden war, aber durch einen Draht am entfalten gehindert wurde. Nachdem das Andocken erst nach einigen Anläufen klappte, wurde am zweiten tag der Parasol entfaltet und die Temperaturen sanken auf ein erträgliches Maß von 28 Grad Celsius. Da allerdings die Stromversorgung nur gerade noch ausreichte, arbeitete man an der Entfaltung des noch verbliebenen Panels.. Die Ersatzbesatzung hatte inzwischen im Unterwassertank eine Prozedur erarbeitet, wie man ohne Haltemöglichkeiten trotzdem den Solarzellenflügel entfalten konnte. Mit Verlängerungsstangen würde man zuerst den Draht durchschneiden und dann es dort mit einem Seil einhaken. Das Seil würde man spannen und so das Array befreien.

Das klappte auch bis auf den zweiten Teil. Durch 14 Tage auf der sonnenabgewandten Seite war der Mechanismus eingefroren, der es ausfuhr, soviel man auch zog, es tat sich nichts. Schließlich hangelte sich Conrad über das Seil zum Array, spannte es über die Schulter und richtete sich auf – das reichte und das Array ging auf und Conrad schwebte durch den Impuls weg in den Weltraum, allerdings gesichert durch die Versorgungsleine mit einem Stahlkern. Skylab hatte nun drei Viertel ihrer Nennleistung und konnte voll betrieben werden.

Seitdem gab es in der bemannten Raumfahrt keine Situation mehr in der es kritisch war oder eine Mission gescheitert wäre, wenn man nicht innerhalb weniger Tage reagiert hätte. Bei STS-107 wäre das vielleicht eingetreten, wenn man das Problem des Schaumstoffs in vollem Umfang erkannt hätte. Vorher war es bei Problemen des Shuttles so, das man vorzeitig abbrach, so beim Ausfall einer Toilette oder einer Brennstoffzelle. Ich glaube nicht, dass man heute noch in der NASA die Fähigkeit hätte, so schnell zu reagieren. Die ganze Organisation ist so bürokratisch und träge geworden,

Das ganze gibts natürlich auch ausführlicher (Vorsicht Schleichwerbung) in meinem Buch Skylab: Amerikas einzige Raumstation, auch wenn wie die einzige Amazon Kritik richtig bemerkt das Hauptaugenwerk nicht auf den Pleiten Pech und Pannen während der Mission liegt, sondern auf der Station, (wie auch der Titel des Buchs aussagt). Wen das interessiert, dafür gibt es zwei englischsprachige Bücher.

Die mobile Version verlassen