Bernd Leitenbergers Blog

Die rätselhaften Fehlerursachen der Proton

Wie sicher jeder mitbekommen hat, hatte die Proton (mal wieder) einen Fehlstart. Außergewöhnlich war, dass anders als bei allen letzten Fehlschlägen diesmal die erste Stufe versagte. Noch ungewöhnlicher ist aber die Ursache. Zuerst hieß es eines der Triebwerke wäre ausgefallen. Das klingt für mich noch einigermaßen plausibel. Bei einem Ausfall gibt es eine Schubasymmetrie die wenn der Träger nicht ausgelegt ist sie abzufangen relativ zwanglos diesen Looping erklären kann. allerdings hätte sie auch langsamer werden müssen, denn die Rakete startet mit 14 m/s. Bei einem Verlust müsste der Schub auf 11,7 m/s absinken. Berücksichtigt man die Erdbeschleunigung g, so ist das eine Steiggeschwindigkeit von 4,2 und 1,9 m/s.

Nun hat man als Ursache aber ein zu schnelles Abheben ausgemacht. Der Träger sei eine halbe Sekunde zu früh abgehoben. Nun kann eine halbe Sekunde bei einem Hochdrucktriebwerk viel sein. Ich habe also mal nachgeschaut was ich über die Triebwerke weis und stieß auf folgendes; „Die Triebwerke werden 3,1 Sekunden vor dem Start gezündet, 1,6 Sekunden vor dem Start auf 40 % Schub und schließlich 0,15 Sekunden vor dem Abheben auf 107% Schub hochgefahren.“. Das galt für die alte Generation, die neue ist etwas leistungsfähiger, doch denke ich das Zeitverhalten wird ähnlich sein. Sicher kann es sein, dass bei einem Abheben 0,5 s zu früh sie noch nicht den vollen Schub haben. doch zwei Dinge sind dann merkwürdig. Mit weniger Schub müsste die Rakete langsamer abheben, davon bemerkt man nichts. Stattdessen sieht der Start zuerst normal aus und dann kippt sie.

Noch seltsamer ist die Begründung was dann passierte. Das Steuersystem hätte das erkannt und die Rakete von der Startplattform wegbewegt. Also wenn ich ein Problem habe dann sprenge ich entweder die Rakete, oder wenn ich befürchte das es Beschädigungen der Startplattform durch eine bodennahe Explosion gibt, dann würde ich die Triebwerke so lange sie möglich betreiben um möglichst viel Triebstoff zu verbrauchen und sie möglichst weit weg vom Startplatz zu bringen, aber nicht in einem Bogen nahe der Startgelände aufschlagen lassen.

Vor allem ist die Begründung nicht nachvollziehbar. Wenn die Rakete trotz zu geringem Schub abhebt, dann hat sie spätestens nach 0,5 s den nominalen Schub, nur ist sie nun eben 1-2 m von der Startplattform entfernt, aber die Ausgangslage ist praktisch die gleiche, die Mission hätte also durchgeführt werden können.

Das ganze macht als Erklärung keinen Sinn, weder technisch noch logisch. Es ist nicht die erste dieser Art, so fiel ja ein Start aus, weil man zu viel Treibstoff in die Oberstufe geladen hatte. Die Frage ist natürlich erstens wie das möglich ist und zweitens warum man eine Stufe so konstruiert, dass sie zu viel Treibstoff aufnehmen kann. Vor allem ist das ja bei einem Block-DM passiert, der mehrere Zündungen durchführen kann und normalerweise direkt nach der dritten Stufe zum ersten Mal gezündet wird.

Andere spekulieren (anders als die obigen beiden Erklärungen keine offizielle Version) das die Schubvektorsteuerung versagte. Zumindest ein Triebwerk sei in einer extremen Stellung gewesen. Das wäre eine Erklärungsmöglichkeit. allerdings müsste man das mit fünf Triebwerken kompensieren können.

Was wohl die wahre Ursache ist: Die Proton war schon immer die Rakete mit der schlechtesten Zuverlässigkeit. Beim Fehlstart von Phobos Grunt wurde bekannt, dass die russische Raumfahrtindustrie stark ausgeblutet ist. Die geringen Mittel führten zum Abwandern der Jungen in den Westen, die Alten gingen nach und nach in Pension. Es fehlt schlicht und einfach an erfahrenem Personal. Hier mal eine Statistik mit dem Stand 7.5.2013, also ohne den letzten Fehlstart, von je 39 Starts wurden die Statistik erstellt:

Jahre Erfolge Misserfolge
1965-1973 23 16
1973-1980 34 5
1980-1984 37 2
1984-1987 36 3
1988-1991 36 3
1991-1995 38 1
1996-2000 36 3
2000-2005 38 1
2005-2010 36 3
2010-2013 29 4

Sehr deutlich wird, das die Proton nach sehr vielen Fehlstarts immer zuverlässiger wurde. Nach dem Zusammenbruch der SU stiegen die Fehlstarts an, um danach wieder das niedrige Niveau einzunehmen. Erst mit der Einführung der Breeze wurde es wieder schlimmer. Die Block DM-2 ff Serie hat eine Zuverlässigkeit von 93,7%, die Breeze-M Serie dagegen eine von 89,7%.

Dafür wird nun aber ein „Criminal case“ aufgerollt. Es muss ja jemand schuld sein. das hat ja in Russland Tradition. Mich würde nicht wundern, wenn es amerikanische Spione waren die dafür verantwortlich sind, vielleicht sogar von SpaceX angeheuerte Saboteure….

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