Bernd Leitenbergers Blog

Ein europäisches Programm für die Planetenforschung

Ich schaue mir immer die Backlinks auf meinen Blog an, also wer auf ihn verlinkt und jemand folgt dem dann sehe ich das. Diesmal hat Hans mal bei einem Kosmoblog auf sich verlinkt und da ging es unter anderem auch um die europäische Raumfahrt, im speziellen um die Planetenforschung. Ich muss dem Tenor zustimmen, was bisher lief war wenig systematisch. Fangen wir mal an, die bisherige Entwicklung zu skizzieren: Die ESA wurde 1975 gegründet, wird also in zwei Jahren vierzig. In diesen vierzig Jahren wird sie (inklusive der geplanten Missionen) folgende Planetenmissionen durchgeführt haben/durchführen.

Exomars ist noch in der Schwebe, wird aber bestimmt nach 2016 angegangen. Das sind insgesamt 10 Missionen in einem Zeitraum von 1975 – 2022. Da die Vorbereitung sehr lange dauert (siehe JUICE), kann man als Zeitraum nur den bis zur Planung nehmen. Wenn nicht in den nächsten zwei Jahren was dazukommt, ist das eine Mission alle vier Jahre. Das ist nicht viel, auch wenn man bedenkt, dass die ESA nur ein Drittel des NASA Etats hat. Vor allem fällt auf, das es sehr große Lücken gibt. und dann wieder einige Starts in wenigen Jahren. Was ich mal an dieser Stelle skizzieren möchte wäre eine Vision für ein kontinuierliches Programm. Es sollte das Ziel haben mindestens alle zwei Jahre eine Raumsonde zu starten, also die Startzahl glatt zu verdoppeln. Das ist meiner Ansicht nach mit einem Budget von 350 Millionen Euro pro Jahr für neue Missionen möglich (dazu kämen noch Aufwendungen für verlängerte Missionen wie z.B. derzeit die von Mars und Venus Express)

In den USA klappt es sehr gut. Sie haben ein System, bei dem man Obergrenzen für Missionen eingeführt hat und da gibt es große Missionen die man nur einmal im Jahrzehnt durchführt, mittelgroße Missionen die den Hauptteil stellen und „Missions of Opportunity“, wo man sich oft nur an einer anderen Mission beteiligt. So etwas kann man auch in der ESA durchführten. Das wird auch so gemacht, aber nicht mit der Planbarkeit, das also sicher ist das z.B. alle zwei Jahre eine neue mittelgroße Mission genehmigt wird. So könnte man das Budget verteilen:

5 x pro Jahrzehnt eine Mission mit kleinem Finanzbedarf oder die Beteiligung an einer internationalen Mission mit einem Finanzbedarf von 150 Millionen Euro. Das ist z.B. die Mission von SMART-1

Die 350 Millionen Euro würde man dann so aufteilen:

Das ist natürlich nur eine mittlere Verteilung – wenn die große Mission umgesetzt wird, benötigt sie einige Jahre mehr als die 100 Millionen, während der Planungen weniger. Wie man sieht käme man so aber auf 6 Flüge pro Jahrzehnt und vielleicht noch die eine oder andere kleine Mission. (Eine Beteiligung kann auch nur das Stellen von Trägerrakete und Experimenten sein).

Damit das klappt gehört dazu auch ökonomisches Vorgehen. Was das ist zeigte sich bei Rosetta / Mars Express / Venus Express. Rosetta kostete 1 Milliarde Euro. Mars Express noch 300 Millionen und Venus Express 220 Millionen Euro. Das Gefälle beruht neben der Missionsdauer auch darauf, dass Mars und Venus Express den Sondenkörper von Rosetta nutzten, die Experimente teilweise auch (sie mussten aber weil sie von Mars 96 abstammten meist nicht neu entwickelt werden)

Das ist ein Vorbild das nachahmenswert ist. Anstatt für jede Mission was neues zu konstruieren ist es sinnvoll eine Raumsonde zu bauen dazu einen Pool von Experimenten und die dann mehrfach einzusetzen. Die erste Sonde wird wegen den Entwicklungskosten teuer, bei den folgenden spart man dann Geld. Nimmt man die technischen Anforderungen so haben Orbiter um Venus, Mond und Mars, mit Einschränkungen auch zu erdnahen Asteroiden dieselben Anforderungen. Sie finden in der gleichen Region des Sonnensystems statt, dadurch sind Kommunikationsdistanzen und Sonneneinstrahlung identisch, das benötigte Delta-V variiert nur um wenige Hundert Meter pro Sekunde. Sinnvoll ist daher ein Orbiter für alle drei (bzw. vier) Missionen zu konstruieren und diesen dann noch leicht missionsspezifisch anzupassen, wie durch die Größe der Treibstofftanks oder Anzahl der solarpanele, ähnlich ging man ja auch bei Mars/Venus Express vor.

