Niels hat mich in einer Mail gefragt, warum ich seine Oberstufe mit 30,35 / 4,35 t Masse für zu leicht erachte. Nun Niels hat den „Fehler“ gemacht, sich an Oberstufen aus aller Welt zu orientieren. Die ESC-A/B werden aber nicht wie z.b. die EPC oder H10 Oberstufe von Astrium in Frankreich, sondern von Astrium Bremen gefertigt und die haben sehr schwere Oberstufen konstruiert. Die ESC A wiegt 4,545 kg trocken bei 14,6 t Treibstoffzuladung. Für die ESC B werden 6-6,25 t trocken bei 27,5 bis 28 t Treibstoffzuladung genannt. Bei der ESC-A kommt noch die 0,95 t schwere VEB dazu, bei der ESC-B soll diese integriert sein.
- Getrennte LOX/LH2 Tanks
- Ungünstige LH2-Tankform (große Oberfläche)
- Notwendigkeit der Verbindung beider Elemente und eines Containers, in dem der LH2 Tank eingehängt ist.
Das schlägt sich in der Massebilanz nieder. Leider habe ich dank Kommerzialisierung keine Daten aktueller US-Oberstufen auf Komponentenlevel, doch hier mal der Vergleich der Subsysteme der Centaur D und der ESC-A
ESC-A | Centaur D | |
---|---|---|
LH2-.Tank | 1.980 kg | |
LOX-Tank | 220 kg | 542 kg (Integraltank) |
Stufenadapter | 920 kg | 777 kg |
Schubgerüst | 350 kg | 179 kg |
Triebwerk | 170 kg | 262 kg |
Stufenbeschleunigungs- / Trennungsraketen | 190 kg | 35 kg |
Intertankverbindung (ESC-A) / Isolationspaneele (Centaur) | 180 kg | 532 kg |
Kleinteile Sonstiges | 535 kg | 305 kg |
VEB / Instrumentierung | 950 kg | 388 kg |
Dazu muss man einige Bemerkungen. Die Centaur ist, obwohl in den sechziger Jahren entwickelt, in vielem moderner als die ESC-A. Die Tanks haben keine feste Isolierung, sondern Paneele, die im Flug abgeworfen werden, bei den neueren Versionen ist die Isolierung aber auch fest. Der Tank ist ein Integraltank, LOX/LH2 durch einen gemeinsamen Zwischenboden getrennt. Das macht ihn nicht nur leichter, sondern erspart noch die Intertankverbindung. Der Tank ist zudem druckbeaufschlagt, was ihn trotz Edelstahl als Werkstoff sehr leicht macht. Die Triebwerke sitzen ohne größeres Schubgerüst direkt unten am Tank. Die Centaur setzt zwei Triebwerke ein, die ESC-A nur eines. Beide haben etwa gleichen Schub (65/67 kN). Allerdings arbeitet das RL10 nach dem Expander Cycle Verfahren, daher entfallen die Stufenbeschleunigungsraketen und man braucht nur die Stufentrennungsraketen für die Abtrennung der Nutzlast. Bei der Centaur ist die Elektronik traditionell in die Stufe integriert, bei Europa macht man (damit jeder auch einen Auftrag bekommt) noch eine eigene Equipment Bay, die auf der Stufe sitzt und durch den dazu nötigen Ring schwerer ist.
In der Summe wiegt die Centaur bei der Zündung 15.512 kg bei einem Trockengewicht von 1.592 kg. Die ESC-A 17.900 kg bei einem Trockengewicht von 3.300 kg. Obwohl also die Stufen hinsichtlich Treibstoffzuladung vergleichbar sind, ist die Trockenmasse doppelt so hoch.
Nun die ESC-A war gedacht als Zwischenlösung. Sie sollte von 2002 bis 2007 fliegen und 2007 von der ESC-B abgelöst werden. Doch nach dem gescheiterten Jungfernflug der Ariane 5 ECA wurden die Gelder für die ESC-B für ein Konsolidierungsprogramm verwendet und seitdem kam es nicht zur Entwicklung, was ihr ein deutlich längeres Leben beschert. Für die ursprüngliche Interimsversion ist das krude Design noch hinnehmbar. Doch bei der ESC-B ist es nicht viel besser, wie das zu erwartende Trockengewicht von 6 t zeigt.
Was sich auch auswirkt, ist, dass das Vinci Triebwerk mit 550 kg Masse, deutlich schwerer als zwei schubgleiche RL-10 ist. Das liegt auch an der enorm langen Düse mit dem Expansionsverhältnis von 240. Immerhin integriert man nun die Elektronik in die Oberstufe, sodass die VEB wegfällt.