Dazu gehört ein Pool an Instrumenten, das heisst Instrumente, die man auf mehr als einer Mission einsetzt, wenn auch nicht auf jeder. So gibt es bei der Liste zwei Himmelskörper mit Atmosphären. Hier machen IR-Spektrometer zur Untersuchung der Atmosphäre und Massenspektrometer / Geräte zur Messung von Ionen Sinn um diese zu untersuchen. Drei Körper haben Oberflächen die man durch Kameras gut beobachten kann. Hier machen dann auch Spektrometer im visuellen Bereich Sinn. Ein RADAR ist universell einsetzbar, auch wenn es bei der Venus am besten einsetzbar ist. Dazu kommen Magnetometer, Partikel und Teilcheninstrumente die auch bei fast jedem Himmelskörper Sinn machen. In der summe spart man Geld wenn ein Instrument und eine Raumsonde mehrfach gebaut wird. Danach kann man für die nächsten Missionen wieder an eine neue Generation gehen.

Die kleinen Missionen sollten spezielle Missionen sein, die entweder technische Neuerungen erproben sollten (so wie SMART-1), oder nur wenige Experimente für bestimmte Fragestellungen mitführen. So etwas wie z.B. GRAIL oder LADEE gerade bei der NASA. Denkbar wäre z.B. eine Venusatmosphärensonde die bis zur Landung Untersuchungen und auch Bilder macht. Basierend auf dem einfachen Sondendesign der Pionier Venus Sonden wäre das mit diesem Budget durchführbar.

Die große Mission wäre dann etwas anspruchsvolles. Hier denke ich vor allem an Missionen zu den äußeren Planeten die aufgrund der Stromversorgung mit RTG und der Startrakete teuer wären. Gerne würde ich z.B. einen Titan Orbiter und / oder einen Titan Lander sehen.

Zur Reduktion der Startkosten wäre eine kleine Feststoffoberstufe sinnvoll. Eine Oberstufe mit 2 t Start und 0,21 t Leermasse und einem spezifischen Impuls von 2850 m/s (Daten angelehnt an die PAM-D) könnte mit der Vega minimal 420 kg zum Mars und maximal 570 kg zum Mond befördern (mit Propellant offloading). Von Ariane 5 in einen GTO Orbit gebracht, beträgt die Nutzlast 5 t zum Mond und 2,5 t zum Mars. Der Vorteil: Mann kann so einen Ariane 5 Start mit einem Kunden teilen. Die Methode ist nicht neu. Man hat sie schon bei Giotto eingesetzt. Schon damals wurde ein Doppelstart erwogen, der jedoch wegen dem Startfenster nicht möglich war. Wenn man den Satellit im GTO parkt (leicht die Bahn mit den Vernierdüsen anhebt), dann kann er dort verbleiben bis das Startfenster vorliegt. Bei 6-7 Starts pro Jahr muss man maximal 2 Monate im GTO warten.

So kann man mit der Vega die kleinen Missionen auf den Weg bringen (für die wäre auch die ASAP-5 eine Alternative, doch wird die anscheinend nicht mehr eingesetzt) und mit der Ariane 5 die mittelgroßen. Eine große Mission würde dann einen Ariane 5 Einzelstart erfordern, wobei auch hier die Oberstufe die Nutzlast für hohe Geschwindigkeiten erhöhen würde. Zum Jupiter transportiert eine Ariane 5 ECA gerade mal 400 kg, mit der Oberstufe dagegen 1400 kg (man wird allerdings trotzdem noch Swing-Bys durchführen). Ab einer Geschwindigkeit von 12000 m/s steigert diese Oberstufe die Nutzlast bei Ariane 5.

Für beides ist aber eine Langzeitplanung notwendig. Eine eigene Stufe lohnt sich als Entwicklung nur wenn sie auch häufiger eingesetzt wird. Genauso machen Nachbauten eines Raumsondengrundkörpers und ein Pool an Experimenten Sinn, wenn man die entsprechenden Missionen gleich plant wie z.B. 2016 zum Mars, 2018 zur Venus, 2020 zum Mond, 2022, zu einem NEO → neue Generation oder neue Ziele.

Unter diesen Voraussetzungen denke ich wird man durchaus mit den 350 Millionen Euro für Neuentwicklungen dieses Programm durchziehen.

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