Was zu berücksichtigen ist, ist das eine Stufe auf Feststoffboostern steifer sein muss als die obige Centaur auf der Standard Atlas. Doch auch hier gibt es einige US-Beispiele:
Oberstufe | Auf … | Startgewicht | Trockengewicht | Voll/Leermasse |
---|---|---|---|---|
Centaur D-1T | Titan 3E | 15.593 kg | 2.060 kg | 7,59 |
Centaur G | Titan 4A/4B | 23.923 kg | 2.775 kg | 8,62 |
Core 2 | Ares I | 156.000 kg | 17.500 kg | 8,91 |
EDS | Ares V | 278.500 kg | 24.200 kg | 11,50 |
SLS | 234.780 kg | 23.500 kg | 9,99 | |
ESC-B | Ariane 5 | 34.450 kg | 6.250 kg | 5,51 |
Vergleichbar von der Auslegung und den Beanspruchungen ist die Centaur G. Auch hier wurde die Centaur D einfach erweitert, indem ein neuer LH2 Tank von 4,35 m Durchmesser angebracht wurde. Der Zwischentank blieb aber. Auch sie ist deutlich schwerer als die Centaur der Atlas, deren letztes Exemplar 23.392 / 2.462 kg (bei zwei Triebwerken) wiegt. (9,50 zu 1). Das sind bei der Centaur G rund 260 kg mehr, nicht 2000 kg wie bei der ESC-B. Nun ist die Centaur ein optimiertes Design, das kann man von Astrium Bremen sicher nicht verlangen, dazu fehlt die technologische Kompetenz in Bremen, die bisher nur kleine Oberstufen mit lagerfähigen Treibstoffen und Druckstabilisierung entwickelt haben, aber man kann es mit einem zweiten „nicht optimierten“ Design verglichen – dem der DCSS. Die Delta IV Zweitstufe ist schnell und billig entwickelt worden (die gesamte Delta IV Entwicklung ist ja billiger als die ESC-B), also so viel sollte man dann vom Hersteller schon verlangen können.
Bei der Delta IV Oberstufe sind zwei getrennte Tanks für LH2 und LOX mit einem Zwischenstufenadapter verbunden, der recht viel Platz lässt. Dort befinden sich z.B. die Druckgasflaschen und der Treibstoff für das Lageregelungssystem. Darunter ist ein konventionelles Schubgerüst. Auch hat das RL-10B eine ausfahrbare Düse wie das Vinci, nur etwas weniger Schub. Die DCSS wiegt 30.710 kg / 3.490 kg also Masseverhältnis von 8.79 zu 1) und sie hat fast dieselbe Treibstoffzuladung wie die ESC-B. Berücksichtigt man das das Vinci 240 kg mehr als das RL-10B wiegt, und in der VEB noch Treibstoff für die Rollachsenkontrolle der EPC steckt, sollte ein Trockengewicht von 4 t möglich sein. Das meint auch MT Aerospace, bei deren Konzept eine LOX/LH2 Stufe mit dem Vinci Triebwerk 28,6 / 3,7 t wiegt (7,79 zu 1). Überträgt man dies auf die ESC-B kommt man auf 4,19 t Trockenmasse also ziemlich genau 2 t weniger als derzeit geplant. 2 t weniger sind bei der letzten Stufe 2 t mehr Nutzlast – 14 anstatt 12 t.
Das Ganze hat auch noch einen zweiten Vorteil: Die Oberstufe wäre so 1:1 auf die Ariane 6 transferierbar, bei der sie sowieso dünner sein muss. Der einzige Preis ist ein Adapter an der Nutzlastverkleidung, die nach wie vor 5,40 m Basisbreite hat. Dann wäre das Geld wenigstens gut investiert, denn man spart sich für die Ariane 6 neue Ausgaben (so muss man aber bei der Ariane 6 eine neue Stufe konstruieren, ich vermute aber das ist Absicht). Es sollte das Eigeninteresse von Astrium Bremen sein die Stufe auf die Ariane 6 auszulegen, denn dort kann man sich noch weniger als bei der Ariane 5 2 t Mehrgewicht leisten. Bei der Ariane 5 reduziert das die Nutzlast von 14 auf 12 t. Doch bei der Ariane 6 von 8 auf 6 t bzw. 5 auf 3 t, also prozentual viel stärker. Sonst könnte es spätestens bei der Ariane 6 dazu kommen, das den Auftrag eine Firma bekommt, die leichte Stufe konstruieren kann, wie z.B. Air Liquide, die mit der H10 (Voll-/Leermasseverhältnis bei der letzten Einsatzversion: 9,75 zu 1) gezeigt hat, das sie die Technik beherrschen.
Was ist, wenn es Astrium Bremen nicht hinbekommt? Nun es gibt noch andere deutsche Firmen. MT Aerospace hat einen guten Vorschlag, die Firma fertigt nicht nur für Ariane 5 Bulkheads, sondern auch für Atlas und H-IIA. Vielleicht sollte man mal den Hersteller der Oberstufe wechseln. Die ESC-B Entwicklung wird mit 1,2 bis 1,7 Milliarden Euro angegeben, weitaus teurer als die ESC-A Entwicklung und fast so teuer wie die Ariane 1 Entwicklung inflationskorrigiert. Ich meine dafür kann man State-of-the-Art erwarten. Wenn eine Firma das nicht hinbekommt, dann sollte eine andere damit beauftragt werden.
So nach diesem langen Aufsatz gibts morgen nur was kurzes, damit ihr nicht zu viel zum lesen habt.